826 826 FUDUTOURS International 25.04.24 21:37:04

31.07.2016 FC Lahti – IFK Mariehamn 1:1 (1:1) / Lahden Stadion / 1.925 Zs.

Mit dem Finnenvolkswagen begeben wir uns auf die Reise in das 120 Kilometer entfernte Lahti. Die Strecke auf der Autobahn bietet wenig Abwechslung, sodass der Ausspruch „das Ziel ist das Ziel“ schnell zum geflügelten Wort wird. Nach einer Stunde und zwanzig Minuten haben wir die Abfahrt Lahti erreicht, die sich, aus deutschen Beifahreraugen betrachtet, bemerkenswerterweise auf der linken Fahrbahnseite befindet. Direkt hinter dem Ortseingangsschild wartet das bekannteste Sportteam Lahtis mit einer Begrüßung auf. Während sich andere Eishockeymannschaften martialische Namen geben, um die Gegner einzuschüchtern, grüßt hier jedoch ein lächelnder Pelikan seine Gäste. Wie kommt man auf die Idee, sich mit einem Tier zu identifizieren, welches seinen Sack am Schnabel trägt? Lahti denn keiner aus?

Sei es wie es sei. Wir sind jedenfalls bereits gute vier Stunden vor Anpfiff des heutigen Fußballspiels in der siebtgrößten Stadt Finnlands angekommen und haben nun genügend Zeit, die Sehenswürdigkeiten Lahtis zu erkunden. Den ersten Halt legen wir an den höchsten Radiomasten Finnlands ein. Die beiden Türme prägen noch immer das Stadtbild, sind allerdings seit 1993 nicht mehr im Betrieb und beherbergen seitdem ein Rundfunkmuseum, welches heute jedoch leider geschlossen bleibt. Wir spazieren daher ein wenig durch das Waldgebiet, pflücken Himbeeren und erhaschen erste Blicke in die Innenstadt und auf den Vesijärvi-See.

Kurz darauf sitzen wir in einem kleinen Café an selbigem und lassen uns Kaffee und süße Teilchen schmecken, während uns stechfähige Insekten malträtieren. Plötzlich geraten wir etwas in Eile, da dunkle Wolken aufziehen und das Smartphone des Tischfinnen eine Unwetterwarnung für den Großraum Lahti auswirft. Wir reagieren umgehend und machen uns auf den Weg zu der Skisprunganlage, um noch vor dem großen Gewitter in den Genuss zu kommen, mit dem Skilift auf die Salpausselkä-Skisprungschanze zu fahren und von oben herab in die heutige Spielstätte schauen zu können. Für 8 € geht es bei noch einigermaßen stabilen Wetterverhältnissen mit der wackeligen Sitzschale auf 130 Meter Höhe. Um die drei Skischanzen herum befinden sich Zuschauerränge für 80.000 Besucher, am Fuße der Schanzen ist während des Sommers ein Schwimmbecken in Benutzung und dahinter taucht das Lahden Stadion am Horizont auf. Wir genießen die tolle Aussicht und sprechen derweil all den schmächtigen Jungs mit ihren lila Helmen und Catsuits unseren größtmöglichen Respekt aus. Das kostet dann wohl doch einiges an Überwindung, sich mit zwei Skiern unter den Füßen mit knapp 100 km/h kopfüber in die Hölle zu begeben.

Das Wetter hält glücklicherweise lange genug, um mit dem Skilift sanft und sicher wieder am Fuße der Schanzenanlage anzukommen. Die Suche nach einem Restaurant in der Innenstadt, welches Preise aufruft, die einigermaßen von diesem Planeten stammen, gestaltet sich dann etwas schwieriger. Glücklicherweise kehren wir gerade noch rechtzeitig in ein American Diner ein, bevor der erste Platzregen einsetzt. Hier ordert Fetti eine Pulled Pork Pita mit hausgemachten Pommes, dazu ein Bier – für weniger als 20 €. Als wäre dies in Finnland nicht schon Anlass genug, sich die Hände zu reiben, liegen in dem Diner bereits Programmhefte für das heutige Spiel aus. Fetti interpretiert diese gastfreundliche Geste zu seinen Gunsten und packt im Zuge des ersten Toilettengangs zwei dieser Exemplare flugs in seinen Ostberliner Reisekoffer. Nimm das, Skandinavien! Wieder 4 € gespart…

Auf dem Weg zur heutigen Spielstätte passieren wir noch das eigentliche Heimstadion des FC Lahti. Bis in den Monat Juni hinein fand jedes Spiel im „Kisapuisto“ mit 4000 Plätzen statt und auch diese Anlage versprüht mit ihrer olympischen Vergangenheit, den beiden Tribünen und der Nähe zum Rasenplatz einen gewissen Reiz. Wir fotografieren noch schnell die Statue des bekanntesten finnischen Fußballers Jari Litmanen, der insgesamt drei Jahre in Lahti Fußball spielte, und spazieren dann zurück zum Leichtathletikstadion.

Zwanzig Minuten vor dem Anpfiff haben wir unsere Plätze eingenommen. Im Zuge eines Gewinnspiels versuchen die Spieler der Heimmannschaft Fußbälle aus gut 30 Metern Entfernung in das Publikum zu schießen. Nicht allen Spielern gelingt dieses Unterfangen – einige Bälle geraten zu kurz oder fliegen über oder neben die Tribüne. Na, das kann ja was werden.

Der FC Lahti, entstanden im Jahre 1996 durch die Fusion von Lahden Reipas und dem FC Kuusysi Lahti, trifft heute auf den IFK Mariehamn. Dieser Verein reist heute aus der politisch autonomen Region Åland an, welche aus der gleichnamigen Inselgruppe in der nördlichen Ostsee am Eingang des Bottnischen Meerbusens besteht. Einwohner dieser Region erkennen Schwedisch als einzige Amtssprache an (§ 36, Abs. 1 und 2, Selbstverwaltungsgesetz). Finnische Staatsbürger verfügen nur über eingeschränkte Rechte in der entmilitarisierten Zone, die sich nach wie vor selbst verwaltet und über eine eigene „Nationalflagge“ verfügt. Puh. Soviel Bildungsinput. Nur, um wenigstens ein Mal Busen im Blog unterbringen zu können.

Nun also Fußball. Nach nur 9 Minuten geht der Favorit aus Mariehamn durch Ekhalie in Führung. Nach 20 Minuten setzt abermals starker Regen ein, sodass die Zuschauer, die aus dem Wald gratis auf die Spielfläche schmarotzen, das Weite suchen. Geschieht ihnen Recht, denn bei 12.000 freien Sitz- und Stehplätzen im Stadion hätten sie es auch gerne dorthin schaffen können. Der Rasen wird seifig und macht ein geordnetes Fußballspiel nahezu unmöglich. Im Minutentakt rutschen die Spieler aus und heftigst ineinander hinein, dass man nur hoffen kann, dass sich hier niemand verletzen möge. Das Wetter schlägt weitere Kapriolen und so geben sich Sonnenschein, Starkregen, Wind und Wärme die Klinke in die Hand.

Ich amüsiere mich königlich über die Spieler Bonilha und Euller des FC Lahti, die außer eine brasilianische Staatsbürgerschaft nichts im Angebot haben, was einen Fußballer auszeichnen könnte. Waren sie bereits bei der Gewinnspielaktion im Vorfeld des Spiels gescheitert, stellen sie auch hier eindrucksvoll ihr Ungeschick unter Beweis. Man darf sich getrost skurrile Geschichten erspinnen, wie diese beiden Strandfußballer wohl den Weg nach Finnland gefunden haben mögen…

Der dritte Brasilianer im Bunde hat schon deutlich mehr Qualität, ist mit seinen zarten 38 Lenzen aber gleichermaßen am Ende seiner Laufbahn angekommen. Mit der Grundgeschwindigkeit und dem Wendekreis eines LKW schleppt sich Rafael, der seit 2005 in Lahti spielt, in dieser Zeit bereits mehr als 50 Ligatore erzielen konnte und daher eine Art Kultstatus bei den Fans genießt, über das schwere Geläuf. Auf der anderen Seite agiert Kristian Kojola (nicht zu verwechseln mit der Tschechencola; ehemals Hallescher FC) unauffällig.

Das 0:2 ist wunderschön, wird aber aufgrund eines vermeintlichen Stürmerfouls nicht anerkannt. In der 40. Minute bestätigt sich die uralte Fußballweisheit, bei glitschigem Boden aus großer Entfernung einfach mal drauf zu halten und so verwertet Hostikka einen Freistoß aus gut 30 Metern, den der gegnerische Keeper nur nach vorne klatschen lassen kann, zum Ausgleich.

In der Halbzeitpause führt mich der verrückte Tischfinne in die Welt der VIP der Veikkausliiga ein. Heute gastiert kein geringerer als Harri Kampman, ehemals Motherwell FC, unter den Gästen. Noch spektakulärer wird es dann am Imbiss, an dem der Versuch gestartet wird, mir Bananenlakritz schmackhaft zu machen. Danke, Nein.

Mit einer zweisprachigen Stadiondurchsage (finnisch/schwedisch) wird darauf aufmerksam gemacht, dass das Spiel nun wieder angepfiffen werden wird. Ich verstehe beide Durchsagen nicht, kann aber die Uhr lesen. Leider verflacht auch beim zweiten Finnlandspiel dieses Wochenendes das Niveau zusehends. Die Hausherren agieren ausschließlich durch die Mitte, was die gut gestaffelt stehenden Gäste mit einem müden Lächeln quittieren und im Vorbeigehen verteidigen. Auf der anderen Seite sind sie jedoch fußballerisch auch nicht gut genug, um ihrerseits dem Spiel ihren Stempel aufzudrücken und so plätschert ein vollkommen ereignisloses Fußballspiel vor sich hin. Lediglich ein Abseitstor der Gäste in der 62. Minute schafft es noch auf den Notizblock, ehe der Herr Schiedsrichter dem Nicht-Spektakel in nach wie vor beeindruckendem Ambiente ein Ende setzt.

Auf dem Weg zum Auto greife ich am Grillstand noch schnell zwei Stadionwürste, die sich mittlerweile im Ausverkauf befinden, zu je einem Euro ab. So muss es sich anfühlen, ein Cateringgewinner zu sein, denke ich mir, während sich der Fahrer noch die letzte Bananenlakritzstange gönnt. Eine Stunde und zwanzig Minuten später sind wir in Espoo angekommen. Morgen früh werde ich mit der ersten Maschine in Richtung Arbeitsstelle fliegen. Der Weg ist das Ziel? Das Ziel ist das Ziel? Nein: Das nächste Wochenende ist das Ziel! /hvg