875 875 FUDUTOURS International 19.04.24 12:47:50

10.10.2017 Tarxien Rainbows FC – Hibernians FC 0:9 (0:6) / Charles Abela Memorial Stadium / 36 Zs.

Unmenschliche Höllenqualen liegen hinter mir. Arbeit. Vier Tage am Stück. Das kann ja nun wirklich niemand ertragen. Von daher ist es nur logisch konsequent, sich möglichst schnell wieder aus dem Staub zu machen. In Koppelung mit der von mir betriebenen Bilanzfälschung, dass Geburtstage, die man im Ausland feiert, nicht in die Statistik eingehen, ergibt plötzlich alles einen tieferen Sinn und so sitze ich am Freitag, den 08.10. im Flugzeug und fliege in Richtung Malta, um meinen 29. Ehrentag angemessen gestalten zu können.

Zwei Tage später erlebt der maltesische Herbsturlaub, der bis dato aus Biergelage im „Funky Monkey“ und jeder Menge Sonne und Faulenzerei am Meer bestand, eine jähe Zäsur. Heute dringt König Fußball in die Tagesplanungen ein. Oder sagen wir mal lieber: so etwas ähnliches wie Fußball. Das Länderspielwochenende hat seine finsteren Spuren nämlich auch im Terminkalender Maltas hinterlassen und so rollt der Ball auf der Insel während meines Urlaubs lediglich in der ersten Frauenfußball-Division.

Um uns den Tag bis zum Anpfiff am Abend so angenehm wie möglich zu gestalten, steht zunächst ein Ausflug nach Vittoriosa auf dem Programm. Mit der Fähre fahren wir von Sliema hinüber nach Valetta und setzen von dort die Anreise mit einer weiteren Fährlinie nach Cospicua fort. Direkt nimmt uns am großen Hafen der kleinen Stadt mit nur 2484 Einwohnern das Fort St. Angelo in Empfang. Dieses Fort ist letztlich der Grund für den seit 1565 gültigen Stadtnamen Vittoriosa („die Siegreiche“), da bei einem Überfall der Türken in eben diesem Jahr das Bauwerk eine wesentliche Rolle bei der Verteidigung der Insel spielte. Die Bewohner des Städtchens ziehen es aber bis heute vor, es weiterhin mit dem bis dato gültigen Namen „Birgu“ zu bezeichnen.

Der „Palazzo Huesca“ von 1883 mit seinen großen Sälen und seiner majestätischen Fassade scheint uns gerade gut genug zu sein, um einzukehren. Auf der sonnigen Terrasse des zum Palast zählenden Restaurants „Be Birgu“ lässt es sich bei Speis und Trank ganz gewiss aushalten. Eine vierköpfige und dickbäuchige englische Altherrenmännergruppe sieht dies nach einem flüchtigen Blick in die Karte etwas anders. Wenn es kein gezapftes Bier gibt, bleiben sie nicht. No draft beer, no party! Manchmal sollte man eben so seine Prinzipien haben…

Günter und ich lassen uns jedoch nicht abschrecken und bestellen etwas zähneknirschend das vier Euro teure Flaschenbier. Im Urlaub kann man bekanntlich auch einmal Fünfe gerade sein lassen und so wandern nach Fettis Gusto die 12,90 € teuren Meatballs von der Vorspeisenkarte ebenfalls mit auf den Zettelblock des Kellners. Wenige Minuten später wird serviert. Stilvoll auf einer Granitplatte präsentierter Salat, ein kreatives Körbchen Pommes und als weiterer optischer Höhepunkt der Mahlzeit runden die appetitlich aussehenden Fleischklöße mit frischen Kräutern und rotem Pfeffer das Gemälde ab. Ich schneide die erste Boulette an, betrachte das Fleischbrät und Skepsis macht sich in mir breit. Dieses Bild kommt mir aus meiner Studentenzeit doch irgendwie bekannt vor und auch der Geschmackstest bestätigt die Annahme. Hier haben wir es mit dem Hause „Maggi“ und somit mit aufgewärmtem Convenience-Food zu tun. Das Gericht geht somit unter der Überschrift „mehr Schein als Sein“ als weitere Anekdote in das Tagebuch des Cateringverlierers ein, der nun aber wenigstens etwas näher an den Zeitgeist herangerückt ist. In einer auf Hochglanz polierten Zeit ist die Optik bekanntermaßen immer häufiger wichtiger als der Inhalt…

Im Bus in Richtung Stadion darf FUDU dann weitere Zeitgeiststudien betreiben und sich nun dem Themenkomplex „Kommunikation“ und „Sozialkompetenz“ zuwenden. Als Beobachtungsobjekte bieten sich zwei Jugendliche an (ein Stück männlich, ein Stück weiblich), die sich gegenüber sitzen. Gar nicht widersprüchlich ist, dass er sich von ihrem ausladenden Dekolleté eingeladen fühlt. Im Jahre 2017 schaut und spricht man sich jedoch bei Interesse füreinander nicht mehr direkt an, sondern hat den Colt für alle Fälle in Form eines Smartphones in der Hosentasche. Während sie also nichtsahnend einen halben Meter von ihm entfernt sitzt, blättert er durch ihre Fotos auf Facebook und zoomt ihr mit zwei Fingern regelmäßig in den Ausschnitt. Dazu hinterlässt er zwei-drei „Gefällt mir“-Klicks, was die Hoffnung nährt, dass sie ihm dann schreiben wird. Na, dann drücken wir mal die Daumen.

An der Station „Technopark“ verlassen wir den Bus und machen uns auf den Weg zum „Charles Abela Memorial Stadium“, wo wir heute einen unvergesslichen Abend ohne Bässe erleben werden. Für 2,50 € Eintritt passieren wir das Stadiontor und stellen fest, dass zehn Meter weiter eine offenstehende Tür zum freien Eintritt eingeladen hätte. Bevor das Spiel in Mosta zur 20:15 Uhr Primetime angepfiffen werden wird, decken wir uns in der Vereinskneipe noch mit „Cisk“ ein und ahnen zu diesem Zeitpunkt bereits, dass das Juventus-Logo hinter der Theke für lange Zeit das Einzige bleiben wird, das hier etwas mit Fußball zu tun haben wird.

Es ist der zweite Spieltag der höchsten maltesischen Damenfußballliga. Das Spiel zwischen den Tarxien Rainbows und den Hibernians beginnt. Die 17-jährige Torhüterin der Heimmannschaft ist 1,60 Meter groß und heißt Mandy Caruana. Heute wird sie den Ball immer dann aus ihrem Netz holen müssen, wann immer dieser vom Meisterschaftsfavoriten aus Paola auf das Tor geschossen wird. Schon in der 41. Minute wird Dorianne Theuma ihren Hattrick perfekt gemacht und die Hibernians mit 6:0 in Führung gebracht haben. Günter hat derweil einzig und allein einen Blick für die Nummer 11 der Regenbogenamazonen. Schnell hat er sich auch in die fußballerischen Qualitäten der Mittelstürmerin verliebt, die seiner Aussage nach mindestens 40 Saisontore erzielen würde, wäre er seine Mitspielerin* und könnte sie mit Flanken füttern. Nach 18 Minuten ist Günter nur noch schwer zu bändigen und auf der Tribüne zu halten. Zu groß ist sein Begehr, den Platz zu stürmen und der verletzt auf den Boden liegenden 11 die Wunden zu lecken. Wir entwickeln dann gerade noch rechtzeitig gemeinsam eine etwas dezentere Methode der Kontaktaufnahme und planen, groß in das Spielerinnenberatergeschäft im unterklassigen Frauenfußball einzutreten und unsere guten Kontakte nach Frankreich spielen zu lassen. Da werden bekanntlich schon in der dritten Liga Melonenbeträge im unteren einstelligen Bereich gezahlt.

In der Halbzeitpause entere ich die Vereinsgaststätte erneut und ordere eine Runde „Skol“, um dem albernen Geplänkel auf der Tribüne neuen Treibstoff zu geben. Der angenehme Nebeneffekt dieses Vorhabens besteht darin, dass das „Skol“ nur halb so teuer wie das vorhin von Günter bestellte und bezahlte „Cisk“ ist und ich endlich einmal auf der Gewinnerseite in Sachen Catering auftauche. Fühlt sich ja auch mal ganz gut an.

Als in der 55. Minute das 0:7 fällt, verstummt auch endlich die Co-Trainerin der Rainbows, die bislang durch permanentes Rumgeschreie auffällig geworden war. Günter, anerkannter Fachmann des maltesischen Frauenfußballs, konstatiert trocken: „Das macht die immer so!“. Ich habe es bei den Lichtverhältnissen auch längst aufgegeben, auch nur ein einziges vernünftiges Erinnerungsfoto der Sportstäte zu schießen. Der einzige, der dieses Spiel nun noch ernst nimmt, ist der Schiedsrichterassistent, der es der minderjährigen Einwechselspielerin der Rainbows nicht erlaubt, sich vor der Tribüne stehend mit ihrem Vater zu unterhalten, sondern sie mit professioneller Gestik zum Aufwärmen hinter das Tor verweist. Nach zwei weiteren Gegentoren und dem Abpfiff der Partie ist die Kneipe verschlossen und verwehrt den FUDU-Schweinen weitere Flüssignahrung und auch den Toilettengang. Aus Frust über diese Gastunfreundlichkeit verbreitet Günter das Gerücht, nicht alle Spielerinnen unter der Regenbogenfahne seien in Wahrheit homosexuell. Habt ihr jetzt davon.

Meinen Ehrentag werde ich dann einige Tage später stilecht am Strand verbringen und abends in Sliema in einem Laden namens „The Brew Malta“ versacken. Anlässlich der Auszeichnung für die Stadt Valetta, sich im kommenden Jahr „Kulturhauptstadt Europas“ nennen zu dürfen, hat sich das Brauhaus etwas ganz Besonderes einfallen lassen und eigens ein „Official Valetta 2018 Craft Beer“ aufgelegt. Nachdem wir als letzte Gäste aus dem Laden geschmissen worden sind, ist die Entscheidung schnell getroffen, dass genau genommen nichts gegen ein nächtliches Bad im Meer sprechen würde. Herrlich erfrischend, aber für den anschließenden Spaziergang durch San Ġiljan in unpassender Kleidung möchte ich mich bei allen Maltesern im Namen FUDUs aufs Förmlichste entschuldigen. Aber bereuen tun wir nichts, nicht einmal das Frauenfußballspiel.

Als ich am Ende der Reise in einer RyanAir-Maschine nach Nürnberg sitze und mich somit auf indirektem Wege zum Auswärtsspiel des 1.FC Union Berlin bei Jahn Regensburg befinde, steht bereits fest, dass ich auch im kommenden Jahr im Oktober NICHT in Kackeland verharren werde. Ihr dürft also gespannt sein, wo ich meinen 29. Geburtstag verbringen werde. /hvg