Posted on Juli 28, 2016
28.07.2016 Tuusulan Palloseura – Spartak Helsinki 1:4 (0:3) / Tuusulan Urheilukeskus Nurmi 1 / 12 Zs.
Während sich das FUDU-Pärchen in Riga auf dem Weg zum Stadion befindet und noch genau 16,5 Stunden auf der Uhr stehen, bevor sich unsere Fluchtwege auf unserer Baltikum-Route kreuzen werden, landet meine airberlin-Maschine sanft und sicher am Flughafen von Helsinki. Ich sitze ziemlich genau in der Mitte des Flugzeuges und komme so in den Genuss, mich durch den engen Gang zum vorderen Ausgang zu kämpfen und dabei 14 Reihen zu passieren. In das Handbuch der geschätzten Statistiken hält folgender Fakt Einzug: Der durchschnittliche (oder „gemeine“) Finne produziert auf einem Kurzstreckenflug ca. 3,8 Kilogramm Müll. Junge, junge, wie kann man ein Flugzeug in so kurzer Zeit dermaßen verwahrlost hinterlassen? Sieht ja schlimmer aus als in meiner Küche!
Kurz darauf nimmt mich der verrückte Tischfinne auf dem Flughafenparkplatz mit einem von seinen Eltern geliehenen Volkswagen in Empfang. Beim Verlassen der Kurzparkzone gibt es erste Komplikationen, da der Automat die Gebühr in Höhe von einem Euro nicht in bar entgegennehmen will, sondern auf Kartenzahlung pocht. Das ist diese skandinavische Progressivität, von der immer alle reden. In diesem Fall führt sie dazu, dass mein finnischer Gastgeber den Weg zum Automaten noch einmal zurücklegen muss, dieses mal ausgerüstet MIT einer Karte, um dann etwas mehr Geld bezahlen zu müssen, da die Kurzparkdauer in der Zwischenzeit leicht überschritten worden ist. Wahrlich, der Bezahlvorgang mit der Kreditkarte ist einfach unwahrscheinlich praktisch!
Wenn zwei Hopper im Auto sitzen, dann gibt es nach der Begrüßung meist eine ähnlich geartete Fragestellung. „Willst Du direkt nach Hause / ins Hotel / in die Kneipe? Oder wollen wir nach xxx, da findet heute um xx:xx Uhr das Spiel xxx gegen xxx statt?“ Und während man sich „Warum nicht?“ antworten hört, wünscht man sich bereits, dass irgendwann einmal jemand auch auf diese Frage antwortet, anstatt sie als Synonym für „JA“ zu interpretieren. In diesem Falle hätte man beispielsweise entgegnen können:
– weil es kalt ist
– weil es nur ein finnisches Viertligaspiel ist
– weil du wahrscheinlich besser Fußballspielen kannst, als die meisten Akteure auf dem Rasen
– weil ich nicht weiß, ob im Stadion oder auf einem Nebenplatz gespielt wird
– weil maximal 20 Zuschauer erwartet werden
Aber all das sagt der Tischfinne nicht. Warum auch, schließlich habe ich deutlich mit „JA“ geantwortet und so steuert er den Boliden bereits in Richtung Tuusula. Kurz darauf finden wir einen Parkplatz vor dem Kunstrasenplatz des Sportzentrums mit mehren Rasenplätzen, Hallen (Eisstockschießen!) und einem Hauptstadion (Das „Tuusulan Urheilukeskus Stadion“ verfügt über immerhin 3000 Zuschauerplätze auf einer großen Tribüne). Der Tischfinne stromert um den Kunstrasenplatz herum, um einen Fetti-Aufkleber zu suchen, den er hier einst geklebt hat, um dann ernüchtert festzustellen, dass man schlicht und ergreifend den gesamten Zaun abgerissen hat. So kann man Vandalismus der Stickerkultur natürlich auch Herr werden. Dafür gibt es mitten in der finnischen Pampa eine brasilianische Nationalflagge vor Tannen zu goutieren. Der Zusammenhang erschließt sich.
Im Stadion trainiert eine Mädchenmannschaft. Da das Spiel zwischen TuPs und Spartak in wenigen Minuten angepfiffen werden soll, wird uns recht schnell klar, dass wohl leider nur einem Nebenplatz Fußball gespielt werden wird. Einige Meter weiter stellen wir fest, dass auf dem Nebenplatz 1 zu unserer Verwunderung bereits der Ball rollt. Es gibt kein Kassenhäuschen (Spartag Helsinki!), kein Essen, kein Bier, dafür handgezählte 12 Zuschauer. Irgendetwas stimmt hier nicht. Die Smartphoneanalyse ergibt, dass das Spiel nicht nur aus dem Stadion, sondern auch noch um eine Stunde vorverlegt worden ist. Was der Ticker allerdings nicht hergibt, ist ein aktueller Spielstand und so stehen wir etwas desinformiert auf einem Grashügel und schauen den Amateursportlern (Liga: „Kolmonen“) beim unbeholfenen Kicken zu.
Als die Gastmannschaft von Spartak Helsinki, die sich größtenteils aus russischen Einwanderern zusammensetzt, einen ihrer vielen Angriffe verwerten kann und im Anschluss jeglicher Jubel ausbleibt, ist uns klar, dass wir hier in der ersten Halbzeit viele Tore verpasst haben könnten. Auch im restlichen Verlauf des Spiels bleiben die Gäste dominant, bestimmen Takt und Tempo des Spiels. Während bei den Gastgebern von TuPs einige Spieler deutlich nach Breitensport aussehen, bringen die orange gekleideten Russen (laut Spielberichtsbogen standen mit Leonid, Sergej, Okafor, Dmitri, Anton, Vladislav, Kirill, Maxim, Roman und Egor immerhin deren 10 im Kader) deutlich mehr Athletik auf den Platz. Besonders auffällig ist dabei der kantige dunkelhäutige Stürmer Vincent Emeka, der reihenweise gegnerische Abwehrspieler von seinem bulligen Körper abperlen lässt. An einem ansonsten eher nichtigen Abend erobert nur der Trainer Spartaks mein Herz, der mit kneipengestählter Reibeisenstimme so ziemlich jede Aktion seiner Spieler auf russisch kommentiert.
Den sportlichen Schlusspunkt setzt TuPs-Akteur Joho Kunttu, der nach einer Standardsituation den Ball zum 1:4 über die Linie würgt, wie wir im Nachgang des Spiels erfahren werden.
Um wenigstens ein Stadion an diesem nasskalten Abend von Innen sehen zu können, machen wir auf der Rücktour nach Espoo Halt in Vantaa und spotten das dortige Erstligastadion des künftigen Absteigers. In Espoo genieße ich zum Abschluss des Tages einen Snack, der aus Brot, Burgerpattie, Jagdwurst, Spiegelei, Zwiebeln und Soße besteht. Eingewickelt in einem Papierbogen, eingepackt in einer Papierschachtel und mit 10 Servietten dekoriert habe ich eine Mahlzeit später in etwa 3,8 Kilogramm Müll produziert. This is finish. But not the end. Oder, um es mit den Worten des Hoollegen zu sagen: „Baltikum, bald i cum!“ /hvg
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