Posted on April 27, 2018
27.04.2018 Sportverein Viktoria Aschaffenburg – SC Eltersdorf 3:0 (1:0) / Stadion am Schönbusch / 2.434 Zs.
Noch nicht all zu viele Stunden sind ins Land gegangen, seit sich unser Bengel mit dem langen Schwengel abschätzig über einige freche Tschechen äußerte, die schon am frühen Morgen dem Alkohol verfallen waren. Wie dünn dieses Eis war, stellt sich bereits am Folgetag heraus, als die Schaufensterkrankheit in Wels erbarmungslos zuschlägt. Wie gelähmt erstarrt der Hoollege vor dem Bierregal und sabbert sich in die Barten. Der Kopf ist flachgedrückt, das Maul breit (Quelle: Wikipedia) und die Weiterfahrt nach Aschaffenburg wird angesichts der „25% auf Bier“ kurzzeitig in Frage gestellt.
Es ist 8:09 Uhr in Oberösterreich. In Berlin verbleiben noch 90 Minuten bis zur Abfahrt meines Zuges. Dank einer eingelösten Freifahrt hatte der rumänische Kassenwart die Anreise nach Darmstadt mit Aufenthalt in Aschaffenburg bedenkenlos durchgewunken und glücklicherweise hat die Deutsche Bahn in der Zwischenzeit eine kleine Baustelle inmitten meiner Reiseroute platziert. So komme ich in den Genuss des heiß und innig geliebten „Zugbindung aufgehoben“-Stempels und kann meine Anreise dank der freien Zugauswahl mit der des Hoollegen synchronisieren.
In Aschaffenburg werden wir am Abend Gäste eines „Rekordspiels“ sein. Über 1000 Karten hat die gastgebende Viktoria bereits im Vorfeld der Partie abgesetzt. Neben des Aufstellens eines neuen Zuschauerrekords der beiden Bayernligen soll heute auch ein vorentscheidender Schritt in Richtung Meisterschaft und Aufstieg in die Regionalliga gegangen werden. Den bisherigen Rekord hält übrigens der DJK Vilzing mit 1.850 Zuschauern, was Vorstandssprecher Stenger dazu animiert, in eine Wette mit Bürgermeister Herzing einzutreten. Kommen weniger als 2.018 Zuschauer, muss Bürgermeister Herzing einen Tag lang im Trikot der Aschaffenburger arbeiten, kommen mehr als 1.901 Zuschauer, erhalten alle Fans eine „Überraschung“. Fetti wedelt aufgeregt mit dem Ringelschwanz: Freunde, hier riecht’s nach Freibier!
Vorher gilt es jedoch noch die Fahrkartenkontrolle der mürrischen Zugbegleiterin zu überstehen. Die Funktion des Stempels kennt sie nicht, sodass ich Rechenschaft darüber ablegen muss, warum ich mit meiner Freifahrt im falschen Zug sitzen würde. Beim Augenrollen aufgrund ihrer Inkompetenz fällt mein Blick auf ihr Namensschild am Revers. Ich habe es also mit „Frau Doktor“ zu tun. Ob sie in ihrem Leben wohl schon einmal schlechte Scherze über sich ergehen lassen musste?
Nach hartem Kampf mit mir selbst habe ich es geschafft, die gute Frau passieren zu lassen, ohne mich für die Behandlung zu bedanken. In Nürnberg nehme ich den Hoollegen in Empfang. Da dieser ein echter Kumpel ist, führt er einen gut gefüllten Sechsterträger mit österreichischen Bierspezialitäten mit sich, die er paritätisch teilt. Wels eine Freude! Auch in Aschaffenburg reißt meine Glückssträhne nicht ab und nur wenige Sekunden nachdem das Reisegepäck verschlossen worden ist, finde ich in einem Nachbarschließfach einen Euro in bar. Der Plan, alles hinzuschmeißen und eine Karriere als Obdachloser zu starten, wird als nicht wasserdicht genug verworfen und schon zieht es FUDU zwecks Sightseeing in die unterfränkische Stadt, die sich im Volksmund „Aschebersch“ schimpft.
70.000 Einwohner, Fachwerkhäuser, Altstadtgässchen, Kirchtürme. Etwas irritierend ist der Hamburger Fischmarkt, der rund um das Schloss Johannisburg aufgebaut und durch die Bürger und Bürgerinnen Ascheberschs abnorm gut besucht ist. Uns spielt jedoch genau das in die Karten, da die wesentlich attraktivere Schlossanlage sowie die Uferpromenade entlang des Mains somit beinahe menschenleer sind und zum Verweilen einladen.
Kurz darauf packt uns jedoch der Bierdurst samt Mittagshunger. Nachdem uns die „Brauerei Schlappeseppel“ auf’s Übelste dadurch enttäuscht, entgegen ihrer eigentlichen Bestimmung lediglich „Faust“ auszuschenken, finden wir im benachbarten „Biersepp“ einen schönen Sitzplatz in der Sonne. Hier gibt es das lokale „Schlappeseppel“ in mehreren Varianten vom Fass und kurz darauf machen sich die beiden schlappen FUDU-Seppel über Pils und Kellerbier her. Hmm, das geht runter wie ein dickes Kind auf der Wippe! Und endlich hat also auch der hühnerbrüstige Teil FUDUs seinen Biersponsor gefunden…
Beim „Biersepp“ habe sie u.a. „Käs und Oliv“ auf der Kart und während ich den einen oder anderen Buchstaben schmerzlich vermisse, klärt uns der Wirt auf Nachfrage auch schon über die Provinzposse in der Nachbarschaft auf. Die „Faust“-Brauerei aus dem unterfränkischen Miltenberg erobert mit Dumpingpreisen den Aschaffenburger Markt. Leider bestimmt in der „Brauerei Schlappeseppel“ nicht der Wirt darüber, welches Bier er ausschenkt, sondern der Vermieter. Die Besucherzahlen des benachbarten Lokals sprechen Bände, was die Aschaffenburger von dieser Praxis halten. Während unsere Terrasse bis auf den letzten Platz besetzt ist, herrscht nebenan gähnende Leere.
Gut gesättigt nehmen wir im Anschluss den Schlossherren in Empfang und klappern die Sehenswürdigkeiten erneut ab, ehe wir uns fußläufig in Richtung des Stadions am Schönbusch begeben. In der waldigen Umgebung des Stadions belästigt mich kurz die Arbeit und erinnert daran, sich bitte an einem Brainstorming zu beteiligen. Gesucht wird ein Slogan für eine Luftballonaktion anlässlich eines Nachbarschaftsfests im Juni. Die Kreativköpfe FUDUs nehmen sich der Sache an und keine zehn Minuten später sind zwei Favoriten auserkoren: „Buch – zwischen Plattenbauten passt nur Engstirnigkeit“ und „Buch? Da buch‘ ich lieber Urlaub!“ werden demnächst Erfolg versprechend in den Wettbewerb geschickt.
Das Lachen bleibt uns kurz darauf im Halse stecken, als wir nach Zahlung des Eintrittsgeldes dazu gedrängt werden, blaue Plastiktröten an uns zu nehmen. DAS also soll die groß angekündigte Überraschung sein? Trotz mehrmaliger Verneinung jedweden Interesses an dem Geschenk unsererseits gibt ein Helfer des SPVA alles und rennt uns mit den nervtötenden Stimmungselementen so lange hinterher, bis wir uns erbarmen, ihm diese abzunehmen und wenige Meter weiter fachgerecht in einem Mülleimer zu entsorgen. Gegen Freibier hätten wir uns nicht so lange gewehrt, ihr Amateure.
Im recht weitläufigen Stadionareal entsteht bei bestem Sonnenschein schnell eine angenehme Biergarten-Atmosphäre. Der Hoollege, seinerseits ausgewiesener Musikfachmann, entscheidet sich für den Einkauf einer Schallplatte für 2,00 €. Stolz berichtet der Verkäufer, dass diese erst vor wenigen Tagen beim Aufräumen in einem Keller gefunden worden wäre und nur noch 200 Exemplare hiervon existieren würden. „We are blue, we are white, we are Schönbusch Dynamite!“
Das wunderbare Stadion, bestehend aus zwei freistehenden Tribünen hinter dem einen Tor, einer sandigen Stehplatz-Gegengeraden, weiteren Stehplätzen hinter dem anderen Tor, einer zeitlos schönen LED-Lichtpunkt-Anzeigetafel im Stile des „Bundesliga Manager Hattrick“ an der Eckfahne und einer langweiligen Stahlrohrtribüne, die offenbar irgendwann einmal aus Kostengründen eine echte Haupttribüne ersetzen musste, füllt sich zusehends.
Damit die Vorfreude auf das Spiel nicht überzogen groß wird, fordert der Stadionsprecher die Zuschauer dazu auf, die vermaledeiten blauen Tröten zu nutzen und erinnert an die WM 2010. Ja, ich erinnere mich auch. War damals schon scheiße. Noch schlimmer wird es kurz vor Anpfiff, als der Stadionsprecher zur einmütigen „Klatschchallenge“ mit dem TV Großwallstadt bittet und im Anschluss an das halbherzig durchgeführte Applaudiere die Rhein Neckar Löwen und das Helene-Fischer-Publikum in Mannheim nominiert, selbigen Unsinn zu tun.
Von all den Qualen und Grausamkeiten erlöst uns dann ein anhaltend gutes Musikstück der Kinks, welches hier als gelungene akustische Untermalung des Einlaufs der Heimmannschaft dient. Als Schiedsrichter Grimmeisen die Partie freigibt und es endlich um das Wesentliche geht, sind wir schnell mit allem versöhnt. Es gibt einfach nichts schöneres, als unseren geliebten Sport bei Sonnenschein in einem richtigen Fußballstadion mit Bier in der Hand stehend zu bewundern.
Nach sieben Minuten geht Aschaffenburg durch Daniele Toch aus stark abseitsverdächtiger Position mit 1:0 in Führung. Die 2.434 Zuschauer (Rekord eingestellt!) sind vollends aus dem Häuschen und pushen ihre Viktoria zu weiteren guten Gelegenheiten. Nach 13 Minuten verfehlt Top-Torschütze Schnitzer (30 Saisontore in 30 Einsätzen) sein Ziel nur knapp, vier Minuten später rettet Eltersdorf-Keeper Akbakla dank eines blitzartigen Reflexes in höchster Not und spätestens nach 33 Minuten hätte Viktoria nach einer Doppelchance höher in Führung liegen müssen.
Das regelrecht überrannte Eltersdorf versucht sich mit Mühe und Not in die Halbzeitpause zu schleppen, scheitert aber auch mit diesem Unterfangen. Daniele Toch schraubt das Ergebnis in der 41. Minute hochverdient in die Höhe. Die Gäste werden nur einmal auffällig, als es ihnen mit dem einzigen Torabschluss des ersten Spielabschnitts gelingt, den Ball über das Hintertortribünendach zu jagen.
Die Halbzeitpause nutzt Gästetrainer Bernd Eigner (FC St. Pauli, Arminia Bielefeld, Hannover, Braunschweig, Paderborn) dazu, seine Mannen neu zu sortieren. In Folge wird der SCE offensiver und mutiger agieren, jedoch ohne zu nennenswerten Abschlüssen zu kommen. Die Heimelf von Trainer Jochen Seitz (Unterhaching, VfB Stuttgart, Schalke, Kaiserslautern, Hoffenheim) verliert dennoch ihre Linie und braucht gut 30 Minuten, ehe sie wieder alles fest im Griff hat. Eine eher maue zweite Hälfte trudelt so vor sich hin, während die untergehende Sonne für angenehme Lichtspiele und schöne Fotomotive sorgt. Aufgrund des fehlenden Flutlichts finden die letzten 15 Minuten der Partie im Halbdunkel statt, was Aydin nicht daran hindert, den einzigen klaren Angriff Viktorias der zweiten 45 Minuten zum 3:0 abzuschließen. Torjäger Schnitzer zeigt sich von den Lichtverhältnissen deutlich verunsicherter und verpasst es, per 11 Meter in der Nachspielzeit auf 4:0 zu erhöhen.
Nach Abpfiff leert sich das Stadion recht zügig. Obwohl der Aufstieg in die Regionalliga Bayern so gut wie sicher ist, ist heute wenig Euphorie zu spüren. Die Spieler feiern dann auch eher mit ihren Frauen auf der Haupttribüne als mit ihren Fans auf der Geraden, während einige übermotivierte Kinder die letzten Töne aus den blauen Tröten quetschen.
FUDU zieht es vor der Weiterfahrt noch schnell in die „Stadtschänke“, die gar nicht bayrisch uriger aussehen könnte. Nur die asiatischen Kellnerinnen in Trachtenkleidung sowie der chinesische Bierzapfer dürften dann doch eher als atypisch für eine solche Lokalität bezeichnet werden. Ein Gast kann diese Verwirrung nicht aushalten und erfragt, wie die Familie in den Besitz dieser traditionellen deutschen Gaststätte gelangt sei. Die Antwort könnte aus einem „Tatortreiniger“-Drehbuch stammen: „Altel Besitzel tot – wil jetzt hiel!“. Wunderbare Realsatire. Wir kommen wieder. Spätestens, wenn es hier 25% auf Bier gibt… /hvg
Neueste Kommentare