447 447 FUDUTOURS International 20.04.24 14:09:14

02.04.2018 SpVgg Bayreuth – TSV München von 1860 2:1 (0:0) / Hans-Walter-Wild-Stadion / 7.123 Zs.

Im „Bierwerk“ zu Nürnberg ist die Auswärtsniederlage des 1.FC Union Berlin bei der SpVgg Greuther Fürth am 01.04. schnell verdaut. Die attraktive Kellnerin hat ein Herz für durstige Männer und so fühlen wir uns in der „Charakterbierbar“, wie sich der Laden selbst nennt, gut aufgehoben.

Einige „Blondi“ später entscheidet sich ein Teil der Reisegruppe für den gepflegten Rückzug in das Nürnberger FUDU-Hauptquartier, während der andere Teil seinen Umtrunk in der „Saigon-Bar“ fortsetzen will.

Bereits eine knappe Stunde später ist aber auch der Fackelmann hochgradig diszipliniert in der Wohnung angekommen. Er berichtet noch schnell von einer lautstarken Auseinandersetzung einer Gruppe junger Männer in der Innenstadt. Gab es Verletzte? Ja, einen. Der Fackelmann selbst hat die Statistik – eigens für die erhöhte Dramaturgie dieser Anekdote – aufgehübscht, indem er beim schleunigen Passieren der Gruppe gegen eine Laterne gelaufen ist.

Am Ostermontag steht unter dem Strich die freudige Erkenntnis, dass es beide FUDU-Schweine zuverlässig, pünktlich und so nüchtern wie nötig zum Nürnberger Hauptbahnhof geschafft haben, an dem es sogleich die erste kniffelige Entscheidung des heutigen Tages zu fällen gibt. Neben der regulären Regionalbahnverbindung nach Bayreuth wird es heute auch einen Sonderzug für die 1860-Fans geben, der dann ohne Halt direkt durchfahren wird. Der Vorteil: Man ist schneller am Ziel. Der Nachteil: Man hat vermutlich eine Heerschar Bullen an der Backe.

Wir trinken „Held Bräu“, beobachten das Treiben szenekundig und entscheiden uns dann gegen die Sonderzugfahrt, als mehr und mehr „Sechzger“ der Kategorie B den Bahnsteig fluten. Wir nehmen also Platz im gemütlich leeren Zug nebenan, der uns via Hersbruck, Pegnitz und Creußen nach Bayreuth befördern soll. Fünf Minuten vor der Abfahrt setzt auf dem Nachbarbahnsteig urplötzlich rege Betriebsamkeit ein und die gut 60 Ultrás entscheiden sich spontan gegen eine Nutzung des Sonderzugs. Ha, da schauen die Ordnungshüter dumm aus der Wäsche! Im ewig währenden Katz-und-Maus-Spiel geht die jugendliche Subkultur an diesem Vormittag also mit 1:0 in Führung. Allerdings aber auch zu unserem Leidwesen, da wir uns nun in einem rollenden „ellesse“-Katalog befinden und uns 54 Minuten lang kritisch musternden Blicken ausgesetzt sehen. Wortlos einigen wir uns darauf, dass nun der Zeitpunkt gekommen ist, einfach mal die Schnauze zu halten und trinken bis zur Ankunft stumm unser Bier. Mia Wallace würde die Situation wohl mit einem: „That’s when you know you’ve found somebody special. When you can just shut the fuck up for a minute and comfortably share the silence!“ romantisieren, doch im Gegensatz zu ihr würde ich in dieser Konstellation wohl eher von „unbehaglichem Schweigen“ sprechen wollen.

Bei einem kleinen Stadtbummel haben wir uns schnell von der quälenden Bahnfahrt erholt. Erwartungsgemäß hat die Stadt, die regelmäßig zu den „Richard-Wagner-Festspielen“ die Weltöffentlichkeit empfängt, optisch einiges zu bieten. So man auf pompöse Vorzeigebauten steht, kommt man entlang des roten Mains schnell auf seine Kosten. Altes Schloss, Markgräfliches Opernhaus und der Markgrafenbrunnen vor dem Neuen Schloss können sich durchaus sehen lassen, ehe es FUDU zur Spitalkirche auf den unteren Markt treibt, wo man kurz darauf in die „Brauereischänke am Markt“ einkehrt.

Aufgrund der nächsten stillschweigenden Verabredung, lokalen Bieren immer den Vorzug zu gewähren, wird in der Frühlingssonne ein „Maisel’s Weisse“ Hefe verköstigt und dazu ein deftiges Bratengericht bestellt, weil es die Brauerei auf ihrer Website als „Speiseempfehlung“ zum Hefe aufführt und die Schänke leider keinen Bergkäse oder würzige asiatische Speisen führt. Nach einer Stunde ist das zweite Bier geleert und das Essen noch immer nicht eingetroffen. Nach 90 Minuten Wartezeit wagen wir es, nachzufragen, ob wir noch mit einem warmen Essen zu rechnen haben. Die Kellnerin entschuldigt sich und gibt als Grund an, unser Bon sei in der Küche leider heruntergefallen und konnte daher nicht bearbeitet werden. Um uns herum hatten sich in der letzten halben Stunde allerdings mehrere Gäste über lange Wartezeiten beschwert, sodass leider davon ausgegangen werden muss, dass man aktuell in der Küche der Marktschänke knöcheltief durch Bons watet. Fetti ist bereits vollkommen ausgemergelt und muss nun die Entscheidung treffen, ob er noch einmal 20 Minuten auf sein Essen wartet. „Als Entschuldigung sind dann auch alle Getränke umsonst“, schiebt die Kellnerin hinterher und Fetti feiert zu Ostern seine Auferstehung. Klar, wir können warten. Aber bringen Sie doch noch zwei Bier, bitte!

Nachdem das leckere Hauptgericht verspeist und das dritte Freigetränk des Nachmittags konsumiert ist, begeben wir uns zu Fuß in das „Hans-Walter-Wild-Stadion“, das so aussieht, wie ein städtisches Stadion der 1970er eben aussieht. Leichtathletikbahn, weitläufige Kurven, rundum gekachelte Sanitärbereiche, in denen man sich erst einmal orientieren muss, wohin genau man urinieren soll UND eine überdachte Haupttribüne, die in Bayreuth durch alte Holzklappsitze aufgewertet wird. Benannt ist das Stadion nach dem ehemaligen Oberbürgermeister Hans-Walter Wild, der den lokalen Sport in Bayreuth stets förderte. Insgesamt 12 Jahre verbrachte die SpVgg Bayreuth in der 2. Bundesliga, doch seit dem Abstieg in der Saison 1989/90 konnte man nie wieder ansatzweise an den Bereich des Profifußballs heran schnuppern.

Das letzte große Highlight erlebte das Stadion so im Jahre 1991, als der FC Bayern München im legendären „Fuji-Film-Cup“ Borussia Dortmund vor 9.000 Zuschauern mit 0:2 unterlegen war. Mittlerweile ist das Stadion mit seinen 21.500 Plätzen nur noch eine Spielstätte der viertklassigen Regionalliga Bayern. Im Schnitt verfolgen hier gerade einmal um die 1.000 Zuschauer die Heimspiele, doch heute stellt sich schon weit vor Anpfiff endlich einmal wieder regelrechte Volksfeststimmung ein. Wir werden mit mehr als 7.000 anderen Fußballfreunden in den Genuss kommen, das Viertelfinal-Nachholspiel des bayrischen Fußballverbandpokals zwischen der SpVgg Bayreuth und dem Turn- und Sportverein von 1860 beiwohnen zu können.

Bereits im Vorfeld der Partie hatte FUDU einen solchen Ansturm kommen sehen und sich daher rechtzeitig mit Tribünenkarten eingedeckt. Über die Internetplattform „Eventbrite“, die die SpVgg Bayreuth als seriösen Partner auserkoren hat, ging die Bestellung zunächst problemlos vonstatten. Dumm nur, dass im Anschluss der Buchung das Öffnen und später der Ausdruck der gekauften Tickets zum Scheitern verurteilt war. Auf Suche nach Hilfestellung landete man zwei-drei Klicks später in der Firmenzentrale, die – es liegt auf der Hand – in San Francisco zu verorten ist. Irgendwann wird es Fetti schon nach Hollywood schaffen, aber wegen „Oldschdod“-Tickets extra nach Kalifornien reisen? Muss nicht sein! Vorteilhaft, dass der Fackelmann im Gegensatz zu mir und meiner Firma über ein Gerät verfügt, welches auch im Jahre 2018 alle Anforderungen erfüllt, um sich offiziell Computer nennen zu dürfen. Schnell stellt sich heraus, dass man sich Eintrittskarten für die SpVgg Bayreuth durchaus zu Hause ausdrucken kann und nicht nach Kalifornien reisen muss, wenn man sich auf dem aktuellen Stand der Technik befindet. Glück gehabt.

Wir nehmen auf der gut gefüllten Tribüne Platz und sind anfangs froh darüber, uns bereits in Berlin um Karten gekümmert zu haben. Nach und nach werden wir von 1860-Kutten umringt, die Beinfreiheit lässt enorm zu wünschen übrig und die gleißende Sonne scheint einem dermaßen ins Gesicht, dass man kaum etwas sehen kann. Der Stadionsprecher begrüßt Stargast Bernd Hobsch, dessen Sohn Patrick es nicht in die Startformation der Bayreuther geschafft hat. Der Stadionsprecher ist übrigens einer dieser Stadionsprecher, die man sich aus dem Stadionsprecherbaukasten aus all den Teilen zusammenpuzzlen kann, die man nehmen würde, würde man die denkbar schlimmste Version eines Stadionsprechers kreieren wollen. Laut, albern, überdreht. Viel Pathos. Und. Nach. Jedem. Wort. Eine. Pause. Wie ein Animateur im Robinson Club. Ein Marktschreier. Oder irgendein Typ vom Rummel. Der hier plärrt jedenfalls allen Ernstes kurz vor Anpfiff: „Auf geht’s, Oldschdod – Shoooooooow me your Waaaaaaaaaarface!“

Die Wahl, sich eine teure Tribünenkarte zu kaufen, stellt sich nach der Sonderzugepisode recht bald als zweite Fehlentscheidung des Tages heraus. Nach zwanzig Minuten haben wir genug der Enge und des dämlichen Gequatsches der „Sechzger“ um uns herum und verziehen uns in die Kurve zu unserer Linken. Dort finden sich all die Gelegenheitsbesucher ein, die vom Fußball keine Ahnung haben, aber ihre schicken Klamotten endlich einmal einer breiten Öffentlichkeit zeigen wollen. 100 Punkte für die goldene Jacke, Grandmaster Swag!

Auf dem grünen Rasen passiert derweil rein gar nichts. 1860 schickt heute nur eine B-Elf ins Rennen, die ganz offensichtlich in dieser Konstellation noch nie miteinander Fußball gespielt hat. Bayreuth hält das Spiel offen, ist aber offensiv ebenso unfähig wie die Blauen. In der gesamten ersten Hälfte wird keinem Team auch nur ein einziger vernünftiger Torabschluss gelingen.

In der Halbzeitpause gibt der Stadionsprecher noch einmal richtig Vollgas und kann lediglich durch 200 Dezibel laute Popmusik der Marke „Potpourri der Hölle“ übertönt werden. In dem ganzen Geschrei geht es beinahe unter, dass Bayreuth in der Pause verletzungsbedingt wechseln muss: Für Ulbricht kommt Hobsch.

Nach 53 Minuten geht der TSV von 1860 durch einen Distanzschuss von Genkinger in Führung. Die gut gefüllte Löwenkurve hinter dem gegenüberliegenden Tor feiert ausgelassen, während die Akteure im Kopf einen Haken hinter diese Partie setzen. Anders ist es nicht zu erklären, wie es der SpVgg in Folge gelingen kann, das Spiel an sich zu reißen und auf den Ausgleichstreffer zu drängen. Nach einer Stunde wird Darius Held regelwidrig im Strafraum gestoppt und Patrick Hobsch verwandelt den fälligen Elfmeter zum 1:1 sicher. Bayreuth bleibt weiter am Gashahn und stellt das Kunststück fertig, in der 65. Minute gleich drei Chancen innerhalb einer Aktion ungenutzt zu lassen. Die „Oldschdod“-Jungs haben sich nun richtig in das Spiel hineingebissen und wollen die Entscheidung vor der Verlängerung erzwingen. In der 80. landet ein Kopfball nach einer Ecke noch auf der Querlatte der „Sechzger“, ehe Patrick Hobsch in der 88. Minute zum umjubelten Held der Partie wird. Der Schuss von Knezevic kann die vielbeinige Löwenabwehr noch klären, doch den Abpraller verwandelt Patrick in Bernd-Hobsch-Manier kaltblütig zum Endstand.

Die SpVgg Bayreuth wird es im Halbfinale mit dem FC Memmingen zu tun kriegen, während es sich der Stadionsprecherclown nicht nehmen lässt, dem TSV 1860 und seinen Fans euphorisch alles Gute für den Aufstieg zu wünschen und gefühlte einhundert Mal schreiend darauf hinzuweisen, dass sich die Löwen als Meister der Regionalliga Bayern automatisch für den DFB-Pokal qualifiziert haben. Halt einfach mal die Schnauze, sonst zeigt dir FUDU gleich sein „Warface“…

Nach dem Spiel kehrt FUDU etwas erschöpft im „ältesten Brauhaus der Welt“ ein und lässt das Osterfest stilecht ausklingen. Noch wissen wir nicht, dass uns gleich noch ein SEV-Erlebnis bevorsteht und wir Bekanntschaft mit Neuenmarkt-Wirsberg und Coburg machen dürfen. Aber auch das werden wir „Charakterbiertrinker“ sicherlich unbeschadet überstehen… /hvg