958 958 FUDUTOURS International 21.11.24 11:25:37

06.04.2019 FK Litoměřicko – SK Benešov 2:4 (1:3) / Fotbalový stadion Litoměřice / 150 Zs.

Anfang April herrscht helle Aufregung. Ein echter Weltmeister ist in der Stadt! Selbstverständlich, dass ich mich da am Freitagabend nicht lange bitten lasse und nach Feierabend schnellstmöglich quer durch die Walachei düse, um diesen treffen zu können. Wenn sich Günter Hermann schon einmal die Ehre gibt, den weiten Weg nach Berlin auf sich zu nehmen, dann hat man gefälligst parat zu stehen, wenn dieser Hoppinggelüste verspürt. Schnell ist die Wahl auf das „Karl-Liebknecht-Stadion“ in Potsdam-Babelsberg gefallen. Das Spiel gegen den FC Viktoria von 1889 könnte man sich beinahe als „Derby“ schönreden und sicherlich wären auch die ausklappbaren Flutlichtmasten des SV Babelsberg 03 einen Abstecher nach Brandenburg wert gewesen, aber der Konjunktiv bleibt eben das Stilmittel der Gescheiterten. All dies hätte nämlich geklappt, wären die Halbstarken am S-Bahnhof Charlottenburg nicht auf die geniale Idee gekommen, ihre Turnstunde im Gleisbett abzuhalten. So wird der Zugverkehr in Richtung Südwesten bedauerlicherweise so lange ausgesetzt, bis wir keine Chance mehr haben, es pünktlich zum Anpfiff hinaus nach Babelsberg zu schaffen. Kurz nachdem uns klar geworden ist, dass wir nahezu die gesamte erste Halbzeit verpassen werden, rollt endlich ein Zug ein. Etwas trotzig steigen wir zu. Wenn wir hier jetzt schon so lange gewartet haben, dann fahren wir auf jeden Fall nach Potsdam!!! – um dann unterwegs festzustellen, dass das ganz schöner Quatsch wäre. Am S-Bahnhof Wannsee endet unser Fußballausflug folgerichtig und wird flugs gegen eine Einkehr in „Lorettas Almhütte“ mit Seeblick ausgetauscht. A Mordsgaudi.

Um 3.36 Uhr sitze ich dann auch schon in der M10 zum Berliner Hauptbahnhof. In der Hand halte ich eine Fahrkarte, die der „Generation Y“ die Freudentränen in die Augen treiben würde und an der die tschechischen Spielplan-Pavels eine gewisse Mitschuld tragen. Berlin-Dresden-Praha-Brno lautet die auf dem Billet aufgedruckte Bandbreite an Möglichkeiten. Sich für 24,90 € einfach mal alle Türen offen halten, so die Devise bei Kauf vor wenigen Wochen. In der Zwischenzeit hat mir der tschechische Fußballverband jedoch alle Türen vor der Nase zugeschlagen und sowohl die Partie der Bohemians als auch die von Zbrojovka Brno auf Sonntag terminiert. Leute, ein bisschen mitdenken, bitte. Da hat Fetti doch einen Termin in Dresden.

Nur gut, dass auch das endgültige Ziel der Reise auf dieser Multifunktionsfahrkarte vermerkt ist. So komme ich also in den zweifelhaften Genuss, bereits einen Tag vor Beginn des Auswärtsspiels in Dresden um 4.28 Uhr nach Sachsen aufbrechen zu dürfen. Die Laune ist ohnehin bereits morgenmuffelig genug, als am Abfahrtsgleis die Lautsprecherdurchsage erschallt, dass sich die Abfahrt des „Eurocity“ nach Praha hlavní nádraží heute um 30 Minuten verzögern wird. Wie sagt man so schön? Das frühe Schwein fängt sich gleich eine!

Um 7.40 Uhr (+33) ist die Notlösung Dresden mit latenter Müdigkeit in den Knochen erreicht. Während des Konsums einer angemessenen Menge Kaffee fällt Fetti auf, dass er wegen der Verspätung in Praha seinen Anschlusszug nach Brno verpassen und 90 Minuten verspätet am Zielort eintreffen wird. Es ist doch zum Mäusemelken! Da ist es nur als ’schlüssig‘ zu bezeichnen, dass man schon jetzt damit liebäugelt, wieder einmal ein Mäusemelkformular auszufüllen und sich wenigstens 25% des Fahrkartenpreises zurück zu ergaunern. Schon ist es um die Laune etwas besser bestellt, was aber auch daran liegen könnte, dass nach den gescheiterten Plänen A und B der ohnehin viel bessere Plan Č FL greifen wird: Anstatt in Dresden gelangweilt 30 Stunden auf den morgigen Anpfiff zu warten, folgt Fetti den Verlockungen des tschechischen Drittligafußballs.

Glücklicherweise ist es gelungen, für den Ausflug in die Drittklassigkeit einen erstklassigen Mitreisenden zu akquirieren. „Danger-Mike“ fährt um 8.30 Uhr helldunkelwach mit seinem wie immer auf Hochglanz polierten weißen Tschechenboliden vor und schon kann die wilde Fahrt in das 93 Kilometer entfernte Litoměřice beginnen. Die Frontscheibe weist zwar einen erheblichen Steinschlag auf, doch mit einer Bierruhe versichert der Fahrer, dass diese die gut einstündige Tour locker überstehen wird. Wer eine Kindheit im Erzgebirge überlebt hat, fürchtet sich nicht vor Autobahnfahrten ohne Scheibe, nehme ich an und bin trotzdem beruhigt, dass „Danger-Mike“ bereits ein Konzept zur Wiederherstellung entwickelt hat. Das „Autoskloteam“ ist schließlich Sponsor seines Lieblingseishockeyvereins aus Usti und wirbt seit Wochen am Videowürfel der Eishalle mit einem Cartoon, in dem tschechische Randalierer einen Schulbus mit Bierflaschen bewerfen. Geschichten, die das Leben schreibt. Der tschechische Alltag ist eben rau, aber so ist wenigstens gewährleistet, dass man problemlos an jeder Ecke Kontakte zu Menschen herstellen kann, die Glas reparieren können…

Um kurz vorm Wachwerden haben wir das Auto mit noch immer bestehender Windschutzscheibe am besten Platz der Stadt abgestellt. Wir werfen einen ersten flüchtigen Blick über die schönen Bauten des Marktplatzes und werden nach Abpfiff sicherlich genügend Zeit haben, um der Stadt eines genaueren Blickes zu würdigen. Zur Spielstätte des ortsansässigen FK Litoměřice, welche navigationsgerätefreundlich mit der Adresse „U Stadionu“ aufwartet, sind fußläufig nur noch 1,5 Kilometer zurückzulegen und bis zum „familienfreundlichen“ Anpfiff um 10.30 Uhr verbleiben noch gut 40 Minuten auf der Uhr.

Gut, dass sich in der Nähe des Stadions ein „Kaufland“ auftut. Ich nutze die Gelegenheit, um mir etwas Bargeld zu ziehen und „Danger-Mike“ imitiert einen Sonntagseinkauf, um seinen 1000 Kč Schein ein wenig zu verkleinern, damit es an der Stadionkasse angesichts des Wertpapiers in Ermangelung von Wechselgeld gleich keine Nervenzusammenbrüche oder Panikattacken gibt. Fünf Minuten später erscheint „Danger-Mike“, wer hätte es ahnen können, mit zwei Flaschen Bier in der Hand auf dem Parkplatz des Supermarktes. Hatten wahrscheinlich nichts anderes.
Nur noch 20 Minuten bis zum Anpfiff. Und jetzt? Naja, auf den nächsten Schulbus können wa lange warten, also müssen wir es wohl austrinken…

An der Stadionkasse müssen wir humane 50 Kč berappen, um das Spiel gegen Benešov erleben zu dürfen. Die Gäste haben für dieses Drittligaspiel exakt 108 Kilometer zurückzulegen – und damit 15 mehr als wir aus Dresden – dennoch geht dieses Spiel für „Danger-Mike“ heute als „Derby“ durch, wie er mehrfach betont und damit eindrucksvoll unter Beweis stellt, dass auch er die hohe Kunst des Schönredens beherrscht. Ich prügele die letzte Pfütze Pivo in den Schluckdarm und kann mich dann kurz vor Anpfiff noch gerade eben rechtzeitig mit einer herrlichen Frühstücks-Klobása und einem frisch Gezapften eindecken. Ein Senior, der mit seinen Freunden auf Bierbänken vor der Tribünen-Kneipe sitzt, bietet mir einen Flachmann mit „Becherovka“ an. Ich lehne dankend ab und frage mich so langsam aber sicher, was daran jetzt so „familienfreundlich“ sein soll, wenn Vati um 12.30 Uhr besoffen zum Mittag nach Hause kommt. Aber vielleicht ist auch das einfach nur ein stinknormaler Teil des rauen tschechischen Alltags.

Das schöne städtische Stadion hat seine besten Tage längst hinter sich. Die alte Haupttribüne hat die Zeiten jedoch überdauert und glänzt mit überragend schönen Klappbänken aus blau und rot lackiertem Metall, die man quietschend aus der Verankerung lösen muss, damit diese dann krachend herab scheppern. Neben der Tribüne sind Teile der alten Kurven in rudimentären Fragmenten erhalten geblieben, während der Rest des Stadions ohne Ausbauten auskommen muss. 150 Zuschauer sind erschienen und würde es die akustische Untermalung der Sitzgelegenheiten nicht geben, man würde hier die sprichwörtliche Stecknadel fallen hören.

Die aufgetakelte „Präsidentengattin“ flaniert mit Minirock, Schnürstiefeln (von der Stange) und einem Schoßhündchen an der Leine um den Platz und erntet lüsterne Blicke der alten Männer vor der Kneipe. Wohl dem, der im Alter an Kurzsichtigkeit leidet. Uns bleibt die gegerbte Lederhaut der Mittfünfzigerin jedoch keineswegs verborgen. Der Fluch der Kabelkaribik ist dann aber auch recht schnell überstanden und nach nur drei Runden hat Fiffi glücklicherweise auch genug, sodass sich Dame und Hund außerhalb unseres Sichtfeldes auf der Tribüne niederlassen.

Währenddessen hat Schiedsrichter Severýn die Partie längst eröffnet. In der „Česka Fotbalova Liga“, die 18 Vereine umfasst, trifft heute der 13. auf den 9. und der erste Höhepunkt lässt gerade einmal 12 Minuten auf sich warten. Gästespieler Michael Azilinon trifft nach einem mustergültigen Querpass völlig freistehend aus vier Metern vor dem mehr oder weniger leeren Tor nur die Latte und erntet hämisches Lachen aus dem Publikum – welches den Anhängern der Heimmannschaft aber wenige Sekunden später im Halse stecken bleibt. Der Ball verlässt den Strafraum nicht, ein Verteidiger Litoměřices stellt sich im Zweikampf überaus stümperhaft an und Vojtěch Engelmann, der beherzt nachgesetzt hatte, befördert den Ball mit dem linken Fuß an den Innenpfosten und ins Netz.

Nur sechs Minuten später entscheidet Severýn zurecht auf Foulelfmeter für die Hausherren. Marek Hanuš schnappt sich den Ball und verwandelt eiskalt, doch die Freude über den schnellen Ausgleich währt nicht lange. Die Defensive Litoměřices ist heute nämlich in etwa so ausgeschlafen wie Fetti und seine Freunde und so endet nur drei Minuten später eine eigentlich sehr harmlose Situation im Strafraum mit einem erneuten Elfmeterpfiff. Die gesamte Abwehrriege hatte tatenlos mit angesehen, wie der Ball wie ein Flummi durch den eigenen Sechzehner gehüpft war. Besonders enttäuscht sind wir vom Argentinier Paulo Ippolito, den Litoměřice sicherlich für viel Geld aus einem Steakhouse verpflichtet hat und der hier auch keine Anstalten macht, zum Spielgerät zu gehen. Erst, als der Ball im Zentrum angekommen ist, setzt Miroslav Verner dem Schauspiel mit einem beherzten Tritt gegen den heran eilenden Stürmer ein Ende. Hätte man eleganter lösen können. Kapitän Vrňák sagt „Děkuji!“, hat bei der Verwandlung des Strafstoßes aber das Glück auf seiner Seite, denn beinahe hätte Keeper Ordelt das Ding über die Latte gelenkt.

Im Anschluss beruhigt sich die Partie ein wenig, das Niveau verflacht und Aufregung gibt es immer nur dann, wenn die Defensive des FK Litoměřicko neue Böcke schießt. Nach 33 Minuten kann Gästespieler Hampl das erste Fehlpass-Geschenk noch nicht annehmen, aber keine 10 Minuten später spielt Šimkovský einen weiteren verunglückten Rückpass noch ein wenig genauer in die Füße des Gegners, so dass Lauricella plötzlich frei vor Ordelt auftaucht. Der Angreifer bleibt cool und legt zurück an den Elfmeterpunkt, von dem Engelmann den Ball ins leere Tor schieben kann.

So also geht es mit 1:3 in die Kabinen und Heimcoach Zdeněk Hašek wird hinterher zu Protokoll geben: „Naše individuální chyby zavinily dnešní prohru. Bohužel naše lajdáckost v řešení defenzivy nás sráží!“. Eines muss man ihm lassen – der Mann hat Sachverstand!

Litoměřice startet beherzt und mutig in den zweiten Spielabschnitt. Es dauert keine fünf Minuten und schon hat sich Gästeschlussmann Rotbauer von Novák schön einen durch die Hosenträger knödeln lassen. Das 2:3 gibt deutlich sichtbaren Rückenwind und so drängt der FKL bis zur 70. Minute auf den Ausgleich, bleibt aber nur in Ansätzen gefährlich und kann zu wenig klare Torchancen kreieren. Etwas unbeholfen löst man viel zu früh sämtliche taktische Fesseln und der Gast aus Benešov ist clever genug, um auf den richtigen Moment zu warten. In der 73. Minute sitzt dann auch der erste Angriff nach 25 Minuten Defensivarbeit: Flanke von links, Kopfball Engelmann, 2:4! Gut eine Viertelstunde später bilden die Gästespieler, die das Ergebnis souverän über die Ziellinie gebracht haben, eine Jubeltraube auf dem Rasen. Torwart Rotbauer verpasst dem dreifachen Torschützen Vojtěch Engelmann den Spitznamen „Hattrick-Man“ und uns zieht es nach einem ansehnlichen Fußballspiel in einem schönen Stadion (und einem schnellen Einkauf von Käse und Klobása im Supermarkt für den häuslichen Eigengebrauch) schnellstmöglich zurück in die Stadtmitte.

Auch in Tschechien grassiert offenbar mittlerweile der todbringende Latte-Macchiato-Cocktailbar-Healthy-Food-Lounge-Virus. Man muss sich zumindest deutlich häufiger im Kreis drehen, um eine altböhmische Bierstube zu finden, als dies einst der Fall war. Ach, diese Generation wird uns noch alle umbringen! Wir enden jedenfalls in einem recht steril eingerichteten Pub namens „Budvarka“, in dem es aber immerhin diverse tschechische Biere vom Fass und Essen mit lokalem Einschlag zu bestellen gibt. Neben uns nervt eine sächsische Herrengruppe von Bahnfreunden, die nicht nur von irgendwelchen großdeutschen Schienennetzen erzählen, sondern sich gegenüber der armen tschechischen Kellnerin auch noch benehmen wie Kaiser Wilhelm beim Kolonialisieren. Wir haben das Mensa-Ambiente mit Kartoffelquark vom Nachbartisch jedenfalls recht bald satt und entscheiden einstimmig, lieber noch einen kleinen Stadtbummel vor der neunzigminütigen Rückfahrt auf die Tagesordnung zu schreiben.

Litoměřice hat immerhin 24.000 + 1 Einwohner (Stand: Januar 2019) und kann einen durchaus attraktiven Stadtmittelpunkt vorweisen. Das historische Zentrum rund um den Marktplatz (Mírové náměstí) zählt nicht völlig zu unrecht zur „Liste der städtischen Denkmalreservate in Tschechien“, auf der die 40 schönsten Altstadtkerne der Republik geführt sind. Wer einmal das Vergnügen hat, in Litoměřice Station zu machen, der sollte es nicht verpassen, entlang der gotischen Wälle entlang zu flanieren, die das Denkmalschutzgebiet eingrenzen. Von der Zwingertreppe (Máchovy schody) gibt es dann auch den einen oder anderen schönen Blick auf das „alte“ Litoměřice zu erhaschen, bevor der Tschechenbolide wieder angeschmissen und uns von Leitmeritz nach Drážďany befördern wird.

Auf der Rücktour machen wir Halt in einem „Border Shop“ in Petrovice, um unsere übrig gebliebenen Kronen unters Volk zu bringen. Die Reisegruppe interessiert sich für „Zigretten“ und Schnaps und wird schnell fündig. Nach diversen gescheiterten Anläufen in verschiedensten tschechischen Supermärkten steht sie nun endlich vor mir und funkelt goldgelb in der Mittagssonne: Eine Flasche „Praděd“. Klar, dass das flüssige Gold umgehend in den Einkaufswagen wandert. Die letzten Runden dieses edlen Gesöffs hatte der Weltmeister (…der übrigens zu seinem Bedauern auch das heutige Spiel von Lichtenberg 47 gegen Greifswald verpasst hat. Da kommt man nichtsahnend nach Berlin zum Familienbesuch – und dann will einen die Familie auch noch sehen!) im November in der „Prager Hopfenstube“ in der Karl-Marx-Allee vor einem „IDLES“-Konzert spendiert. Die nächste Runde geht dann wohl auf den „Alkvater“!

Völlig euphorisiert von diesem Fund, packe ich im Vorbeigehen noch einen finnischen Schnaps in den Warenkorb. „Haltitunturi“. Na, da wird der „verrückte Tischfinne“ aber Augen machen, wenn ich ihm den morgen rund um das Spiel im „Rudolf-Harbig-Stadion“ anbieten werde…

Um 16.00 Uhr haben wir die Autobahnausfahrt Dresden-Südvorstadt erreicht. „Nur, damit Du Dich nicht wunderst, meine Große lässt sich jetzt auch von Fremden streicheln“, lässt mich „Danger-Mike“ wissen. Etwas später wird sich herausstellen, dass er leider wieder nur von seiner Katze gesprochen hat, während mein Böhmen-Jetlag unerbittlich zuschlägt. Wach seit Freitagmorgen, ein Arbeitstag, ein Abendprogramm, eine Reise und ein Fußballspiel in den Knochen, fühlt es sich aktuell eher nach Schlafenszeit als nach Halli-Galli in Dresden an. Gut, dass auch „Danger-Mike“ und der „Sprengmeister“, den wir kurz darauf in Empfang nehmen, an diesem Abend nicht mehr im Schilde führen, als auf der Couch zu versacken und Fußball zu schauen. Merke: Auf das medial ausgeschlachtete schwachsinnige „Deutsche Clásico“ zwischen reich und reicher kann derjenige getrost verzichten, der auch die österreichische Bundesliga in der Konferenz empfängt.

Nach einer geruhsamen Nacht in Wismut-Aue-Fleecedecke geht es im „Rudolf-Harbig-Stadion“ schon um 13.30 Uhr wieder zur Sache. „Familienfreundliche Anstoßzeit“ sagt die DFL, der gemeine Tscheche ist da vom Sportplatz bereits längst wieder besoffen in die Häuslichkeit zurückgekehrt und kann nur müde lächeln. Der 1.FC Union Berlin erkämpft sich in einem an Höhepunkten armen Spiel ein 0:0 und nimmt einen Punkt mit nach Hause. Im „Augustiner an der Frauenkirche“ trudeln „Danger-Mike“, der „Sprengmeister“ und der „verrückte Tischfinne“ ab 15.30 Uhr nach und nach aus allen Himmelsrichtungen ein. Ich bestelle Schweinebraten und Bier und bekomme immerhin Bier und zeige dem Finnen, der gleich zurück nach Helsinki fliegen wird, noch eben schnell voller Stolz den erbeuteten „ Haltitunturi“. „Hat nix mit Finnland zu tun, außer finnisch Name“, so seine nüchterne Reaktion. Ich mustere die schöne Glasflasche mit eingefasstem „Helsinki“-Schriftzug nun etwas genauer. Steht doch da tatsächlich „Helsinkigroup.cz“. Ach herrje. Wenn der waschechte Cateringverlierer da mal nicht auf die international agierende tschechische Schnapsfälscherbande hereingefallen ist…

Auf der Rückfahrt nach Berlin lerne ich im Coupé des „Eurocity“ eine junge Tschechin namens Clara kennen, die am Wochenende an einer Veranstaltung des deutsch-tschechischen Jugendforums in der deutschen Botschaft in Prag teilgenommen hat. Das überaus charmante Gespräch rundet die Reise ab, da kann ich es auch verschmerzen, dass ich meinen Käse und die Klobása im Dresdner Kühlschrank vergessen habe. Mittlerweile sind auch die Ergebnisse der beiden ersten tschechischen Fußballligen bei mir eingetrudelt: Bohemians 1905 – Mladá Boleslav 0:0, Zbrojovka Brno – Ústí nad Labem 0:0 und so wertet die Torarmut in den oberen Spielklassen den ohnehin gelungenen Tagesausflug nach Litoměřice noch einmal nachträglich auf.

Eines ist gewiss, irgendwann werden wir das wiederholen, möglicherweise sogar mit reparierter Windschutzscheibe. Und wer weiß, vielleicht lässt sich bis dahin dann sogar seine Kleine von Fremden streicheln… /hvg