788 788 FUDUTOURS International 19.04.24 06:48:10

17.09.2016 SV Wörgl – FC Hard 0:3 (0:0) / Sportzentrum Wörgl / 150 Zs.

Ich sehe es als meine Bürgerpflicht an, diesen Bericht mit einer Warnung beginnen zu lassen. Alle Menschen, denen ich auf meinen Reisen begegne, sollten nun Obacht geben. Bitte lasst äußerste Vorsicht walten, wenn ihr im Zuge unseres Kontakts sagt: „Ach, das wäre so schön, wenn Du mich irgendwann einmal besuchen würdest!“ Das Problem ist: Ich komme wirklich.

Gerade habe ich meinen Irlandkorb dekorativ im Regal verstaut, da wage ich auch bereits den nächsten Anlauf mit selbiger Dame. Kurz nachdem der 1.FC Union den Auftritt beim TSV 1860 München nahezu im Vorbeigehen siegreich gestaltet hat und kurz vor dem Beginn meines Urlaubs in Bella Italia passt ein Ausflug nach Österreich jedenfalls locker in den Tourneeplan. Gemeinsam mit dem Herrn Fackelmann, der ebenfalls freundschaftliche Kontakte nach Innsbruck pflegt, quäle ich mich am frühen Morgen aus den Münchener Gästebetten des Wirtschaftsflüchtlings. Am Busbahnhof an der Hackerbrücke brechen dann erste Jubelstürme aus, als unser grünes Gefährt überpünktlich in seiner Haltebucht zum Stehen kommt. Seit ich billige Buslinien für mich und meine Reisezwecke entdeckt habe, ist das Tempus „Buskamperfekt“ ohnehin zu meiner Lieblingszeitform avanciert.

Glücklicherweise haben wir heute lediglich zwei Stunden Fahrt vor der Brust. Schnell wird nämlich klar, dass man eine längere Wegstrecke vermutlich nur mit Atemmaske überleben würde, da die Chemietoilette an Bord für ein olfaktorisches Fiasko sorgt. Vielleicht hat sich der etwas mürrische Fahrer aus einer ehemaligen Sowjetrepublik auch schlicht und ergreifend einen Duftbaum der Sorte „Neuköllner U-Bahnhof“ an den Spiegel gehangen. Man weiß es nicht, es stinkt jedenfalls wie die Hölle.

Während die Gastgeber Fackelmanns bereits fröhlich zur Abholung bereitstehen, wird unsereins noch ein wenig im Regen stehen gelassen. Zwei-Drei Nachrichten später ist klargestellt, dass es auf der 29,3 Kilometer langen Strecke von Schwaz nach Innsbruck aktuell einen 37 Kilometer langen Stau geben muss. Gar kein Problem, da der gegenüberliegende Gemüsehändler auch über einen kleinen Kühlschrank mit Notfall-Stiegl verfügt und so positive Effekte hinsichtlich der Wartezeitverkürzung, Regeneration der Nasenscheidewände an der frischen Luft und Steigerung der Vorfreude erzielt werden können.

Recht bald befinde auch ich mich dann in Begleitung. Gemeinsam mit meiner Lieblingskroatin, die ich das letzte Mal in Bergamo vor der Weiterreise nach Malta gesehen hatte (schöne Geschichte!), sitze ich nur unwesentlich später im „Soulkitchen“ und genieße einen großartigen Burger und ein Pils der Privatbrauerei Raschhofer. Beides besonders lecker – und irgendwie ist es ja auch besonders logisch, dass Dinge besser schmecken, wenn man sie manuell aus Zutaten anfertigt, die vor der eigenen Haustür wachsen. Wenn doch bloß all diese Verfechter von regionaler Bio-Küche und handgebrautem Bier nicht so dermaßen anstrengend wären…

Leider werden wir von dem Kellner auf der ansonsten menschenleeren Terrasse ziemlich allein gelassen, der auf diesem Wege zu verhindern weiß, dass es zu Nachbestellungen kommen kann. Die Kommunikation mit dem Service fiel mir allerdings auch in dessen Anwesenheit schwer, doch wer will es mir verübeln, wenn man sich in einem Landstrich befindet, in dem beispielsweise folgendes gesagt wird: „Geschtan bin i fischling iban Bichl oikuglt“. Alles klar, selber Oachkatzlschwoaf!

Mein Gegenüber ist dankenswerterweise in der Lage, astreines Hochdeutsch zu sprechen, sodass es eigentlich zu keinerlei Verständigungsproblemen kommen müsste. „Wir könnten in die Swarovski-Kristallwelten nach Wattens fahren, da war ich noch nie, kostet aber leider knapp 20 € Eintritt!“, schlägt sie vor. „Oder wir fahren zum Fußball, in der Regionalliga spielt heute Wörgl gegen Hard!“, ergänzt sie. Alarm, Alarm, Alarm, schreit mein verkümmertes Singlegehirn. Es könnte sich um eine Falle handeln. Noch bevor ich so diplomatisch wie möglich antworten (und trotzdem in selbige tappen) kann, setzt sie jedoch fort: „…also ich finde 20 € eigentlich zu viel und würde lieber zum Fußball gehen!“. Okay. Es scheint wirklich keinerlei Verständigungsprobleme zu geben.

Das Sportzentrum Wörgl verfügt über eine Haupttribüne und gewährt ansonsten freien unbebauten Blick auf ein wunderbares Bergpanorama. Zugelassen ist die Sportstätte für 3500 Zuschauer und in etwa so viele freie Parkplätze befinden sich in unmittelbarer Nähe auf einem großen Schotterplatz, auf dem der Parkplatzeinweiser doch ein etwas skurriles Bild abgibt. Überpünktlich erreichen wir das Kassenhäuschen, zahlen 8 beziehungsweise 5 (Ermäßigungsberechtigung: biologisches Geschlecht) Taler Eintritt und erhalten ein Faltblatt, auf dem immerhin die aktuelle Tabelle der Regionalliga West und die Aufstellungen beider Clubs festgehalten sind. Die Aufstellung der Gastgeber liest sich dann sogleich wie eine Balkanauswahl. Besonders schön ist, dass sich Trainer Denis Husic heute dazu durchringen konnte, die Innenverteidiger Haris Husic und Adis Husic aufzustellen. Dann kann ja nichts mehr schiefgehen.

In einem Bierzelt in der Kurve des Stadions decke ich uns noch schnell mit Flüssignahrung ein. Das Spiel beginnt und bei Dauerregen und arktischen Temperaturen sind wir froh, auf der Tribüne Ost ein Dach über dem Kopf zu haben. In unmittelbarer Nähe lässt sich ein freundlicher Herr in Crvena Zvezda Trikot nieder und gibt seine neunzigminütige Auftaktveranstaltung im Rahmen der Seminarreihe „serbisch fluchen“ zum Besten. Die Gäste aus Hard imponieren durch ihre „Fohrenburger“-Werbung auf den Trikots. Die Brauerei, die FUDU schon auf diversen Reisen quer durch Österreich aufgrund ihrer sexistischen Werbeplakate für sich begeistern konnte. In ewiger Erinnerung bleibt jenes mit der heißen Blondine, die stilvoll mit einer Pulle in der Hand auf einem Einhorn reitet und mit der freien Hand eben selbiges lasziv umschließt. Ach, jetzt hab ich Lust auf Bier.

Fußball wird 30 Minuten lang auch recht anständig gespielt, doch bei zusehends schlechter werdenden Platzverhältnissen sinkt das technisch-taktische Niveau stetig. Dafür wird die eine oder andere sehenswerte Grätsche auf dem tiefen Geläuf gesetzt und die Akteure beider Mannschaften rutschen recht ansehnlich ineinander hinein.

In der Halbzeitpause starte ich in das Unterfangen, für mich und meine ebenfalls unterkühlte Begleitung etwas erwärmendes zu erhalten. Da die Kaffeemaschine leider ihren Geist aufgegeben hat, stelle ich mit der älteren Dame am Ausschank meinen absoluten Lieblingsdialog der Simpsons nach und erhalte am Ende des Gesprächs zwei frische Pils.

Jeder erhält in Folge obendrein einen Handschuh, damit wenigstens die Trinkerhände nicht weiter auskühlen und schon startet der zweite Abschnitt des Spiels. Die „Wöagla Kicka“ schauen etwas verdutzt aus der Wäsche, als es nach knapp einer Stunde plötzlich 0:2 steht. Die Herren Böhler und Koch haben mit jeweils ihrem ersten Saisontreffer den um zwei Tabellenplätze schlechter postierten FC Hard in Führung gebracht (5. gegen 7. in einer 16’er Liga). Ist es denn zu fassen?

In der 77. Minute wörglt Metin Batir einen direkten Freistoß am Schlussmann des SVW vorbei und sorgt für die Entscheidung. Die Köpfe der Balkanauswahl hängen, der Serbe flucht. It’s a Hard knock Life!

Nach dem Spiel werde ich noch in den Genuss eines Kneipenabends und einer Karaoke-Party im beschaulichen Schwaz kommen. Der Smalltalk mit all den sicherlich netten Freunden und Freundinnen meiner Begleitung geht wesentlich weniger leicht von der Hand als in Dublin, was auch hier in erster Linie dem tirolerisch geschuldet ist. Warum nicht auch einfach auf Englisch reden, wenn man das „Deutsch“ des Konversationspartners nicht versteht?

In den folgenden Tagen tausche ich dann Trinkerhandschuh gegen Badehose und lasse den Sommer am Lago Di Garda ausklingen. Abschließend gilt es nun nur noch die Frage zu stellen: Wen darf ich als nächstes besuchen kommen? Aber Vorsicht, wahrscheinlich komme ich wirklich! /hvg