438 438 FUDUTOURS International 19.04.24 20:19:40

03.02.2017 FC Astra Giurgiu – ASA Târgu Mureş 1:0 (1:0) / Stadionul Marin Anastasovici / 1.500 Zs.

Jede Gruppe kann in ihrer Geschichte besondere Momente, besondere Daten, besondere Fixpunkte finden. Die erste gemalte Fahne, das erste gemeinsame Auswärtsspiel, die ersten Haare am Sack. Irgendwie sowas. Bei FUDU wird ein für alle Mal der 05.02. eine besondere Bedeutung einnehmen. Es ist schließlich der Geburtstag des Spreewaldschurken. Und genau an diesem Tag begab es sich im Jahre 2011, dass der glorreiche 1.FC Union bei einem anderen Berliner Sportclub mit 2:1 gewinnen konnte. Das Freistoßtor von Mattuschka bleibt unvergessen, der Torjubel unerreicht. Im Anschluss hat es sich FUDU zur Aufgabe gemacht, die Geburtstage der Gründungsmitglieder an Spieltagen zu begehen und die Schönheit der Feiern von Jahr zu Jahr zu steigern. Rückblickend kann man schon ins Feld führen, dass es wohl besser gewesen wäre, 2011 in einem Schrebergarten in Fürstenwalde gegen eine Piñata zu schlagen oder verkleidet durch den Friedrichshain zu laufen. Sicherlich wäre es dann um einiges leichter gewesen, in den folgenden Jahren etwas NOCH aufregenderes zu erleben. Nun hängt die Latte jedoch einigermaßen hoch und so entscheidet FUDU im Jahre 2017, die Anreise zum Auswärtsspiel bei der SG Dynamo Dresden an des Schurken Geburtstag schlicht und ergreifend über București und Giurgiu führen zu lassen. Guter Plan!

In der Planungsphase der Reise reserviert der Schurke eine Unterkunft nach der anderen. Zwischenzeitlich befinden sich überschlagsgerechnet 72% aller Hotelbetten der rumänischen Hauptstadt in den Händen FUDUs und ein Vorschlag nach dem anderen wird aus unterschiedlichsten Gründen ebenso schnell wieder verworfen. Schön, wenn Buchungsportale die Möglichkeit einer kostenlosen Stornierung gewähren. Sollen doch die Hoteliers sehen, wie sie ihre Zimmer loswerden, die irgendwelche Specknacken aus Deutschland blocken und erst kurzfristig wieder freigeben. Am Ende der Planung fällt die Wahl auf eine Luxus-Suite mit zwei Schlafzimmern im Herzen der Stadt für umgerechnet gar nichts.

Am Flughafen Schönefeld bleibt das Geplänkel mit der Sicherheitsbeamtin in Erinnerung. Als sie mir eine Kiste für Gürtel, Kleingeld, Handy und Co reicht, bedanke ich mich artig. „Bitte“, entgegnet sie mir in einem Ton, den ich etwas sonderbar finde und der mich dazu veranlasst, sie darauf aufmerksam zu machen, dass ich doch „Danke“ gesagt hätte. Nun versteht sie wiederum die Welt nicht mehr, schließlich habe sie extra „Bitte“ gesagt, da ihr mein „Danke“ ganz besonders positiv aufgefallen wäre und heutzutage kaum noch jemand diese Umgangsformen wahren würde. Puh, Kommunikation. Wahrscheinlich gäbe es weniger Kriege, wenn Menschen nicht reden könnten. Wenige Sekunden später zieht mich ein weiterer Sicherheitsmann aus der Schlange. Ich bin der Auserwählte und darf mich einem zusätzlichen Sprengstofftest unterziehen. Von hinten ruft die Dame von eben mir nonchalant hinterher: „Dit haste jetzt davon!“.

Der Schurke und ich bilden wenige Stunden später die FUDU-Vorhaut der Hölle und tätigen zunächst alleine die ersten Schritte durch die rumänische Hauptstadt, welche doch sehr im Schatten der aktuellen politischen Diskussion in Rumänien stehen. Unlängst waren landesweit 450.000 Menschen auf die Straßen gegangen, um gegen die Regierung zu protestieren, die im Eilverfahren Änderungen am Strafgesetzbuch vorgenommen und einen Gesetzesentwurf in die Wege geleitet hatte, welcher korrupten Politikern Straffreiheit gewähren soll, sofern die verursachte Schadenssumme weniger als 200.000 Lei beträgt. Kann man so machen, dachte sich offenbar Ministerpräsident Grindeanu. Kann man nicht so machen, halten auch an diesem Abend des 02.02. mehrere tausend Menschen entgegen, die uns nun bei unserem Versuch, uns eben auf die Schnelle in einem nahe gelegenen Späti mit etwas Abendbrot und Ursus einzudecken, auf den Straßen entgegenlaufen. Soeben muss die Demonstration in der Innenstadt zu Ende gegangen sein und eine ganz besonders knisternde Atmosphäre liegt in der Luft. Aufbruchstimmung. Euphorie. Aber auch etwas bedrohliches schwingt mit, wenn eine große Menschenmasse Fahnen schwenkend, teils vermummt und lauthals skandierend durch die Straßen zieht und man in der Dunkelheit die Lage noch nicht vollumfassend überschauen kann. So entscheiden wir uns, den Rückweg in das Hotel anzutreten und uns lieber morgen bei Tageslicht einen Überblick über die Lage zu verschaffen.

An diesem kommen dann auch die anderen FUDU-Schweine aus allen Löchern gekrochen. Der Schwabe lässt es sich nicht nehmen, aus Stuttgart via Thessaloniki und einer wilden Nacht in Athina einzuschweben und der Münchener Wirtschaftsflüchtling reaktiviert auf die Schnelle einen in Bukarest lebenden ehemaligen Mitspieler (Gabi, die Pfote) von Romania Halberstadt als Stadtführer. Wir genießen noch eben schnell unser Frühstück in der Lobby des Hotel „Duke“, welches exorbitant durch die Dauerberieselung mittels eines rumänischen Bademodenkanals aufgewertet wird. Und schon kann das Sightseeing im „Paris des Ostens“ beginnen.

Der erste Weg führt uns vorbei an aufgetürmten Schneebergen schnurstracks zum „Palatul Parlamentului“, jenes bodenständige Gebäude, welches der rumänische Diktator Nicolae Ceaușescu in den Jahren 1983 bis 1989 aus dem Boden stampfen ließ. Mit seinen 3000 Zimmern auf einer Grundfläche von 65.000 m² ist es eines der größten Gebäude der Welt. Für die Errichtung des „Haus des Volkes“ wurden historische Straßenzüge und Häuser niedergerissen und selbst ein Jahrhunderte altes Kloster war vor den größenwahnsinnigen Plänen des Despoten nicht sicher. Bei läppischen 3,3 Milliarden Euro Baukosten, die in etwa 40% des jährlichen Bruttosozialprodukts Rumäniens entsprechen, verwundert der Spitzname „Haus des Sieges über das Volk“ nicht weiter. Es scheint in Rumänien Tradition zu haben, dass Politik und Volk Hand in Hand gehen…

Kurz darauf sitzen wir im „Crama Domneasca“ und lassen uns landestypische Spezialitäten munden. Der Rumäne der Reisegruppe erklärt uns beim Anstoßen, dass das Wort „Prost!“ in der rumänischen Sprache „blöd“ oder „Trottel“ bedeutet und dass an dieser Sprachbarriere schon Freundschaften zerbrochen wären. Wir lassen also beim Klirren der Gläser stilecht „Noroc!“ erklingen, während unser Gastgeber schlicht und ergreifend „Dumm!“ entgegnet. Wie war das weiter oben doch gleich noch mal mit den Kriegen und der Kommunikation?

Und während wir da so sitzen, trinken, lachen und reden fällt irgendeinem der Reisegruppe auf, dass so ein Wochenende in Rumänien so ganz ohne Fußball genaugenommen nicht in das Anforderungsprofil der Schurk’schen Geburtstagsplanung passt. Prost nur, dass im Vorfeld recherchiert und in der Reisemappe Romania veröffentlicht worden war, dass die Regionalbahn von București zum einzig machbaren Spiel nach Giurgiu für die läppischen 65 Kilometer 2 Stunden und 56 Minuten gebraucht hätte und eine Rückfahrt erst am nächsten Morgen möglich gewesen wäre. Der Vorschlag, man könnte sich auch einfach einen Mietwagen organisieren, schlägt ein wie eine Bombe. Der non-alcoholic Schurke bietet sich sogleich als Fahrer an und trägt seinerseits hochgradig solidarisch einen Teil zu einem gelungenen Geburtstagswochenende bei.

Es ist ungefähr 16.00 Uhr, als wir in der Innenstadt das seriöseste Lei-Wagengeschäft der näheren Umgebung betreten. In dem kleinen Büro gibt es touristische Informationen zum Mitnehmen, einen Schreibtisch, einen Mann UND ein Poster, welches darauf hinweist, dass man hier drei verschiedene Autos erhalten könnte. FUDU entscheidet sich für einen Škoda, der für 24 Stunden Fahrspaß umgerechnet keine 30 € kosten soll. In gerade einmal zwei Stunden könnten wir den Wagen etwas außerhalb des Zentrums entgegennehmen. Wir erhalten eine Adresse und ein paar gute Wünsche für einen angenehmen Tag.

In der Zwischenzeit fahren wir mit der U-Bahn zur Station Stefan cel Mare und besuchen das alte Dinamo-Stadion und den Fanshop des ortsansässigen Fußballvereins, welcher für FUDU an Attraktivität gewonnen hat, seitdem niemand geringeres als Adam Nemec dort unter Vertrag steht. Das in die Jahre gekommene Fußballstadion ist komplett zugeschneit und man stellt sich schon die Frage, wie hier am nächsten Tag ein Ligaspiel ausgetragen werden soll. Auf dem Rasen findet zu unserem großen Glück aktuell das Abschlusstraining statt. Adam netzt gewohnt sicher ein, ist aber so fokussiert („nur noch 30 Minuten Training bis Bier!“), dass er uns Zaungäste nicht wahrnimmt.

Um Punkt 18.00 Uhr finden wir uns an der Übergabe-Adresse ein. Ich persönlich hätte jetzt eher damit gerechnet, dass sich dort ein weiteres Büro der Autovermietung befindet, doch noch bevor wir mit unserer Suche nach diesem Etablissement hätten beginnen können, hält plötzlich ein schwarzer Škoda in zweiter Spur. Gemütlich verlässt ein rumänischer Geschäftsmann den Fahrersitz und hält uns einen Stapel Papier entgegen. Bitte hier, hier und hier unterschreiben, 129 € Kaution, das war’s, gute Fahrt. Hoppala, kurz vergessen, dass wir in Rumänien sind. Naja, wird schon alles seine Richtigkeit haben.

Respektierlich souverän lotst uns der Fahranfänger durch den chaotischen Bukarester Stadtverkehr. Kurz darauf ist die Landstraße in Richtung Giurgiu und Länderpunkt erreicht und wir brausen mit leicht erhöhter Geschwindigkeit an Pferdefuhrwerken vorbei, nicht ohne dabei von wesentlich schnelleren Autos, LKW und Bussen überholt zu werden.

Um 19.35 Uhr haben wir den Wagen in der Nähe des Stadionul Marin Anastasovici abgeparkt. Gratulationen, herzliche Glückwünsche und aufrichtig gemeinte Lobeshymnen nimmt der Fahrer entspannt zur Kenntnis. Noch 25 Minuten Zeit bis zum Anpfiff. Sämtliche Kassenhäuschen sind verschlossen. Ein freundlicher Ordner erzählt uns, Karten für diese Partie seien ausschließlich im Supermarkt „BILLA“ in der Innenstadt käuflich zu erwerben. Dieser sei fußläufig gerade einmal 30 Minuten entfernt, während sein Arm in Richtung dunkler Felder rumänischer Einöde zeigt. Wir treten den Rückweg zum Auto an, Lagebesprechung. Auf dem Weg dorthin begegnet uns ein Polizist mit Tschapka, der irgendeinen Feldweg absichert. Auf Nachfrage nach Eintrittskarten ist er so freundlich, zückt sein Handy und telefoniert wild um sich. Einige Minuten später gibt das nette Bullenschwein Auskunft: Eintrittskarten gibt es auch auf einem Parkplatz in einer Holzhütte zu kaufen, gerade einmal 10 Minuten von hier, noch vor Siebenbürgen. FUDU macht sich also im Schweinsgalopp auf den Weg und erreicht kurz nach dem Anpfiff den beschriebenen Parkplatz mit der Holzhütte, in der sich Ioan und Mirela gerade auf das Verbarrikadieren selbiger und die erste Halbzeit gefreut hatten, nun aber noch einmal vier Billets à 10 Lei ausdrucken und an den Mann bringen müssen.

Mit gerade einmal 15 Minuten Verspätung nehmen wir Platz im Stadion, welches auf drei Seiten ausgebaut ist und 8.500 Menschen fassen könnte. Heute finden sich in etwa 400 Zuschauer auf den Traversen ein. Am Abend wird Astra Giurgiu auf der Vereinswebsite eine geschätzte Zuschauerzahl von 1.300 vermelden und diese später in den offiziellen Angaben auf 1.500 herauf korrigieren. In den Reihen der Hausherren befinden sich drei Brasilianer, ein Japaner und in Spielmacher Constantin Budescu (#10) der alles überragende Akteur auf dem Rasen. Die Gäste von Târgu Mureş, die ich im Sommer 2015 in der UEFA-Cup-Qualifkation beim AS St. Étienne habe aufdribbeln sehen, müssen sich in der Zwischenzeit bedauerlicherweise von ihrem Chefcoach Vasile Miriuta getrennt haben. Die internationalen Glanzzeiten der Gäste sind mittlerweile Vergangenheit, während es Giurgiu aktuell in der Vorrunde der Europa League mit Austria Wien, der Roma und Victoria Plzeň zu tun hat, nachdem man in der Qualifikation niemand geringeren als West Ham United eliminiert hatte.

Ähnlich dieser Vorzeichen entwickelt sich dann auch die Partie auf dem tiefen Geläuf in der Provinz nahe der bulgarischen Grenze. Die Gäste versuchen mitzuspielen und laufen immer und immer wieder ins offene Messer. Die viel zu hoch stehende Abwehrreihe seziert Budescu das eine oder andere Mal mit wunderbaren Steilpässen, gerne auch lässig mit dem Außenrist ausgeführt. Angriffswelle um Angriffswelle rollt mit viel Tempo auf den überforderten Club aus Neumarkt am Mieresch zu. Eigentlich nahezu ein Wunder, dass es bis zur 28. Minute dauert (für uns also nur 13 Minuten), bis der Japaner Takayuki Seto einen der unzähligen Angriffe erfolgreich abschließen kann.

In der Halbzeit vergeben die hungrigen FUDU-Mastschweine an das Catering des FC Astra eine glatte 6. Es gibt außer Kartoffelchips rein gar nichts essbares käuflich zu erwerben und als wäre dieser Tiefschlag nicht schon hart genug eingeschlagen, steht kurz darauf fest, dass auch kein Bier ausgeschenkt wird. Derweil wird an einem Camping-Klapptisch nebenan lieblos Billigcola aus dem Lidl in Plastikbecher umgefüllt und steht dann hoffnungslos auf Kunden wartend in der rumänischen Abendkühle herum. Ich glaube, ich schlage in 30 Minuten zu. Freeway ohne Kohlensäure fetzt!

In der zweiten Halbzeit lässt Giurgius Trainer Tiki-Taka zelebrieren, ohne jedoch seinen Mannen mit auf den Weg zu geben, dass man nur Tore erzielen kann, wenn man den Ball irgendwann auch einmal in Richtung des selbigen befördert. So gibt es bis zur 83. Minute bei gefühlten 85% Ballbesitz nicht einen einzigen vernünftigen Torabschluss zu notieren. Stattdessen verzocken die Hausherren den Ball in aussichtsreichen Positionen in denkbar überheblicher Manier, während die Gäste dem Abpfiff entgegenfiebern, nichts zuzusetzen haben und von Minute zu Minute schlechter werden. Als ein Akteur Giurgius nach eben jenen 83 Minuten freistehend aus drei Metern in den Nachthimmel ballert und selbst Starspieler Budescu noch einen liegen lässt, ist klar, dass FUDU hier kein weiterer Treffer gegönnt wird.

Als alle Mann im Škoda Platz genommen haben, weist irgendein Vollprost darauf hin, dass wir hier durchaus die Möglichkeit hätten, in wenigen Minuten noch einen zweiten Länderpunkt zu machen. Die Donau ist nicht weit entfernt und die 2,2 Kilometer lange Friendship Bridge sei sicherlich schnell passiert, ehe man bulgarisches Staatsgebiet betreten könnte. Ein Mitglied der Reisegruppe zeigt gesteigertes Interesse an bulgarischen Geldscheinen für die Sammlung daheim und es keimt große Hoffnung auf, den Hunger in einer bulgarischen Taverne stillen zu können. Und FUDU wäre nicht FUDU, wenn nicht auch der nüchterne Fahrer von einer solchen Idee begeistert werden könnte.

Wenige Minuten später stehen wir auf der vermaledeiten zweispurigen Fickdich-Bridge in einem furchtbaren LKW-Stau und kommen weder vor noch zurück. In dem Auto erblickt eine Idee das Licht der Welt, welche ich uneingeschränkt so an meinen Erstgeborenen weiterreichen würde: „Junge, solltest Du jemals auf einer Brücke zwischen Rumänien und Bulgarien im Stau stehen: Einfach auf die Gegenfahrbahn wechseln und fahren. Wenn Dir was entgegen kommt, wird Dir rechts schon irgendein freundlicher LKW-Fahrer eine Lücke lassen!“

Der Schurke lenkt den Škoda auf die Gegenfahrbahn. Es kommt, wie es kommen muss. Nach wenigen Metern kommt uns ein Ungetüm von LKW lichthupend entgegen und irgendein Viorel versteht die Welt nicht mehr. Glücklicherweise hat der Schurke jedoch bei den Lehreinheiten „Anfahren am Berg“ und „Rückwärtseinparken auf der Brücke“ ziemlich gut aufgepasst und ist jeder Zeit Herr der Situation, während ich viel zu nüchtern bin, um nach dem Manöver DAFÜR zu stimmen, noch einmal auf die Gegenfahrbahn auszuscheren. Aber bekanntlich entscheidet in Westeuropa immer die Mehrheit (es ist hoffnungslos) und nur zwei Schreckmomente später rollt unser Tschechengeschoss samt unversehrtem Füllgut über bulgarischen Boden.

Das Telefon des Rumänen klingelt. Am anderen Ende der Leitung befindet sich der aufgeregte Besitzer des Autos, der fragt, ob wir denn den Vertrag nicht gelesen hätten, den wir unterzeichnet haben und was zur Hölle wir mit seinem Wertgegenstand in Bulgarien zu tun gedenken. Auch das ist Europa – wenn Rumänen Angst davor haben, dass ihre Autos in Bulgarien geklaut werden. In Muttersprache gelingt es, die Lage zu deeskalieren und glücklicherweise müssen wir dem erbosten Verleiher zu diesem Zeitpunkt nicht erklären, dass wir nur mal eben schnell in Ruse (145.000 Einwohner) in Ermangelung echter Restaurants eine Gyros-Pita essen werden.

Anschließend treten wir die Rückfahrt (ohne Stau) zurück in die Hauptstadt des Nachbarlandes an. Während wir uns daran erinnern, dass man laut Marco Polo Reiseführer in Rumänien um Gottes Willen niemals in der Dunkelheit über Landstraßen fahren sollte, stellen wir fest, dass es im Großraum Bukarest ca. 12 Radiosender zu empfangen gibt, die in etwa vier Lieder auf Dauerrotation versenden. Während der Schurke den Škoda zum wiederholten Male erfolglos in metertiefen Schlaglöchern zu versenken versucht, läuft bereits zum dritten Male „Tuesday“ von Burak Yeter und ich wage an dieser Stelle zu behaupten, dass der Schurke in seinem gesamten Leben des Nachtens keine Landstraße mehr passieren können wird, ohne an dieses zeitlos schöne Musikstück denken zu können.

Am nächsten Tag findet der Schurke stilecht in der Nähe des Triumphbogens 50 Lei auf der Straße, nur wenige Augenblicke, nachdem er festgestellt hatte, dass er am Ankunftstag viel zu viel rumänisches Geld am Flughafen abgehoben hatte. Dieser wohl schönste Erfolgsmoment FUDUs erhält kurz darauf eine eigene Hymne, indem ein wunderbarer Song von Simon & Garfunkel intoniert wird („Lei, Lei, Lei!“).

Wir lassen es uns auf unserer Sightseeing-Runde im Anschluss nicht nehmen, kurz an einer Familien-Großdemonstration teilzunehmen (bis zu 500.000 Demonstranten vor dem Parlamentsgebäude) und anschließend einem rumänischen Bauernmarkt einen Besuch abzustatten. Die traditionell gekleideten Babuschkas umschiffen die Sprachbarriere geschickt, indem sie uns Blicke in die Kochtöpfe werfen lassen. Kurz darauf haben wir uns für Knoblauch (oh, da ist eine Kartoffel hineingefallen!) und irgendeinen leckeren Eintopf entschieden und lassen den Aufenthalt in Rumänien ausklingen.

Gut gestärkt begeben wir uns in die Schlacht gegen den rumänischen Autobesitzer. Es gilt, den Wagen zurückzugeben. Aufgrund unserer Bulgarien-Eskapade und der unklaren Vertragskonditionen machen wir uns auf das Schlimmste gefasst und haben innerlich bereits Abschied von der Kaution genommen. Der Besitzer erfragt den Standort des Wagens und macht sich dann auf den Weg zu uns. Kaum eine halbe Stunde später schleicht er um das Geschoss herum und mustert sein Gefährt, welches auf der verschneiten Landstraße nicht nur optisch enorm gelitten hat. Kurz kratzt er sich am Kinn, ehe er zum großen Betrug ansetzt: „The Car is not clean! That will cost you 5 €!“.

Der Schurke überreicht lächelnd die gefundenen 10,87 €, der Wirtschaftsflüchtling erhält die geleistete Kaution dankend zurück und kaum sitzt der freundlich bescheißende Rumäne in seiner Karre, kann sich FUDU das Lachen nicht mehr verkneifen. Lei, lei, lei, the Car is not clean, lei, lei, lei, lei, lei, lei!

In der Kneipe erfahren wir bei einem letzten Bier vor der Weiterreise via Berlin nach Dresden unter Jubel der Einheimischen, dass die rumänische Regierung die umstrittenen Erlasse zurücknehmen wird, noch bevor diese am 11.02. hätten in Kraft treten können. So wird FUDU ein Stück weit Teil europäischer Zeitgeschichte. Alles nicht so schlecht, aber im Vergleich zum Freistoßtor Mattuschkas bei Hertha BSC natürlich eher eine Randnotiz. Ach, hätten wir damals doch bloß auf eine Piñata eingedroschen. /hvg