Posted on Juni 25, 2017
25.06.2017 Friedrichshagener SV – 1.FC Union Berlin 0:16 (0:8) / Sportplatz am Wasserwerk / 2.000 Zs.
Die Fußballsaison 2017/18 steht vor der Tür. Mein Herzensverein hatte gestern zum Trainingsauftakt in das „Stadion an der Alten Försterei“ gebeten und wird heute zum lockeren Aufgalopp in die Testspielserie starten. Glücklicherweise verzichtet man in diesem Jahr auf den Köpenicker SC und Germania Schöneiche, sodass der geneigte Fan der „Eisernen“ in diesem Frühsommer endlich einmal andere Spielstätten kennenlernen wird.
Der erste Weg der neuen Saison führt uns zum 105. Vereinsgeburtstag des Friedrichshagener SV an den Sportplatz am Wasserwerk. Die Website der Gastgeber verkündet vollmundig, dass das Spiel für Steven Skrzybski eine Rückkehr an seine alte Wirkungsstätte bedeuten würde, an der er „einige Jahre seine Fußballschuhe geschnürt“ hätte. Seit 2000 ist Skrzybski (geb. 1992) aktives Mitglied des 1.FC Union Berlin. Viele verschiedene Internetquellen nennen als seinen einzigen Jugendverein neben Union die SG Stern Kaulsdorf. Es müssen also prägende Jahre der Frühkindheit Skrzybskis gewesen sein, die hier zwecks Marketing des Vereinsjubiläums herhalten müssen.
Ich hingegen habe meinen eigenen Claim und quäle mich zur Feier des Tages mit „Magen nach Friedrichshagen“. Neben der altbekannten Sodbrennenproblematik, die mich seit einigen Wochen begleitet, gesellt sich strömender Regen, während ich an der Bölschestraße auf Heinzi warte. Nur noch kurz zum Geldautomaten und dann zu Fuß in Richtung Sportplatz und schon ist man bis auf die Knochen nass geworden. Viel mehr als die 1.000 Zuschauer, die dem Hörensagen nach im Vorverkauf zugeschlagen haben, werden sich heute bei diesem Katzenwetter wohl kaum vor die Tür trauen. Friedrichshagen, du bleibst eine alte Nutte!
Nach der Zahlung des Eintrittsgeldes tun wir es der ersten Hundertschaft Besucher gleich und finden uns an der einzigen überdachten Stelle des Sportplatzes ein. Ein Hoch auf den Bierstand! Dann rückt der Anpfiff immer näher und mit tragenden und melancholischen Worten wird Thomas Rabe verabschiedet. In 100 Spielen für den Bezirksligisten hat der junge Mann nach Informationen des Stadionsprechers 83 Tore geschossen und angesichts der Melodramatik in der Stimme und des sonderbar zurückhaltenden Beifalls der Zuschauer sind wir uns kurzzeitig nicht sicher, ob es sich hier soeben um einen Nachruf gehandelt hat. Dank späterer Recherche ist aber schnell klar, dass alles noch viel schlimmer als befürchtet ist: Rabe wechselt zu Tennis Borussia. Mein Beileid.
Das Spiel beginnt. Wir haben es uns inmitten hunderter Regenschirme und Plastiktüten-Regenschutzimprovisationen auf dem Gegegengeradengrashügel bequem gemacht und sogleich schwingt sich der Stadionsprecher zum Star des Nachmittags auf. Während man beim 0:1 durch „Philippe Osiné“ in der 8. Minute noch davon ausgehen kann, dass der gute Mann die Spielernamen schlicht und ergreifend nicht kennt, darf man beim 0:13 durch „Siebästschjen“ Polter in der 68. Minute getrost davon ausgehen, dass hier jemand die große Bühne nutzt, um einer verlorenen Wette einen würdigen Rahmen zu verschaffen. Dazwischen liegen viele Tore des 1.FC Union, von denen vor allen Dingen die Direktabnahme Hedlunds zum 4:0 in Erinnerung bleibt. Auch Steven Skrzybski steuert im ersten Spielabschnitt zwei Treffer zum Torreigen bei, welche er vermutlich ausschließlich aus Respekt vor seinem ehemaligen „Arbeitgeber“ nicht ausufernd bejubelt. Während der Partie reißt der Himmel langsam auf und die Zuschauerränge füllen sich nach und nach. Nach einer guten halben Stunde hat der Bezirksligist, der sich letztlich doch über gut 2.000 zahlende Zuschauer freuen kann, die erste Abschlussgelegenheit, aber der wachsame Jakob Busk wird zum Spielverderber.
Im zweiten Durchgang läuft Union mit 11 neuen Spielern auf, doch auch unter der zweiten Equipe findet sich Toni Leistner nicht wieder. Ein Umstand, der direkt die Gerüchteküche anheizt und abermals die Vermutung in den Raum stellt, Leistner sei weiterhin wechselwillig. Beim Stand von 12:0 wird Damir Kreilach ein Foulelfmeter verweigert, was auch Cheftrainer Jens Keller auf den Plan ruft, der nun gleichermaßen scherzhaft wie wild mit dem Linienrichter an der Außenlinie diskutiert.
Richtig laut wird es dann im weiten Rund, als der Außenseiter im Anschluss des bereits gezeigten erwähnten 0:13 durch Polter nach einem starken Angriff nur den Pfosten trifft. Wie ich diese anachronistischen Berichterstattungen des zdf am Samstagabend hasse…
Kurz darauf wechselt man auf Seiten der Gastgeber eine 130 Kilogramm schwere Geheimwaffe ein. In der vergangenen Saison konnte Patrick Rolf Seiferth („es ist Rolf, ihr Nutten!“) in 16 Spielen der Kreisliga B immerhin 12 Tore erzielen und heute zumindest die Stimmung weiter anheizen. Beeindruckend, wie er sein Kampfgewicht in der Offensive das eine oder andere Mal imposant in Szene setzen kann. Klar, dass das auch beim Union-Anhang gut ankommt und Seiferth einige Male deutlich hörbaren Szenenapplaus beschert.
Die letzten Akzente setzt dann wieder der Stadionsprecher, der sich auch beim 0:15 durch Polter nicht zu schade dafür ist, dessen Vornamen in Reminiszenz an die Zeit bei QPR erneut zu anglifizieren. Polter quittiert dies mit einem Kopfschütteln und einem breiten Lächeln. Der Trainer der Gastgeber bringt in der 90. Minute den chilenischen Ausnahmetorhüter José Delgado Cuervo in die Partie, womit, ihr könnt es euch denken, der Stadionsprecher seine helle Freude hat. Fiesta, Fiesta, Fiesta, Emoción!
Und während man sich so denkt, dass das 0:16 durch Kenny Prince Redondo in der 90. Minute einen schönen Schlusspunkt für die Partie hätte darstellen können, greift unser Freund noch einmal beherzt zum Mikrofon. „Enjoy your Sunday am Bierstand!“, lauten seine letzten Worte. Sollte er nebenberuflich auch als Grabredner tätig sein, könnte ich mir eine Zusammenarbeit vorstellen. Aber bevor ich ablebe, muss ich zumindest am kommenden Wochenende noch nach Barleben. /hvg
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