189 189 FUDUTOURS International 20.04.24 04:09:43

02.06.2019 Akademisk Boldklub Gladsaxe – Kolding IF 1:2 (0:0) / Gladsaxe Idrætspark Marielyst / 274 Zs.

Nach der rauschenden Champions-League-Nacht erwachen immerhin 2/3 des Fußballkellers ohne größere Probleme. Auch der „Fischkopf“, der es gestern nicht mehr bis nach Hause geschafft hat, hat auf der Wohnzimmercouch mittlerweile die Rückkehr zu den Lebendigen mit spielerischer Leichtigkeit gemeistert. Der Gastgeber, Liverpoolfan, Familienvater und Jungspund in Personalunion hat den gestrigen Abend erwartungsgemäß eh bereits locker aus den Klamotten geschüttelt. Geschniegelt und gestriegelt steht er – nachdem er sicherlich bereits joggen war und einige Bahnen im Swimmingpool der Kommune gezogen hat – bereits im Flur bereit, um mit uns gemeinsam den Frühstückseinkauf vorzunehmen. Der Plan, nach Ballerup zu fahren und uns dort mit Smørrebrød einzudecken, löst mittelschwere Begeisterung aus. Nur im „Basement“ herrscht weiterhin Katerstimmung und die Gruppe scheitert daran, das schwächste Glied (der Nahrungskette) zum Mitkommen zu motivieren. Das arme schwächelnde FUDU-Schwein wird folgerichtig zurückgelassen und zu viert begibt man sich auf die gut 20 Kilometer lange Reise in das Paradies der üppig belegten Brote. „The Best Asian Tapas in Danmark!“, würden wir als Slogan an die Schaufenster kleben, wenn wir etwas zu sagen hätten. Die Servicekraft kann mittlerweile die Uhr danach stellen, dass FUDU hier einmal im Jahr vorbei schneit, die Vitrine mit den „Replica“-Fanartikeln diverser europäischer Spitzenvereine links liegen lässt und den Kofferraum des „Volvo“ mit einer feinen Selektion Smørrebrød füllt.

Zurück in Allerød ist die Laune im Keller noch immer im Keller, während der Rest der Bande ebenerdig leichte Katererscheinungen mit dem soeben gekauften Frühstück bewältigen kann. Hhm, det smager godt! Von unten werden derweil Signale gesendet, etwas Smørrebrød im Kühlschrank zu deponieren und der Wunsch geäußert, auch weiterhin vorerst auf Tageslicht zu verzichten, sodass wir im Anschluss der Mahlzeit leider auch den Weg in Richtung „Gladsaxe Stadion“, wie der Ground von 1938 seit 1999 offiziell heißt, ohne das schwächste Glied (der Hopperkette) antreten müssen. Nun ist es ja so, dass wir hier aus Persönlichkeitsrechten keine Namen nennen oder mit dem Finger auf jemanden zeigen wollen, nur weil dieser jemand am Vorabend unter Umständen aus Versehen 1-2 „Pillen“ zu viel geschluckt hat, aber eines ist gewiss: Wenn sie im nächsten Jahr auf der Fähre in Richtung Dänemark anmerken wird, dass ihr das Kreuz im „Gladsaxe Stadion“ noch fehlt und es der Spielplan hergibt, werden wir ihr wohl auch diesen Wunsch nicht abschlagen können… ❤

Das „Gladsaxe Stadion“ liegt unweit der Autobahn 16 und ist bereits mehrfach von FUDU auf Vorbeifahrten gesichtet worden. Bislang hatte sich wegen ungünstiger Terminlage nie ein Stadionbesuch ergeben, doch heute meint es der dänische Fußballverband endlich einmal gut mit uns und wir können der Stadionperle mit 13.507 Plätzen (auf zwei überdachten Sitzplatztribünen auf den Längsseiten und zwei unüberdachten Stehplatztribünen hinter den Toren) einen Besuch abstatten. In der Aufstiegsrunde der 2. Division (= dritthöchste Spielklasse) empfängt der Akademisk BK am 8. Spieltag die Fußballabteilung des Kolding IF zum Stelldichein. Während Akademisk mit 49 Punkten einem unaufgeregten Saisonende entgegensieht, hält Kolding vier Spieltage vor Schluss mit 59 Punkten einen direkten Aufstiegsplatz inne. Es ist davon auszugehen, dass sie alles daran setzen werden, den aktuellen Vorsprung von nur einem Punkt gegenüber Brabrand in den kommenden 90 Minuten zu verteidigen.

Dank der guten Kontakte seines Schwiegervaters in die Welt des dänischen Fußballs hat uns unser Gastgeber wieder einmal auf der Gästeliste unterbringen können. Der VIP-Status bringt dieses Mal eine angenehme Ersparnis in Höhe von 80 DKK mit sich, die es natürlich umgehend in ein Konterbier zu investieren gilt. Nur kurz steht die Frage im Raum, warum zur Hölle in einem dänischen Fußballstadion „Heineken“ ausgeschenkt wird, dann verschafft der Rundumblick und die Expertise unser dänischen Freunde Klarheit. Hier hat gestern Abend ein Public Viewing (Eintritt: 299 DKK) stattgefunden, welches von der „Redmen Family“ organisiert wurde. Die „Redmen Family“ ist die größte unabhängige Vereinigung für Liverpool-Supporter in Deutschland, Dänemark, Österreich, Schweiz und Liechtenstein und noch vor wenigen Stunden wurde hier von der Sektion Danmark der Triumph des englischen Traditionsvereins gefeiert. Als offizieller Sponsor der Champions League durfte „Heineken“ da natürlich nicht fehlen und abgesehen von den Zapfhähnen ist auch der Rest des Stadions in der Kürze der Zeit noch nicht wiederhergestellt worden. Hier sieht es jedenfalls so aus, wie es nach einer guten Fußballparty nun einmal aussieht. Leere Bierbecher, tonnenweise Müll und vergessene rote Winkelemente säumen das Ambiente, während Schiedsrichter Martin Outzen die Partie eröffnet.

Gestern strömten übrigens an die 3.000 Zuschauer zum gemeinsamen TV glotzen in das Stadion, doch das heutige Spiel des lokalen Fußballclubs hat gerade einmal 274 Menschen hinter dem Ofen hervorlocken können. Schöne neue Fußballwelt. Natürlich bin ich mir darüber bewusst, dass ich diesbezüglich in einem Märchenland lebe. Nie wieder wird der Amateurfußball die Menschen auch nur ansatzweise so sehr begeistern können, wie es die großen Stars der Glitzerwelt tun. Aber hätte man hier nicht wenigstens (von mir normalerweise ebenfalls verhasste) Vermarktungsexperten oder Eventplaner von der Leine lassen können? Eine schöne Doppelveranstaltung – 15.00 Uhr Akademisk und danach die alberne irische Livemusik und das Picknick auf der Wiese mit anschließender Liveübertragung für die als Engländer verkleideten Dänen – das wäre es doch gewesen. 3.500 Zuschauer in der Aufstiegsrunde – das klingt doch angemessen, oder?

Nun gut, lassen wir die Träumereien bei Seite. Im Gegensatz zu der Zuschauerzahl sind wenigstens der Spielort und das Wetter angemessen. Bei schwülwarmen Temperaturen bahnt sich auch endlich einmal die Sonne, die wir in den letzten drei Tagen schmerzlich vermisst haben, ihren Weg durch die Wolken. In der dänischen Demse dauert es auch nicht mehr lang, bis die ersten Hellhäutigen dafür plädieren, sich besser in den Schatten zu setzen. Der Oberrang der erst 1998 errichteten Doppelstocktribüne auf der Längsseite bietet schließlich eine optimale Kompromisslösung. Während die vorderen Reihen ein Sonnenbad allererster Güte versprechen, sind die grünen Sitzschalen aber Reihe 5 bereits gänzlich in Schatten gehüllt. Leichte Abzüge in der B-Note gibt es von den Sonnenanbetern für die Balustrade, die sich nun im Sichtfeld befindet, aber mit ein klein wenig Euphemismus kann sich das der Fußballtourist von Welt ja auch als „San Siro Feeling“ schönreden.

Auf dem grünen Geläuf gibt es dahingegen eher weniger des selben Feelings zu erhaschen. Etwas mürbe von den vielen Spielen der letzten Tage und womöglich auch vom gestrigen Abend, dem leichten Kopfschmerz und der permanenten Sonneneinstrahlung, kann man die erste Hälfte getrost als „belanglos“ zusammenfassen. Viel Stückwerk auf beiden Seiten, kaum Abschlussgelegenheiten. Wann immer auch nur ansatzweise so etwas wie eine Torchance entsteht, ist zwangsläufig ein vermeidbarer Fehler der gegnerischen Verteidigung vorausgegangen. Größere Spielanteile haben zweifelsfrei die Gäste, die auch etwas häufiger mit Ball am Fuß zumindest in der Nähe des gegnerischen Strafraums auftauchen. Lobenswert ist der gute Fahneneinsatz auf unserer Seite, auch wenn keine Mannschaft in rot agiert, lässt sich der „Fischkopf“ das Gewedel mit der Liverpool-Folie nicht nehmen. In dem ansonsten beinahe menschenleeren Stadion überzeugt auch der kleine Heimblock auf der ebenfalls recht mächtigen Gegengeraden, der eventuell von einem Sieg und vermutlich von besseren Zeiten träumt. Der Akademisk Boldklub war immerhin neunmal dänischer Meister (zuletzt 1967), errang 1999 den dänischen Pokal und spielte letztmals in der Saison 2003/2004 erstklassig, in der auch der Zuschauerrekord für das „Gladsaxe Stadion“ aufgestellt wurde (10.039 Zuschauer gegen den FCK).

Von diesem Niveau wird man zwar auch in der zweiten Halbzeit meilenweit entfernt bleiben, aber immerhin kann man dem Spiel etwas Würze verleihen und dem Gast mit Aufstiegsambitionen die Schweißperlen auf die Stirn treiben. Nach knapp 60 Minuten tankt sich AB über den Flügel durch, der Pass in den Rücken der Abwehr sitzt und Seejou King verwandelt zum 1:0. 50 mitgereisten Schlachtenbummlern aus Südjütland missfällt das.

Beflügelt vom Führungstor gelingt den Akademikern nun deutlich mehr als in der ersten zähen Stunde. Nur knappe 120 Sekunden nach dem Erfolgserlebnis kann Petersen einen wirklich schönen Angriff über 3-4 Stationen leider nicht krönen. Sein Abschluss mit dem rechten Innenrist streicht nur knapp über das Tor. Wieder dauert es keine fünf Minuten, bis Kolding-Keeper Rinke sein ganzes Können unter Beweis stellen muss, indem er einen sehenswerten Fernschuss von King gerade eben so aus der Ecke kratzen kann. Spätestens durch den Schlenzer von Sylvester Seeger-Hansen hätte der AB dann 2:0 in Führung gehen müssen, aber auch diese gute Chance verpufft ungenutzt und so endet die dominante Phase der Hausherren zwischen Minute 45 und 70 bedauerlicherweise ohne weiteren zählbaren Erfolg.

Erfahrene Beobachter von Fußballspielen dürften da bereits eine leise Vorahnung entwickelt haben, was sich in den verbleibenden 20 Minuten im „Gladsaxe Stadion“ wohl noch so zutragen möge. Und wahrlich, nur sechs Minuten nach der Äußerung dieses Verdachts passiert das Unvermeidliche. Hat der Favorit aus Kolding doch glatt seinen allerersten seriös vorgetragenen Angriff der Partie zu einem erfolgreichen Abschluss gebracht. Kapitän Rune Nautrup jubelt nur kurz und peitscht seine Mannen dann um so vehementer an. Eine Aktion, die Wirkung zeigt – Kolding gewinnt nun Oberwasser und drängt darauf, die Partie in der Schlussviertelstunde zu drehen. Sebastian Sommer scheitert nach einer Standardsituation in Minute 85 völlig freistehend, ehe Kolding in den letzten fünf Minuten wirklich All-In geht. Alles oder Nichts wird zum mutigen Motto auserkoren, im Fernduell mit Brabrand scheint man sich mit einem Punkt nicht zufrieden geben zu wollen. Beinahe fahrlässig, wie Kolding die eigene Defensive nun nahezu komplett auflöst, doch da AB selbst einen wilden Drei auf Null Konter durch Tangvig vertändelt und Nautrup in der Nachspielzeit einen scharf hereingetretenen Flachpass am langen Pfosten mit letztem Einsatz tatsächlich noch über die Linie grätschen kann, geht der etwas kopflose Plan letztlich auf. Kolding siegt mit 2:1 und bleibt weiterhin aussichtsreich im Kampf um den Aufstieg in die 1. Division, während dem AB in den nächsten Wochen noch ein Heimspiel verbleibt, um den scheidenden Trainer Madsen wenigstens mit einem Sieg verabschieden zu können.

Und Abschied ist ja bekanntlich immer ein scharfes Schwert. Wir jedenfalls düsen in Windeseile zurück nach Allerød und sind dann erleichtert darüber, dass es auch das letzte Gruppenmitglied in der Zwischenzeit aus dem Keller ins Tageslicht geschafft hat. Prädikat: magnolienfrisch! Nach einigen wenigen gemeinsamen letzten Sonnenstrahlen im Garten heißt es dann auch für uns, Abschied zu nehmen. Schnell sind die sieben Sachen im „Japserati“ verstaut und mit etwas Wehmut hat man sich kurz darauf von all den lieben Leuten verabschiedet, die alljährlich dieses lange Mai-Wochenende mitgestalten. Wir haben bis zur Abfahrt unserer Fähre in Gedser etwas mehr Zeit im Gepäck, um uns neben den Leuten auch angemessen vom Land verabschieden zu können und so führt uns unser Weg quasi direkt vom „Idrætspark Marielyst“ in den schönen Ferienort Marielyst.

Nur knappe 15 Kilometer vom Fährhafen entfernt, decken wir uns im Supermarkt mit Abendbrot und „Booster“ ein (Zitat Wikipedia: „Im Ort sind die Discounter ‚Aldi‘, ‚Rema 1000‘ und ‚Netto‘ ansässig“) und lassen den Dänemark-Urlaub standesgemäß picknickend mit Sonnenuntergang am Strand ausklingen. Wieder geht eine Reise, die mühsam begonnen hatte, mit Mühsam zu Ende: „Weiter, weiter – unermüdlich! Westlich, östlich, nördlich, südlich. Suche, Seele, suche! Sonnen strahlen, Sonnen schwinden. Nördlich, südlich, westlich, östlich. Such das Glück. Das Glück ist köstlich!“

Nächstes Jahr zur selben Zeit sind wir ja garantiert wieder hier. Da kann Mühsam unken, wie er will: „Schönheit, Freuden, Räusche, Frieden sind dir, Seele, nicht beschieden. Fluche, Seele, fluche!“. Amateurfußball im Großraum København und ein Gala-Abend in der Königsklasse stehen dessen ungeachtet auch für 2020 fest im FUDU-Kalender. Komme, was wolle. /hvg