472 472 FUDUTOURS International 23.04.24 16:11:25

16.07.2016 NK Olimpija Ljubljana – NK Celje 1:0 (0:0) / Stadionu Stožice / 1.200 Zs.

Wenn man nur noch wenige Wochen Arbeit bis zum Sommerurlaub vor der Brust hat, ist dies natürlich noch lange kein Grund, die Tage zu zählen. Nur noch 58 Mal schlafen bis zum nächsten Mal Mallorca, um danach dann wieder ein ganzes Jahr mit dem Hintern auf der Couch zu sitzen? Nee, da hat Fetti andere Ideen und so entscheidet er sich für einen weiteren Wochenendausflug, um sich ein wenig vom Alltag abzulenken und die Wartezeit auf die beiden Wochen Sommerurlaub in Litauen und Griechenland zu verkürzen. Rückblickend darf gelinde gesagt von einer legendären Tour gesprochen werden – aber der Reihe nach.

Am 15.07.2016 lasse ich um 18.00 Uhr den Stift fallen. Endlich Feierabend, endlich Wochenende. Wenig später schlage ich auf Einladung meines Bianconeri-Bruderherzes in der „Rainbow Lounge“ auf. Heute wird sein Geburtstag gefeiert und noch bevor ich „Guten Abend“ sagen kann, hat der aufmerksame Baarkeeper bereits das erste frisch gezapfte Bier bereitgestellt. Die Cocktail- bzw. Longdringkarte offenbart darüber hinaus die eine oder andere besondere Leckerei (empfehlenswert: Woddi-Wostok). Klar, dass die Zeit wie im Fluge vergeht und ich urplötzlich feststelle, dass es bereits kurz nach drei geworden ist und ich mich wohl oder übel verabschieden muss, um zum Berliner Hauptbahnhof aufzubrechen.

Um 4.14 Uhr besteige ich den ICE nach München. Sechs Stunden und dreißig Minuten später verlasse ich diesen ausgeschlafen, munter und unternehmungslustig. Leider fehlt vom Wirtschaftsflüchtling, der mit seinem Firmengeschoss zur Weiterfahrt bereitstehen sollte, jede Spur. Ein Anruf verschafft Klarheit. Der Italo-Hallenser klingt so, wie eben jemand klingt, den man hochgradig alkoholisiert aus dem Dornröschenschlaf geweckt hat. Ich biete ihm an, mich auf den Weg zu seiner Bude zu machen, während er gerne den Versuch starten darf, sich einigermaßen in die Spur zu bringen. Eine halbe Stunde später klingel ich an seiner Tür. Ein junger, adretter Mann öffnet mir die Tür. Ja, bei dem würde ich eine Versicherung kaufen. Oder ein Haus. Oder einen Teppich. Oder eine Frau. Alter, wie macht der das? Ob er wohl eine Zauberkugel in seiner Wohnung hat, in der er innerhalb weniger Sekunden vom Saulus zum Paulus verwandelt wird? Ist Marijke Amado nicht mehr im Fernsehen zu sehen, weil der Wirtschaftsflüchtling sie im Keller hält?

Sei es wie es sei. Nur kurz darauf brausen wir mit dem Düsseldorf-Audi in Richtung Süden. Als Ziel wird das schöne Villach in das Navi eingegeben. Jener Ort, an dem der 1.FC Union Berlin zufällig sein Sommertrainingslager abhalten wird. Je nach Verkehrslage und Dauer der Anreise spielt die Reisegruppe mit dem Gedanken, sich heute Nachmittag entweder a) in Triest an den Strand zu legen, b) nach Koper zu fahren, um hinterher irgendeinen schlechten Wortwitz mit „Koper-Cabana“ machen zu können oder c) nach Ljubljana zu gurken, um Union-Pivo zu trinken und dort dem ersten Spieltag der slowenischen Liga beizuwohnen.

Na, dann mal los.
Oh, Stau.

Gefühlte 300 Millionen niederländischer Wohnwägen befinden sich auf dem Reiseweg in Richtung Österreich. Es geht nur sehr, sehr schleppend voran. Es braucht etwas mehr als zwei (!) Stunden, bis wir Rosenheim erreicht haben. Eine Strecke, die der Wirtschaftsflüchtling normalerweise im Rückwärtsgang in 30 Minuten erledigt. Völlig entnervt – und sich bereits von Idee a), b) und c) distanzierend – tankt dieser nun den Boliden auf Firmenkosten auf, während ich mich an der Tankstelle mit Flötzinger Bräu eindecke. Die österreichische Mautstelle passieren wir – dank Firmenkarte – dann recht zügig. Schnell ist auch die erste Gelegenheit günstig, sich mit Stiegl Bräu zu versorgen und den Magen an die neue Übergangsheimat zu gewöhnen. Am Straßenrand warnen „Fair lenken!“-Schilder von irgendwelchen Marketingspezialisten vor zu schnellem Fahren. Wir ergänzen die Plakatlandschaft um folgende Slogans: „Fair kacken!“, „Fair lieben, fair loren, fair gessen, fair zeih’n“ und „Fair Fatzdich!“. Dann überholen wir einen Bus (sorry, den „Stritzliner“) einer legendären österreichischen Band, welcher mit zwei weiteren markigen Claims überzeugen kann: „fetzig!“ und „lässig!“, sind sie also, die „Stritzis“. Ich lege mich an dieser Stelle unwiderruflich fest: Sollte ich einmal 50 werden, dann gelten die Jungs als gebucht!

Um 16.30 Uhr passieren wir das Maltatal und schicken im Geiste Grüße an Günter. Kurz darauf verspürt der Wirtschaftsflüchtling ein leichtes Hungergefühl. Und was so ein echter Außendienstler ist, der hat natürlich immer eine kleine Reserve für den Notfall im Handschuhfach. Ich reiche dem Fahrer also Banane und belgische Waffel, da keine Mozzarellasticks vorrätig. Mit der leeren Bananenschale in der Hand wird mit Blick in den Rückspiegel kurz die Idee geboren, eine Runde Mario Kart zu spielen, diese aber ebenso schnell wieder verworfen. Schade.

Wir kommen unserem Ziel nun immer näher. Jetzt gilt es nur noch, die attraktive Ausfahrt „Treffen am Ossiacher See“ links liegen zu lassen, auf lustige Fotos am Ortseingangsschild zu verzichten und endlich in Villach anzukommen. Über die Reisepläne a), b) und c) hatte niemand der Reisegruppe im Stop-and-go der letzten Stunden auch nur noch eine einzige Silbe verloren, als wir am Udo-Jürgens-Platz (!) unser Auto parken und in unser Hotel einchecken. Gerade einmal 45 Sekunden liegen wir auf den Hotelbetten, als ich aus dem Munde des Wirtschaftsflüchtlings folgende Worte ungläubig vernehme: „Na jut, fahren wa nach Ljubljana, wa?“.

Puh. Schon sieben Stunden im Audi gehockt und bekanntermaßen kann ich den Fahrer nicht entlasten, seit ich 2010 meine Brille im Handschuhfach eines Jeep Grand Cherokee in Griechenland vergessen habe. Seinerzeit ein schwerer Schicksalsschlag, aber bevor wir ins Detail gehen können, ergänzt der Wirtschaftsflüchtling: „Ist doch gerade einmal eine Stunde von hier!“.

Na, dann mal los.
Oh, Stau.

Ich werde diesen Namen nie wieder vergessen. Karawankentunnel. Wikipedia sagt, dass sich die „Fahrzeit von Villach nach Ljubljana“ seit der Eröffnung des Tunnel 1991 um „eine Stunde verkürzt“ habe. Nun brauchen wir ungefähr eine Stunde, um überhaupt erst einmal in die Röhre fahren zu dürfen. Vermutlich, weil irgendein Kara-Wanker einen Auffahrunfall produziert hat. Der Blick auf die Uhr offenbart bereits jetzt, dass wir den Anpfiff des ersten Spieltages der Saison 2016/17 in Slowenien wohl nicht miterleben werden.

Um 20.30 Uhr haben wir einen Parkplatz am Stadtrand von Ljubljana vor einem schönen Plattenbau und der Bar „Papiga“ gefunden. Ich bin mir meiner Vorurteile bewusst und verabschiede mich in Gedanken bereits vom schicken Dienstwagen des Wirtschaftsflüchtling. Jetzt gilt es erst einmal, das Stadion schnellstmöglich zu finden. Die Frage, mit welchem Verkehrsmittel wir heute Nacht nach Villach zurückkehren werden, kann man sich später immer noch stellen.

Es regnet in Strömen. Wir irren durch ein weitläufiges Areal, haben das moderne Ungetüm von Stadion bereits erspäht, doch die Zugänge zu der Anlage bleiben zunächst im Verborgenen. Auch direkt vor dem Stadion stehend ist nicht klar, wo es Eintrittskarten käuflich zu erwerben gibt. Ein Ordner ist der englischen Sprache mächtig und weist uns zunächst den Weg in ein futuristisches Gebäude, welches aussieht wie eine Mischung aus Schildkröte, Auster und Ufo. Weniger modern ist dann die Technik, der sich die Kartenverkäuferinnen bedienen. Leider streikt der Drucker bei dem Versuch, unsere Karten auszuwerfen. Die Damen haben die Ruhe weg und wer will ihnen dies verübeln, wo das Spiel ohnehin bereits 25 Minuten läuft. Der Kollege von nebenan ruckelt ein wenig am Kabel und siehe da, die beiden Billets können uns ausgehändigt werden.

Auch die Suche nach einem geöffneten Eingang war in dem einen oder anderen Stadion dieser Welt schon etwas einfacher und schneller erledigt. So kommt es, dass wir nach beinahe kompletter Umrundung des Stadions erst nach exakt 33:21 Minuten im gähnend leeren Stožice Platz nehmen können. Es steht 1:0 für die Hausherren. Als nur 12 Minuten später zum Pausentee gebeten wird, sprechen der Wirtschaftsflüchtling und ich von einer kurzweiligen ersten Hälfte. Galgenhumor.

In der Halbzeitpause treffen wir drei Unioner, die es sich heute ebenfalls nicht nehmen lassen wollten, für 10 Euro slowenischen Erstligafußball (auf viertklassigem Niveau) und 15.000 leere Sitzschalen begutachten zu können. 100 Ultras aus Laibach begleiten das Spiel akustisch, allerdings führt der Großvater vor uns eine Holzrassel mit sich, die dermaßen lärmt, dass nur wenige Gesänge vollständig bis an unsere Ohren dringen. Die Gästefans aus Celje sitzen auf der Haupttribüne und vermischen sich friedlich mit Anhängern des Heimteams. Über das Spiel sollte im Interesse aller der Mantel des Schweigens gehüllt werden. Nur soviel: es zieht sich wie Kaugummi und nicht einmal Bier gibt es käuflich zu erwerben. Lediglich die Nummer 2, Denis Klinar, fällt durch seine aggressive Zweikampfführung etwas auf. Ansonsten fiebern wir recht bald dem Abpfiff entgegen, welcher dann auch gegen 22.00 Uhr ertönt. Endlich.

Für einen gelungenen Auftakt in den Abend sorgt dann ein rustikales Restaurant in der Innenstadt Ljubljanas, welche wir mit unserem nicht gestohlenen Auto zügig erreichen. Der Kellner ist so nett, uns um 22.15 noch hineinzulassen und eine Bestellung aufzunehmen. Endlich gibt es frisches Union-Pils und wir sind für alle Unannehmlichkeiten des Tages entschädigt. Gegen 22.40 erhalten wir jede Menge Fleisch mit Soße, um 22.50 möchte der Kellner zwar nicht stören, aber schon einmal abkassieren. Um 22.55 wird um uns herum aufgeräumt und uns bleibt in dieser urigen Gemütlichkeit nichts anderes übrig, als das letzte Kilo Tier und den halben Humpen Union-Pivo in uns hineinzupeitschen.

Wir treten den Rückweg im Auto an, blicken wehmütig zurück und lassen den Tag Revue passieren. Schön war’s – und wann wird man schon das nächste Mal etwas erleben, worüber es sich lohnt, Bericht zu erstatten. So beginnen auch wir, die Tage Stunden Minuten zu zählen. Nur noch 58 bis zum nächsten Highlight. Da müssen einige wohl etwas länger ausharren, bis sie wieder nach Mallorca dürfen. /hvg