524 524 FUDUTOURS International 29.03.24 10:11:25

27.04.2019 SV Blau-Weiß Petershagen-Eggersdorf – SV Grün-Weiß Lübben 3:0 (0:0) / Waldsportplatz / 171 Zs.

Noch vor wenigen Tagen bin ich mit einem lange aufgeschobenen Besuch des BSV Eintracht Mahlsdorf meinem Ziel, die Berlin-Liga irgendwann einmal komplett zu haben, etwas näher gekommen. Mitten in die noch bestehende Euphorie, ausgelöst durch die Jagd auf sinnlose Kreuze, erreicht mich eine Anfrage aus Neuruppin. Es ist genau der richtige Zeitpunkt, mich zu fragen, ob ich nicht schon immer einmal in meinem Leben nach Petershagen-Eggersdorf gewollt hätte. Sofort fühle ich mich von dieser Nachricht abgeholt und auch ohne, dass ich dieses Unterfangen auch nur ansatzweise in Frage gestellt hätte, ergänzt der Mann aus dem Speckgürtel – beinahe so, als müsse man sich für gute Ideen rechtfertigen – dass ihm nur noch der „Waldsportplatz“ zur Komplettierung der Brandenburg-Liga fehlt. Na, da komme ich doch gerne mit. Man hilft eben, wo man kann.

Nach einer kleinen Vorabrecherche ist Fetti bereits in den gastgebenden Verein und dessen Website verliebt. Die Internetpräsenz des Sechstligisten ist liebevoll gestaltet, auf tagesaktuellem Stand und kommt zudem in höchst professioneller Optik daher. Um die Vorfreude auf den Stadionbesuch bereits ins Unermessliche zu steigern, wird dem geneigten Hopper eine imposante Luftbildaufnahme des Sportplatzes präsentiert („Unser schöner Waldi!“) und die eigene Vereinsgeschichte mit einem kleinen Augenzwinkern näher gebracht. 1995 fusionierten die Fußballmannschaften aus Petershagen und Eggersdorf also und schreiben seitdem Geschichte als „blau-weißes Doppeldorf“. Mit einer angemessenen Prise Selbstironie sammelt man bei FUDU immer Punkte!

Als der Brandenburgligist kurz darauf zum „Frühjahrsputz“ auf den „Waldsportplatz“ lädt, hört der Spaß für mich jedoch auf. Ab 9.00 Uhr soll die Sportanlage am Spieltag von Unrat befreit, Sitzschalen geschrubbt und irgendwelche Rohre im Kabinentrakt neu gestrichen werden. Da muss Fetti dann wohl doch konkretisieren: Man hilft eben, wo man kann – aber nur nach dem Aufstehen…

… und das ist am Samstag mitunter eine echte Herausforderung. Heute kommt es jedenfalls zu derart vielen Verzögerungen im Betriebsablauf, dass auch die Einladung zweier FUDU-Jünger in das Ladenkino „b-ware!“ letztlich ausgeschlagen werden muss. Um 11.00 Uhr gibt man sich hier die volle Dröhnung Melancholie. „Unser Team – Nossa Chape“ ist für einen unbeschwerten Start in den Tag natürlich das optimale Programm. Unser aller Fetti hat jedoch bereits genügend Blei in den Füßen und dreht sich so mit spielerischer Leichtigkeit lieber noch einmal um, anstatt sich der Exkursion ins Lichtspielhaus anzuschließen. Naja, der Film wäre eh langweilig geworden – weiß ja jeder, wie’s ausgeht.

Irgendwann hat sich aber auch Fetti endlich aufgerappelt und sich aus der Suhle gequält. Der Film neigt sich langsam dem Ende entgegen und so begibt sich Fetti, der treue Gesell, auf den Weg in das Kino, um seine Freunde einzusammeln und emotional aufzufangen. Kurz darauf ist es jedoch er, der emotionale Unterstützung benötigt, ist doch in seinem Späti des Vertrauens das „Berliner Pilsner“ schon wieder ausverkauft. „Ja, Herrschaftszeiten, das ist ja schlimmer als ein Flugzeugabsturz!“, poltert die dumme Sau in das Ladengeschäft hinein und erntet nicht nur tröstende Blicke des Verkäufers, sondern auch einen Vorschlag zur Güte. „Wenn Du eine Stunde wartest, dann gibt es neues Berliner!“. Fetti, der mit bürgerlichem Namen übrigens Justin Acceptable heißt, lehnt dankend ab und greift anstatt dessen erneut zu B-Ware minderer Qualität.

Genau das richtige Getränk also, um kurz darauf die Ausschussware FUDUs in Empfang zu nehmen. Etwas niedergeschlagen kommen mir die beiden Cineasten schon in die Arme gelaufen, aber immerhin haben sie den Film trotz des erwartbaren dramatischen Ausgangs bis zum Ende durchgehalten. Ich ziehe meinen Hut und sag mal: ‚Chapo!‘ und kann nun meinerseits meinen Teil dazu beitragen, um in Folge für etwas Ablenkung zu sorgen. Auf in die Brandenburg-Liga, auf nach Petershagen-Eggersdorf!

Der Neuruppiner kennt sich in Berlin und Umgebung bestens aus und so kann es ihn auch nicht schocken, dass die S-Bahn heute nur bis zum Bahnhof Lichtenberg verkehrt. Schnell ist ein Plan B geschmiedet und mit einer absoluten Glaubwürdigkeit hat er selbstbewusst vorgetragen, dass die gerade einfahrende Regionalbahn nach Strausberg für uns ein absoluter Glücksfall wäre. Der Bahnhof Strausberg (nicht zu verwechseln mit Strausberg-Nord oder Strausberg-Stadt) sei ohnehin viel näher am Spielort gelegen als der ursprünglich angepeilte S-Bahnhof Petershagen Nord – und schon springt der leichtgläubige Fetti auf den Zug. Noch während der kurzen Fahrt fällt dem jungen Mann mit der ausgeprägten Selbstsicherheit trotz grenzenloser Ahnungslosigkeit auf, dass er soeben ordentlich Paste erzählt hat und nun muss dieser kleinlaut zugeben, dass der Bahnhof Strausberg stolze 4,1 Kilometer, der Bahnhof Petershagen-Nord aber lediglich 1,4 Kilometer von der Spielstätte entfernt liegt.

Fetti lässt sich hiervon jedoch nicht die Laune vermiesen, kommt er doch am Bahnhof Strausberg in den Genuss, endlich einmal wieder eine ordentliche Portion unnützes Wissen vom Stapel zu lassen, als der Zug zum Halten kommt, sich die Türen öffnen und den Ausstieg nach beiden Seiten des Gleises ermöglichen. „Wenn sich beiderseits Bahnsteige befinden, dann sprechen wir Bahnfreunde von der ‚Barcelona-Lösung’“, referiert Fetti weltmännisch geschickt, liegt hiermit aber ebenso daneben wie der ortsunkundige Kollege aus Brandenburg bezüglich der Anreiseplanung. Zwar ist damals kein Widerspruch eingelegt worden, doch die Chronistenpflicht gebietet es, auch diesen Irrtum an dieser Stelle richtig zu stellen: Es ist die „Spanische Lösung“ – die allerdings erstmals zumindest „vermeintlich“ (Quelle: Wikipedia) in den 1930er-Jahren in der Metro Barcelona zum Einsatz gekommen war. Insgesamt also alles eindeutig weniger falsch als die Sache mit dem Ausstieg in Strausberg, Kollege.

Schnell ist die eine Station retour zurückgelegt und schon die ersten Schritte durch das „Doppeldorf“ verschaffen Klarheit darüber, dass es sich bei diesem Neologismus keineswegs um eine Erfindung der Fußballabteilung handelt. Auch die Politiker, die sich auf Werbeplakaten zur Wahl der Gemeindevertretung feilbieten, wollen „das Doppeldorf im Einklang von Mensch und Natur entwickeln“ und so scheint es sich also um offiziellen Sprech zu handeln. Sozusagen Stadtmarketing im ganz Kleinen, aber der Begriff „Doppeldorf“ bleibt trotzdem charmant. Meine Stimme würde ich dennoch dem Seebären Hans-Joachim Kannekowitz geben, der nicht nur aussieht wie eine Parodie, sondern auch noch so heißt. Außerdem überzeugt sein Wahlprogramm: „Gesunder Menschenverstand!“ – kann man ja auch mal probieren.

Einige wenige Minuten später haben wir den „Waldsportplatz“ in der „Wilhelm Pieck Straße“ erreicht. Der Cheftrainer hat sein Auto vorbildlich an dem zur Verfügung stehenden Platz abgeparkt und muss heute mutmaßlich auf Unterstützung seines Co-Trainers verzichten, dessen Parkplatz 20 Minuten vor Spielbeginn noch verwaist ist. Die Gäste aus Lübben haben die 75 Kilometer lange Reise mit zwei Neunern mit Vereinsemblem hinter sich gebracht und schon kann FUDU für 5 € pro Penis den frisch aus dem Frühjahrsputz kommenden „Waldsportplatz“ betreten.

Zu bestaunen gibt es vor Anpfiff in etwa 15 Sitzschalen auf der Längsseite, die vermutlich den Ehrenmitgliedern vorbehalten sind. Der Fanshop-Container bleibt heute leider unbesetzt und auch der Schaukasten nebenan hat vermutlich schon lange auf keine Höhepunkte mehr hinweisen dürfen. Dafür punktet das liebevoll gestaltete Vereinsheim auf ganzer Ebene und für Naturfreunde ist sicherlich auch der dichte Kiefernwald (?), der das Stadion säumt, hervorzuheben. Die Tür, die bitte immer verschlossen gehalten werden muss, damit Wildschweine nicht die Sportanlage zerstören, steht sperrangelweit offen und wir können Fetti nur mit Mühe und Not im Zaum halten. Als die gefühlsduselige Hymne  mit der wunderbaren Textzeile: „Es gab mal zwei Vereine, die liebten sich so sehr, die waren wie Geschwister und noch ein bisschen mehr…“ erklingt, ist jedoch endgültig kein Halten mehr. Ach, Liebe unter Geschwistern ist auf dem (Doppel)Dorf ja mitunter so’ne Sache…

Bei soviel Romantik ist jedenfalls davon auszugehen, dass der uns unbekannte Sänger im Tonstudio wohl mehrere Höhepunkte zu verzeichnen hatte, als das Spiel in den ersten 25 Minuten. Auf dem „Waldsportplatz“ zu Petershagen-Eggersdorf ist jedenfalls so lange tote Hose, bis der Ball urplötzlich im Ball der Lübbener zappelt, doch zeigt der Linienrichter unverzüglich an, dass sich der zurückgelegte Ball bereits im Toraus befunden hätte. „Kann passieren!“ wird zum geflügelten Wort und ist in der ersten Halbzeit die meist gedroschene Phrase beider Mannschaften, die sich alle 30 Sekunden irgendeinen Fehlpass oder Stockfehler schönmotivieren müssen. Schiedsrichter Toni Bauer fällt zu allem Überfluss auch noch negativ auf, indem er jeden Pfiff mit endlos langen Monologen unterfüttert – oder, wie es in den Notizen geschrieben steht: „Schiedsrichter labert schlimm viel“. So geht eine recht ereignislose erste Hälfte auf wirklich schwachem Niveau, in der die Gäste aus Lübben leichte Feldvorteile hatten, torlos zu Ende.

In der Halbzeit vermissen wir den „Blaufuchs“ schmerzlich. Das Maskottchen des „Doppeldorfs“ ist nicht nur ein blauer Fuchs im eigentlichen Sinne, sondern womöglich auch eine Hommage an einen Sponsor. Das „Hotel Blaufuchs“ befindet sich jedenfalls in gerade einmal 750 Metern Entfernung zum „Waldsportplatz“ und ist hier auf der einen oder anderen Werbebande präsent. Nicht nur die Website versprüht in Petershagen-Eggersdorf Professionalität, sondern auch das dort vorgestellte „Sponsorenkonzept“. Die scheinen auf jeden Fall einen Mann in ihren Reihen zu haben, der Ahnung studiert hat. Kann man jetzt drüber streiten, ob man voller Bewunderung auf das „Doppeldorf“ schauen und neidlos anerkennen sollte, dass man sich auf diesem Wege gut in der Liga etablieren und eigentliche „Big Player“ aus größeren Städten, wie z.B. Stahl Brandenburg, FC Schwedt, FSV Brieske/Senftenberg oder den 1.FC Guben hinter sich lassen konnte, oder ob man es etwas bedauerlich finden mag, dass man mittlerweile wohl auch in der sechsten Liga professionelle Strukturen etablieren muss, um konkurrenzfähig sein zu können.

In der zweiten Halbzeit wechseln wir auf die Gegengerade. Hier stehen dem geneigten Stadionbesucher Gartenstühle zur Verfügung, welche dem heutigen Frühjahrsputz aber ganz offensichtlich nicht zugeführt worden sind. Etwas pikiert schaut Fetti schon drein, dass er sich mit seiner weißen Armani-Großstädterhose hier auf das verdreckte Provinzplastik hocken soll, aber gut, wenn man die Brandenburg-Liga komplettieren kann, muss man eben Opfer bringen. Der Platz erweist sich jedoch alsbald als recht unterhaltsam, weil sich Cheftrainer Sedlak nun in schöner Regelmäßigkeit ans uns wendet. „Kam der Ball wirklich vom Gegner?“, „War doch klar Seits, oder?“, „Erste Aktion war doch aber von der 3, oder wie seht ihr das?“. Was soll man machen, wenn einem der Co-Trainer fehlt…

Die „3“ des Gegners ist übrigens niemand geringeres als René Trehkopf, der immerhin 116 Spiele in der zweiten Bundesliga, 22 Drittligaeinsätze und 54 Regionalligapartien für Aue, Chemnitz, Cottbus und Dresden in den Knochen hat und gerade zarte 39 Jahre alt geworden ist. Wie alle anderen Akteure hat er mit den Platzverhältnissen zu kämpfen. Aus unserer neuen Perspektive ist doch ersichtlich, wie viel Sand auf den Rasen gekippt worden ist, um Löcher zu stopfen. Und wie alle anderen Akteure wird auch Trehkopf Augenzeuge des ersten mustergültigen Angriffs des heutigen Abends. Zwei-Drei Pässe können die „Doppeldorf“-Kicker an den Mann bringen, was Keeper Rudolph bereits zu einem euphorischen „Das ist Fußball!“-Ruf veranlasst, doch diesen hätte er sich ruhig noch wenige Augenblicke aufheben können. Der Pass nach Linksaußen ist jedenfalls perfekt angebracht, die Flanke wohl temperiert, die Direktabnahme mit der Innenseite in den rechten oberen Winkel mustergültig. Maurice Ulm lässt sich nach 60 Minuten zurecht feiern, dazu läuft der „Superperforator“ aus dem „Schuh des Manitu“ als Torjingle. Unter diesen Umständen würde uns ein 1:0 genügen.

Ein Gefallen, den uns die nun befreit aufspielenden Hausherren nicht tun wollen. Nur neun Minuten nach dem 1:0 legt Anton Feiler nach einer Flanke von der rechten Seite per Kopf zum 2:0 nach. Im Anschluss wird wieder gebolzt und gestümpert, was das Zeug hält und hätte Lübbens Verteidiger Leupold nach 89 Minuten nicht völlig unbeholfen einen „Doppeldorf“-Angreifer im Strafraum von den Beinen geholt, hätte man auch keine weiteren Worte über das Spiel verlieren müssen. So aber kommt Kapitän Resad Demann noch in den Genuss, per Strafstoß auf 3:0 zu erhöhen. Im Anschluss holen sich die Mannen um Ex-Unioner Michael Kohlmann den verdienten Applaus der 171 Zuschauer ab – Schiedsrichter Bauer, der Name ist Programm, hat das Spiel soeben nach 89 gespielten Minuten um 16.44 Uhr abgepfiffen. Den 24. Spieltag beendet Petershagen-Eggersdorf auf Rang 11, Lübben auf 12 – womit auch in etwa das fußballerische Niveau des Spiels adäquat zusammengefasst wäre. Die Tabelle lügt eben doch nicht!

Für die Rückfahrt decken wir uns im Edeka am Kreisel noch mit einem Wegbier ein. Irgendein Aushilfsronny muss beim Auffüllen der Regale gestolpert sein, anders ist es nicht zu erklären, warum unsere Biere auf dem Weg zur S-Bahn dermaßen durch die Decke gehen. Welch eine überschäumende Freude – auch über die Unwägbarkeiten der Berliner S-Bahn. Der Zug aus Petershagen-Nord kommt aufgrund einer Signalstörung bereits in Mahlsdorf zum Erliegen und die dort einsetzende S5 schafft es mit Hängen und Würgen gerade so bis Wuhletal. Hier kann man dann aber glücklicherweise in die U5 hüpfen und die letzten Meter der Reise unterirdisch antreten. Wäre ja auch gelacht, wenn im Berliner Nahverkehr irgendwann irgendetwas mal komplikationslos vonstatten gehen würde. Aber, um es mit der B-Ware FUDUs zu sagen: So lange sie uns nicht über Kolumbien schicken, wird uns schon nichts passieren… /hvg

Und jetzt alle: Es gab mal zwei Vereine, die liebten sich so sehr, die waren wie Geschwister und noch ein bisschen mehr… ♪♫♪