983 983 FUDUTOURS International 18.04.24 02:54:52

03.06.2017 Vanløse IF – Hillerød Fodbold 5:2 (2:0) / Vanløse Idrætspark / 250 Zs.

Jedes Jahr sieht der Rahmenterminkalender der UEFA ein Wochenende vor, welches für die Finalpartie der Champions League reserviert ist. Ganz Europa fiebert diesem Spiel entgegen, nur einige wenige verspüren weniger Interesse am Stelldichein der ganz Großen. Dennoch bedeutet dieses Wochenende seit nunmehr drei Jahren auch für FUDU Anlass zur Freude, da der Weg zum „Coupe des clubs champions européens“ stets über Dänemark führte. Und während sich mein Bianconeri-Bruderherz auf der Reise nach Cardiff befindet, um Juventus das zweite Mal in den vergangenen drei Jahren live in einem Endspiel um den wichtigsten Titel des europäischen Vereinsfußballs im Stadion sehen zu können, sitzt FUDU am Freitag Abend in einer Maschine der Norwegian und schwebt in Feierabendbierlaune gen København Lufthavn. Noch über den Wolken freuen wir uns bereits auf den dritten Gastgeber in drei Jahren und darauf, dass wir auch dieses Jahr abermals einen Vorort Kopenhagens kennenlernen dürfen werden. Das Motto des Jahres 2017 ist schnell auserkoren: Alle in Rød nach Allerød!

In gewohnter Routine steht Kenneth Anger am Flughafen mit seiner Familienkutsche bereit und beruhigt sich und uns mit dänischen Kinderliedern auf der Überfahrt ins 30 Kilometer entfernte Allerød. Unser Gastgeber und der Fischkopf empfangen uns dort mit gutem dänischen Dosenbier in unserer Bleibe für die kommenden Tage. Wir inspizieren den Kellerraum, in dem wir nächtigen werden und sind kurz darauf voll des Lobes. Schöner kann man kaum übernachten als an einer Theke inmitten von Liverpool-Trikots und anderer Fußball-Devotionalien. Besonders angetan hat es uns, dass es das 1.FC Union Berlin Trikot, welches sich Ginger Spice bei seinem Besuch des Stadions An der Alten Försterei käuflich erworben hatte, sogar hinter Glas geschafft hat. Noch immer schwärmt der Fan britischen Fußballs und Assistenztrainer der Altherrentruppe der „Brønshøj Bees“ von seinem Ausflug nach Berlin, der Atmosphäre im Stadion, das Drumherum und sowieso. Schön, dass er nun aus Dankbarkeit über dieses Erlebnis zum weltbesten Gastgeber avanciert. Nachdem das letzte Tuborg geleert und die letzte Schlacht an der Dartsscheibe geschlagen ist, endet der Anreisetag zu einer recht humanen Uhrzeit in der Horizontalen.

Nach einem ausgiebigen Frühstück am nächsten Morgen steht dann auch bereits das erste Fußballspiel des Wochenendes auf dem Programm. In der 25. Runde der „Danmarksserien Pulje 1“ empfängt heute Vanløse IF den Fußballklub aus Hillerød. In der Saison 1974/75 startete der heutige Gastgeber als amtierender dänischer Pokalsieger im Europapokal der Pokalsieger und scheiterte in der ersten Runde denkbar knapp (0:4, 1:4) an SL Benfica. In der Gegenwart ist man in der Viertklassigkeit angekommen und heute laut der Wettbüros leichter Favorit, obwohl der Gast aus Hillerød momentan von der Tabellenspitze grüßt.

Der Vanløse Idrætspark liegt im gleichnamigen Stadtteil im Westen der dänischen Hauptstadt. Freunde statistischer Daten kommen bei einem Blick auf Wikipedia vollends auf ihre Kosten, wird man dort schließlich darüber aufgeklärt, dass Vanløse lediglich 37.115 Einwohner zählt und damit der bevölkerungsmäßig kleinste Stadtteil Kopenhagens ist. Besorgten Bürgern geht wiederum das Herz auf, dass laut Statistikamt der Kommune Kopenhagen der Anteil ausländischer Einwohner in Vanløse bei lediglich 10,5% liegt und dies den niedrigsten Wert aller zehn erfasster Stadtteile der Hauptstadt darstellt. Super. Und ausgerechnet an diesem klinisch reinen Hort der Glückseligkeit schleppt unser dänischer Gastgeber heute gleich drei verwahrloste Ausländer mit in ein Fußballstadion. FUDU sorgt für Überfremdung!

Um nicht weiter negativ aufzufallen, zahlen wir brav unsere 50 Kronen Eintritt und erhalten – wie in Dänemarks unteren Spielklassen üblich – eine belanglose Kinoabrisskarte für die Sammlung daheim als Souvenir. Im Stadion begutachten wir die massive Haupttribüne und stellen am hinteren Ende dieser fest, dass man das Stadion auch einfach durch einen offen stehenden Seiteneingang ohne Eintrittszahlung hätte betreten können. Fünf Kinder haben mit ihren Fahnen Position bezogen und werden hier wohl gleich die quietschende Imitation eines Fanblocks zum Besten geben. Wir bewundern die rudimentär erhaltenen Reste der Hintertortribüne, ølen unsere Stimmen vor dem kleinen Kiosk und nehmen dann unsere Plätze auf der Gegengerade ein. Wir wundern uns über den etwas sonderbaren Haufen „Hipster-Ultras“ neben uns, die in genau diesem Erscheinungsbild soeben auch aus einem Café in Berlin-Friedrichshain hätten fallen können. Ein Graffito auf der Auswechselbank der Gäste heißt selbige herzlich willkommen und kurz darauf wird das Spiel auch schon angepfiffen.

In der ersten Viertelstunde hat sich der Trainer der Gastgeber ein Opfer herausgepickt. Matthias Møller Thomsen macht auf seiner rechten Verteidigungsseite nach Meinung Jesper Holdts aber auch nun wirklich gar nichts richtig und so wird er folgerichtig konsequent im drei-Minuten-Rhythmus gemaßregelt. Und wahrlich, der Gast aus Hillerød kann durch seinen schnellen linken Mittelfeldspieler recht viel Druck über die durch Thomsen zu verteidigende Seite entfachen. Irgendwann hat Holdt seinen Verteidiger dann aber sortiert und es kehrt Ruhe an der Außenlinie ein.

Das Spiel ist „intense and even“, wie unser Local knallhart auf den Punkt bringt und da sich diese Ausgeglichenheit nicht nur zwischen den Strafräumen abspielt, sondern auch durch gleich viele Torchancen auf beiden Seiten statistisch messbar wird, darf man getrost von einem unterhaltsamen Fußballnachmittag sprechen.

Die Gäste hätten nach einer halben Stunde die Führung allerdings verdient gehabt, doch zwei Mal vereitelt Keeper Krogh in allerhöchster Not und ein Mal bewahrt der Querbalken Vanløse vor dem Rückstand. Holdt holt sich seinen Stürmer Jack Castelijns für die Übermittlung taktischer Anweisungen an die Außenlinie, an der die eingekehrte Ruhe aber gewahrt bleibt: Castelijns ist gehörlos und wird nun in Gebärdensprache gecoacht.

Nach 40 Minuten verwertet Nicolai Johansen eine Ecke per Kopf zum 1:0 – in einer Phase, in der der Gast doch etwas die Dominanz über das Spiel gewonnen hatte. Nur vier Minuten später schließt der Niederländer Castelijns einen schnell vorgetragen Angriff zum 2:0 ab und Trainer Holdt ist offensichtlich sehr stolz auf seinen Schützling, der während der taktischen Anweisungen sehr genau zuge…schaut haben muss. Die „Hipster-Ultras“ zünden eine Konfettikanone und versorgen sich dann in der Pause mit ihren Versorgungsbons von der Rolle (zwei Meter zwei Mark!) mit neuem Carlsberg, während einer ihrer Kollegen bereits ein grundsolides Nickerchen am Fahnenmast hält.

FUDU und der Däne bewundern in der Halbzeitpause hingegen das großartige Stadionheftchen, in dem gleich zwei freundliche Funktionäre der Hausherren mit Augenfehlstellungen aufwarten. Schon praktisch, wenn man über Scouts verfügt, die beide Außenbahnspieler gleichzeitig beobachten können. Den Rest der Pause nutzt Ginger Spice, um seine vergessenen Zigaretten aus dem Auto holen und durch den Seiteneingang zurück in das Stadion schlüpfen zu können. Der Toilettenbesuch wird mit der Randanekdote ausgeschmückt, dass der Idrætspark über kein fließendes Wasser verfügt. Nur logisch, da sich Vanløse angeblich mit „wasserlos“ übersetzen lässt.

Die Zuschauerzahl ist aufgrund des „Tags der Offenen Tür“ ebenfalls nicht ganz wasserdicht wiederzugeben. Internetartikel lokaler Sportportale sprechen von 300 Zuschauern, doch die „BT“ berichtet von lediglich 250 Zuschauern. Da ich ein großer Freund der Boulevardberichterstattung bin, darf diese Zahl als gesetzt angesehen werden.

In der zweiten Halbzeit brennen die Akteure ein derartiges Feuerwerk auf dem grünen Rasen ab, dass der Konfettikanone der „Hipster-Ultras“ der Saft ausgehen wird. Zunächst verkürzen die Gäste auf 1:2, da dem ansonsten starken Keeper Krogh ein Ball unter dem Körper hindurch rutscht (65. Minute). Nur sieben Minuten später bestraft Castelijns die viel zu weit aufgerückten Gäste, die bereits frühzeitig die Abwehr aufgelöst hatten, indem er einen zwei auf null Konter souverän zum 3:1 abschließen kann. Doch noch geben sich die Gäste nicht geschlagen und so fällt nach 83 Minuten nach einer Freistoßflanke aus dem Halbfeld der Anschlusstreffer durch Jojo Quarm. Erneut entscheidet sich Hillerød dafür, „alles oder nichts“ zu spielen und nur zwei Minuten nach dem Anschlusstreffer jubelt Andersen über seinen geglückten Abschluss zum 4:2. Während ihm zu Ehren dieses Tores noch einige letzte Krümel Konfetti zu Teil werden, muss Andersen das mit Abstand schönste Tor des Tages in der 90. Minute zum 5:2 ohne optische Begleitung feiern. Kanone leer, koan Fetti! Gut so, schließlich duldet Fetti keine anderen Fettis neben sich.

Am Abend sitzen wir dann alle in rød in Allerød und genießen ein BBQ im Garten, welches durch ein besonders hübsches Jubiläumspils deutlich aufgewertet wird. Vor 25 Jahren besiegte die dänische Nationalmannschaft das „auf Jahre unschlagbare“ DFB-Team mit 2:0 im Finale von Stockholm. Klar, dass so ein Bier doch gleich besonders gut schmeckt. Deutschland, Du Opfer!

Das Championsgedöns in Cardiff entscheidet derweil Real mit 4:1 für sich. Während sich mein Bruder enttäuscht mit dem Bus von Cardiff nach London quält und zu allem Überfluss auch noch in eine Terrornacht gerät, bettet sich FUDU irgendwann glücklich an der Theke der Kellerbar. Und wenn sie nicht gestorben sind, träumen sie sicherlich noch heute von einem nächsten großen Fußballabend in einem Kopenhagener Vorort. /hvg