Posted on Juni 19, 2016
19.06.2016 1.FC Union Berlin U19 – JFV Nordwest U19 2:2 (1:1) / Stadion im FEZ / 379 Zs.
Die Europameisterschaft in Frankreich ist in vollem Gange. Hunderttausende, die im weiteren Verlauf des Jahres mit Fußball nichts am Hut haben, kramen all ihre deutschlandfarbigen Utensilien aus den Schränken und jubeln den millionenschweren Topstars zu. Nach der rauschenden Public-Viewing-Feier am Brandenburger Tor wandern die Schlandnetzhautpeitschen dann wieder in die Mottenkiste und deren Besitzer wenden sich von unserem geliebten Sport ab, um abseits des Alltagsgeschäfts darauf zu warten, dass die nächste Generation Fußballkünstler vom Baum fällt, welche dann in zwei Jahren zum nächsten großen Stelldichein der Weltstars für Erheiterung sorgen kann. FUDU hingegen weiß, dass hochveranlagte Fußballer nicht einfach so aus Bäumen fallen (außer Adam Nemec, natürlich) und so ist schnell klar, dass man die A-Jugend des 1.FC Union Berlin im Kampf um den Aufstieg in die Bundesliga unterstützen wird. The future is now!
Nachdem am gestrigen Samstag im Rahmen eines recht ausgiebigen Kneipenabends das kommende Erstrundenaus der ersten Herren beim MSV Duisburg begossen worden ist, klingelt heute der Wecker zu einer menschenunwürdigen Zeit. Mit der Frage, wer zur Hölle auf die Idee kommt, ein Fußballspiel um 10.30 Uhr anzusetzen, darf man sich getrost in Richtung Den Haag wenden…
Dennoch haben es heute in etwa 350 Zuschauer zum Anpfiff in das Stadion im FEZ geschafft, darunter auch zwei weitere Kneipenkoryphäen des vorausgegangenen Abends. Die beiden sind so freundlich und versorgen mich mit einem Frühstücks-Konterbierchen direkt mit und schon kann man sich den sportlichen Aspekten der heutigen Partie widmen.
Auf dem Rasen stehen sich die Tabellenzweiten der A-Junioren-Regionalliga Nordost und Nord im ersten der beiden Relegationsspiele um den Aufstieg in die Bundesliga Nordost gegenüber. Der 1.FC Union trifft dabei auf ein besonderes Gebilde, welches die beiden Oldenburger Fußballclubs VfB und VfL, die im Nachwuchsbereich kooperieren, aus dem Boden gestampft haben. Schnell diskutiert man über die Sinnhaftigkeit solcher Konstrukte. Sicherlich sorgt dieses dafür, die Talente in Oldenburg zu bündeln. Andererseits führt es vermutlich auch dazu, dass der lediglich in der Oberliga spielende VfL permanent das Nachsehen haben wird, wenn dann doch das eine oder andere Talent den Weg in den Männerbereich findet. Alle Jungs, die einigermaßen mit dem Ball umgehen können, werden höchstwahrscheinlich auf direktem Wege in der Regionalliga beim VfB landen. Zudem leidet die Identifikation mit einem solchen Verein. Heute ist jedenfalls niemand aus der aktiven Fanszene des VfB Oldenburg im Stadion im FEZ anzutreffen. Schade.
Genauso schade ist es, dass auch die Szene des 1.FC Union Berlin das Spiel für nicht wichtig genug erachtet und so auch die rot-weiß gewandeten Jugendlichen ohne besonders herausragende akustische Unterstützung in das Unterfangen Aufstieg starten. Das Spiel beginnt und beide Mannschaften starten sichtlich nervös in die Partie. Der 1.FC Union stellt die aktivere Mannschaft, während die Gäste zunächst einmal abwartend agieren und auf defensive Stabilität bedacht sind. Auffällig ist, dass den Hausherren recht schnell die Ideen ausgehen und bereits nach 15 Minuten nahezu ausschließlich mit langen Bällen agiert wird, die der bullige Stoßstürmer Sakar verarbeiten soll. Kick-and-Rush im Jahre 2016, einfallslos, ideenlos, konzeptlos, wirkungslos. Schnell resultiert daraus die Diskussion über die Abschaffung der zweiten Mannschaften und die Frage steht im Raum, wo die beim 1.FC Union Berlin ausgebildeten Spieler im Männerbereich Fuß fassen sollen – von der zweiten Bundesliga sind alle auf dem Rasen stehenden Akteure jedenfalls meilenweit entfernt. Es ist schon bedauerlich, dass es nun keine vereinsinterne Möglichkeit mehr gibt, Spieler nachreifen zu lassen. Die Herren Quiring, Zejnullahu und Skrzybski haben allesamt kleinere Umwege über die zweite Mannschaft genommen, ehe sie den Sprung nach ganz oben geschafft haben. Nun muss man sich wohl damit zufriedenstellen, dass nach Menschengedenken nur alle x Jahre einmal ein Akteur mit dabei sein wird, dessen Talent so außergewöhnlich hoch ist, dass er auf direktem Wege in die zweite (?) Bundesliga nachrücken kann.
Nach 37 Minuten gelingt den Unionern der vielumjubelte Führungstreffer. Leider jubeln die Jungspunde etwas zu lange, sodass die Oldenburger Gäste bereits 45 Sekunden später ausgleichen können. Der Ärger ist groß, während meine Blicke durch das weite Rund des schönen Stadion im FEZ wandern und die nächsten großen Zukunftsfragen vor dem inneren Auge erscheinen. Wird dies hier langfristig die Spielstätte unserer Talente bleiben? Ist sie womöglich zu weit vom künftigen Nachwuchsleistungszentrum entfernt? Baut der Club ein vereinseigenes Stadion oder kann man diesen Grund und Boden irgendwann einmal vom Land Berlin übernehmen?
Aktuell gilt es jedenfalls zu konstatieren, dass sich die Spielfläche in einem brillanten Zustand befindet. Auf diesem Teppich, um den sich liebevoll eben jener Platzwart kümmert, der einst in Diensten des Sportamts Berlin-Köpenick auch für die Rasenfläche des Stadions an der Alten Försterei zuständig gewesen war, ehe man hierfür Greenkeeper und alle sechs Monate einen neuen Rollrasen benötigte (hüstel), ließe sich eigentlich ein anderer Fußball zelebrieren. Dafür sind die ohnehin nur rudimentär ausgebildeten Ausbauten für die Zuschauer dem Verfall preisgegeben und so ist doch schon recht opulenter Wildwuchs zwischen, auf und unter den Sitzbänken festzustellen. Im Hintergrund fährt die Parkeisenbahn dampfend vorbei und sorgt für das besondere etwas und wird staunend von den anwesenden Kindern beäugt. Ein Kind trägt hierbei ein St. Pauli Trikot und noch bevor ich hier die Frage nach der elterlichen Fürsorge stellen kann, erinnere ich mich glücklicherweise daran, heute nicht dienstlich hier zu sein.
In der zweiten Halbzeit nimmt das Spiel etwas Fahrt auf und das Niveau steigt. Besonders Union ist nun bemüht, spielerische Lösungen zu finden und hinterlässt so dann doch einen besseren Eindruck, als es in der ersten Hälfte der Fall gewesen war. Mit einem wunderschönen direkt verwandelten Freistoß bringt Lukas Lämmel die Unioner nach 50 Minuten wieder in Führung. Leider jubeln die Jungspunde etwas zu lange, sodass die Oldenburger Gäste bereits 180 Sekunden später ausgleichen können. Der Ärger ist groß und wird zusehends größer, weil Union im restlichen Verlauf des Spiels mehrere Großchancen versiebt und am Ende nicht über das Remis hinauskommt.
Schnell verschwinden die A-Jugendlichen in den Katakomben und Kinder in den unterschiedlichsten Trikots stürmen den Platz. Der SV Askania Coepenick (sic!) bittet zum großen Juniorenturnier und beantwortet so immerhin die erste Frage des Tages. Das Relegationsspiel zur A-Junioren-Bundesliga (!!!) des 1.FC Union Berlin musste also ernsthaft vor dem Aufstehen stattfinden, weil der Platz ab 12.30 Uhr bereits durch Breitensport belegt war. Der dicke Fetti, der naturgemäß nichts gegen Breitensport hat, stellt letzte Fragen des Tages: Warum meldet man als professionell geführter Verein nicht vor Beginn der Saison eine eventuellen Bedarf für diesen Termin an? Warum gelingt es einem professionell geführten Verein nicht, mit dem SV Askania und dem Sportamt eine andere Lösung zu finden, wenn ein solch wichtiges Spiel der eigenen A-Jugend ansteht? Warum man das Spiel nicht im Stadion an der Alten Försterei angesetzt, die Werbetrommel gerührt und dafür gesorgt hat, dass 2.000 Unioner unseren Jungs den Rücken stärken, ist mir ohnehin ein Rätsel. Alles doch nicht wichtig genug? Und: Gilt in der Relegation eigentlich die Auswärtstorregel?
Fetti spielt dann abschließend noch ein wenig Fußball in der Sonne und schleicht mit vielen unbeantworteten Fragen im Schweineschädel nach Hause. Es besteht Hoffnung, dass ihm viele dieser am kommenden Wochenende in Oldenburg beantwortet werden mögen, wenn er in der Alexanderstraße am Baum rütteln wird, um Talente von den Zweigen fallen zu lassen… /hvg
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