402 402 FUDUTOURS International 20.04.24 16:13:41

07.02.2016 FC Basel – FC Luzern 3:0 (0:0) / St. Jakob-Park / 25.821 Zs.

Es ist relativ spät geworden, als wir am Samstag in unserem preisbewusst gewählten Hotel in Basel einchecken. Es verbleibt gerade noch genügend Kraft für eine Dusche in der legendären IBIS-Astronautenkabine, ehe die Klassenfahrt-Doppelstockbetten fair verteilt werden und das gute alte zdf-Sportstudio die Nachtruhe einläutet.

Als wir am nächsten Morgen erwachen, regnet es bereits in Strömen. Nur gut, dass wir beim Auschecken drei Tageskarten für den öffentlichen Nahverkehr Basels samt Stadtplan gratis an der Rezeption erhalten. Den Weg in die Stadt können wir so trocken und überdacht in der Straßenbahn zurücklegen, wobei wir nur wenige Sekunden nach Abfahrt von zivilen Kontrolleuren zum Vorzeigen unserer Billets aufgefordert werden. Von der uns kontrollierenden Dame erfahren wir, dass es uns 100 Franken gekostet hätte, wären wir ohne Fahrkarte unterwegs gewesen. Ihr Kollege trägt einen wunderbaren Hut, kann unsere darauf bezogenen Komplimente aber nur widerwillig annehmen. Am Ende des Vormittags werden wir alles gesehen haben, was Basel so zu bieten hat: Rathaus, Altstadt, Basler Münster, Theater und ein Hallenflohmarkt, dessen Kundschaft sehr an das szenige Kreuzberg erinnert, politisch korrekte zeitgemäße Versorgungsstände mit überteuerten Unnötigkeiten inklusive. Während eines Spaziergangs am Rhein fallen diverse Anti-Pegida-Plakate ins Auge, wobei ins Besondere der Slogan „Kartoffelauflauf? Kein Bock drauf!“ zu überzeugen weiß. Außerdem stellt die Basler Fähre eine Besonderheit dar, die Groß- und Kleinbasel verbindet und an einem Drahtseil befestigt die Strömung des Rheins zur Überfahrt nutzt. Eines dieser Holzboote legt offenbar seit 1877 direkt vor dem Münsterhügel an und geht somit als das wohl spektakulärste Kirchenschiff der Welt in die Notizbücher ein. Ganz nett, erledigt.

Spannender gestaltet sich in der Schweiz abermals die Suche nach erwärmten Nahrungsmitteln, die gegen 13.00 Uhr den aufkommenden Mittagshunger für unter 20 Franken zu stillen versprechen. Als vor der „Bierhalle zum braunen Mutz“ ein Sonntagsbrunch für 38 Franken beworben wird, schüttelt es uns ein wenig und gedanklich kehrt man bereits bei Mc-Donald’s ein, ehe man sich daran erinnert, dass man in Aarau selbst bei der königlichen Konkurrenz 18 Fränkli für das preiswerteste Fleischbrot der Karte und frittierte Kartoffelstangen gelassen hatte. Der bereits öffentlich angedrohte Hungerstreik FUDUs kann gerade noch so abgewendet werden, da sich ein Asia Bistro namens „Mr. Wong“ erbarmt, die Reisegruppe in Empfang zu nehmen. In der Kantinenküche mit Selbstbedienung gibt es beispielsweise Eierreis mit Hühnchen für geradezu freundschaftliche 14 Franken. Zugeschlagen, denkt sich da der Cateringverlierer und steuert sehenden Auges zielstrebig in das nächste kulinarische Verderben. Während sich die hoolde Maid eine Suppe aus einem eimerähnlichen Gefäß und der Hoollege eine exotische Speise munden lässt, kämpft unsereins mit hartem, vertrocknetem Reis und totgebratenem Huhn. Alter, what’s Wong with you?

Jetzt hilft nur noch literweise Sojasoße, um das Elend ein wenig zu minimieren. Guter Plan, dem angesichts des horrenden Aufpreises für wenige Milliliter Soße aus dem Plastikbecherchen ein Riegel vorgeschoben wird.

Drauf geschissen. Aber auch das ist aufgrund der verschlossenen Toilettentür, die man nur mittels Code öffnen kann, leichter gesagt als getan. Der Hoollege erfragt diesen bei den asiatischen Servicekräften und kehrt schulterzuckend zurück. „Irgendwas mit Sekunde“, so seine Antwort auf die Frage nach dem einzugebenden Zahlenschlüssel. Das tendenziell rassistische imitieren deutsch sprechender Menschen mit asiatischem Migrationshintergrund überlasse ich jetzt euch. Vielleicht kommt ihr ja auch anderweitig auf des Rätsels Lösung: „600“ ist jedenfalls gemeint. Nein, nein, is kein Snaps, is nul Flaume!

Der Weg zum Stadion ist mit der Straßenbahn schnell zurückgelegt. Der St. Jakob-Park ist eine moderne Fußballarena, die zuletzt für die EM 2008 baulich verändert worden ist. Der Zahn der Zeit nagt etwas an der Stadionumgebung und der altmodischen Fassade. Das unmittelbar angrenzende Shoppingcenter und der Umstand, dass sich der Bahnhof direkt hinter dem Kurvenbereich verorten lässt, versprüht dann jedoch wieder die Modernität, die man in der Umgebung eines EM-Stadions eher erwartet hätte.

Ein kleiner Junge wird mit selbstgebastelter FCB-Fahne, bestehend aus Stock und Einkaufstüte mit Logo, von einem Ordner abgewiesen. Für ihn sicherlich kein guter Start in die Rückrunde. Sein Vater reagiert umgehend und versteckt das gute Stück unter einer Treppe, an der wir gerade stehen, um unsere letzten Getränke zu leeren. Kurz darauf betreten wir das Stadion, nehmen bessere Plätze als die von uns bezahlten ein und staunen, dass die Spieler den Kabinentrakt durch eine überdimensionierte Senftube verlassen und den heiligen Rasen betreten. Der schöne Panoramablick aus dem Stadion ist durch die hohen Ränge und den VIP-Klotz auf der Haupttribüne leider etwas verbaut. Auf Seiten des FC Luzern kennt man Trainer Babbel und die Spieler Fandrich und Schachten, beim Gastgeber freut man sich besonders über die Namen Walter Samuel und Marc Janko.

Die Gäste werden von gut Sekunde Mann aus dem proppevollen Gästeblock unter dem Dach unterstützt, wobei man heute einem Faschingsmotto folgend verkleidet anreist. Die dazugehörigen Spruchbänder sind aufgrund des Sprachbarrierlis leider vollkommen unverständlich, während die Hausherren offenbar gegen die Vereins- und Transferpolitik ihres Clubs protestieren. Das Spiel beginnt – und hat in der ersten Halbzeit nicht all zu viele Höhepunkte zu bieten. Der Außenseiter aus Luzern hat gar die größte Chance des ersten Spielabschnitts, scheitert aber am Pfosten. Insgesamt gelingt es ihnen sehr gut, den haushohen Favoriten und Serienmeister aus Basel in Schach zu halten. In der 43. Minute wird es dann abenteuerlich, als Herr Safari aus Basel gelb erhält. Die Videowand beginnt, das übliche Werbespektakel abzuspulen. Diese Karte wird ihnen präsentiert von… Mr. Wong! Ein kleiner animierter asiatischer Kung-Fu-Koch springt dabei durch das Bild, verkörpert offenbar die „gelbe Gefahr“, holt einen gleichfarbigen Karton aus dem Wok und schlägt FUDU ein zweites Mal in die Magengegend.

Da hilft nur noch ein Bier in der Halbzeitpause. Angesichts der Preisgestaltung von 5,50 Franken pro Getränk entschließt sich FUDU dazu, zwei Bier zu kaufen und eines zu stehlen. Bei einem Franken Pfand pro Becher freut man sich nach Abpfiff zusätzlich darüber, dass etliche Schweizer ihre Becher im Stadion stehen lassen, die der Umwelt zu Liebe von uns selbstverständlich eingesammelt und abgegeben werden. Ach, Schweiz. 18 Franken für einen Bleppo-Burger mit Pommes? Jetzt sind wir beinahe wieder quitt.

Die zweite Halbzeit ist dann wesentlich attraktiver als die erste. Basel wird nach und nach dominanter und schnürt den nun immer mehr geforderten FC Luzern in seiner eigenen Hälfte ein. Die Tore durch Birkir Bjarnason (Der Skandinavien-Experte in Ekstase!) und Matías Delgado sind folgerichtig. Die größte Aufmerksamkeit des zweiten Spielabschnitts ziehen die Einwechselspieler auf sich. Bei Luzern kommt die „hässliche 77“, die sich bei nachträglicher Recherche als Markus Neumayr herausstellt. Natürlich ein Deutscher. (Der mal bei Manchester United unter Vertrag stand und vermutlich seitdem als fleischgewordene Starallür herumläuft, so als hätte er dort Cristiano Ronaldo aus der Startelf verdrängt.) Auf der anderen Seite wird beim FCB ein gewisser Renato Steffen eingewechselt, der von der Ultrakurve über die gesamte Restdauer des Spiels gnadenlos ausgepfiffen wird, selbst, nachdem er das 3:0 erzielt und vor eben jener Kurve zum Jubeln einkehrt. Und dann ist auch schon Feierabend im „Joggeli“.

Im Shuttle-Bus zum Flughafen sitzt uns ein Pärchen gegenüber, das uns die bittere Wahrheit vor Augen führt, dass wir demnächst wieder in Berlin Zeit verbringen müssen. Er mit Tarnfarbenparka und Deutschlandflagge, sie mit Jeanshose unter den Achseln. Hipster, ick hör‘ dir trapsen.

Der Aufenthalt auf dem Flughafen Basel-Mulhouse-Freiburg ist dann zunächst von einer erfolglosen Biersuche geprägt. Das Preis-Leistungsverhältnis stimmt wieder einmal nicht überein. Später ergibt eine Zeitungslektüre, dass es rumänische Eishockeyspieler gibt und dass das Auspfeifen von Steffen und die Spruchbänder vor dem Anpfiff in unmittelbarem Zusammenhang stehen. Steffen war erst kürzlich unter Protest der Fanszene vom großen Rivalen Young Boys Bern nach Basel gewechselt. Währenddessen finden sich Jugendmannschaften des Liverpool FC und des Chelsea FC in der Wartehalle ein und sorgen neben der Anwesenheit des 1.FC Union Berlin (wir!) dafür, dass zwei weitere recht vernünftige Fußballvereine repräsentiert sind. Ein Mann mit verkehrtherum angezogenen Schuhen (Nein, keine Entenfüße. Nein, nicht mit der Sohle nach oben. Manche Dinge muss man vielleicht einfach gesehen haben, um sie zu verstehen) schlappt durch das Szenario, als wäre es das Normalste der Welt.

Als wir in Berlin landen, treffen wir das Pärchen aus dem Bus im Terminal des Flughafen Schönefeld wieder. Hatten wir also offenbar den richtigen Riecher. Egal, Deutschland hat auch schöne Ecken. Beispielsweise dort, wo die Ottomane auf den Rest meiner Couch trifft. Nur noch drei d:sf-Montage – dann geht’s ja Gott sei Dank auch wieder nach Tschechien. /hvg