694 694 FUDUTOURS International 23.11.24 11:36:19

18.06.2017 Sportfreunde Charlottenburg-Wilmersdorf – SV Berliner VB 49 11:1 (6:0) / Stadion Wilmersdorf, Nebenplatz 1 / 23 Zs.

26° in Berlin. Sonne satt und Langeweile pur. Glücklicherweise gibt es den Berliner Fußballverband, der bis Ende Juni an den Wochenenden für Entertainment sorgt. Ich entscheide mich heute aus der Vielzahl an Möglichkeiten für einen Besuch der Bezirksliga, Staffel 1. Im Stadion Wilmersdorf, das ich schon lange für einen Besuch auf der Liste habe, empfängt heute der starke Aufsteiger namens Sportfreunde Charlottenburg-Wilmersdorf den SV Berliner VB aus Lichtenberg. Gleich zwei Mal schaffte es in dieser Saison niemand geringeres als Christian Stuff in das Aufgebot der Gäste, darunter ein Einsatz in der vergangenen Woche gegen den 1.FC Lübars, bei dem „Stuffi“ sogleich als Torschütze des „Game Winning Goal“ erfolgreich in die Statistik einging.

Als ich am U-Bahnhof Heidelberger Platz aussteige, wird mir zunächst einmal bewusst, dass mir die Gegend viel vertrauter ist, als ich das bei Abreise im Friedrichshain erwartet hatte. Erst neulich war ich in unmittelbarer Nähe zu Gast im „BlackBoxx“-Theater, um FilmstudentInnen bei der Aufführung ihrer „Fluchtgedanken“ zu erleben. Und je näher ich dem Stadion komme, desto bekannter erscheint mir der Kiez, ehe ich feststelle, dass ich genau hier vor circa zehn Jahren auf meinen Sommerjob eingeschworen worden bin. Kinder, wie doch die Zeit vergeht. Minuspunkte gibt es für die gutbürgerliche Spießergegend aufgrund der mangelhaften Spätidichte. Ich hätte es nicht für möglich gehalten, dass man in Berlin irgendwo verdursten kann und werde nun bedauerlicherweise eines besseren belehrt.

Kurz nachdem ich mich zunächst an der Botschaft Gabuns und dann an Westberliner Industrieromantik vorbeigekämpft und den Wilmersdorfer Sportkomplex mit Freibad und Eisstadion passiert habe, kann ich einen ersten Blick in das Stadion werfen. Ein Gedenkstein weist auf ein Viertelfinalspiel zwischen dem BSV 1892 Berlin und dem VfB Leipzig hin, welches hier am 10.05.1903 ausgetragen wurde. Die einstigen Ausmaße des Stadions kann man aufgrund der weitläufigen und mittlerweile renaturierten Tribünen (bis auf einen kleinen Ausbau auf der Geraden und der zweckmäßigen Haupttribüne) noch sehr gut erahnen und vor seinem geistigen Auge sieht man plötzlich mindestens 20.000 Herren mit Hüten dem Volkssport frönen. Da fällt dem geneigten RB-Leipzig-Fan doch glatt die Dose aus der Hand. Ja ja, so lange gibt es Fußball schon…

Heute werden bei Blick auf die Spielfläche jedoch Fußballtore schmerzlich vermisst. Stattdessen finden sich Yardlinien und Field-Goal-Gestänge auf dem satten Grün wieder und obwohl das an sich zuverlässige Fußballportal fussball.de als Austragungsort den Rasenplatz im Stadion nennt, dürfen bereits jetzt leise Zweifel angemeldet werden, ob das so stimmen kann. Nach Begutachtung des Kurvenbereichs steigt meine Laune jedoch gleich wieder ein bisschen, da in diesem Wein angebaut wird. Chapeau, kann man so machen! Und immerhin habe ich es in diesem Leben überhaupt geschafft, das Stadion zu besichtigen, wenn auch ohne Spiel. Es ist schließlich Makel genug, dass es mir misslungen ist, das Lichtenberger „BVB-Stadion“ der heutigen Gäste zu besuchen, bevor die alte Haupttribüne aus Gründen der Baufälligkeit abgerissen werden musste. Da wohnt man 10 Jahre lang in gerade einmal 5 Kilometern Entfernung und am Ende ist die Abrissbirne schneller als man selbst. Prokrastination, du bist ein Teufel!

Rege Betriebsamkeit herrscht dagegen bereits jetzt auf dem Nebenplatz, auf welchem gerade die zweite Mannschaft der Sportfreunde ihre Gegner in Grund und Boden schießt. Ein kurzer Smalltalk mit dem Mannschaftsbetreuer bestätigt dann die dunkle Vorahnung. Auch das Spiel der ersten Mannschaft wird hier im Kunstrasenkäfig stattfinden. „Football geht vor!“, so seine Aussage, die ich ungefiltert so an den Football spielenden „Schwaben“ weiterleite. Hat wenigstens einer Grund zur Freude.

Das Lichtenberger Team kommt mir derweil mit den Sporttaschen über den Schultern entgegen. Ich mustere die Spieler. Alle nicht sonderlich groß. Kein Christian Stuff dabei. Fassen wir also zusammen: es gab zwei Gründe für den Besuch dieses Spiels und beide Gründe haben sich bereits zu unerfüllten Sehnsüchten verwandelt. Gerade stelle ich etwas enttäuscht erste Planspiele an, den Rückweg anzutreten, da fällt mein Blick auf die direkt neben der Spielstätte gelegene Gaststätte „Poseidon“, von dessen Terrasse aus man sogar auf das Fußballfeld schauen kann. Plötzlich fällt es mir wie Schuppen von den Augen – die 26° und meine Langeweile bleiben ja trotzdem bestehen. Geistesgegenwärtig bestelle ich mir ein zünftiges Bier und eine Riesen-Currywurst mit Pommes und schon ist mein einfaches Gemüt wieder in Einklang mit dem Universum (oder eher dem Bier-Wurst-Mikrokosmos) gebracht.

Kurz vor Anpfiff verlasse ich das Lokal, welches sich freundlicherweise auf die Fußball guckende Kundschaft eingestellt hat, mit einem Bier im Plastikbecher. Nun hat der Platzwart in Diensten des Sportamtes seinen großen Auftritt, indem er allen ankommenden Zuschauern den Einlass zum Kunstrasen verwehrt und den bereits auf dem Platz befindlichen Spielern lautstark zu verstehen gibt, dass sie selbigen gefälligst zu verlassen hätten. Etwas genervt stehen kurz darauf circa 50 Menschen vor dem Einlasstor des Sportplatzes, welches vom vorsichtigen Greenkeeper nun nicht nur persönlich bewacht, sondern auch noch verschlossen wird. Sicher ist sicher.

Nachdem die Bewässerungsanlage ihren Dienst geleistet hat, kann das Spektakel mit zwölf Minuten Verzögerung beginnen und die 23 Zuschauer und Spieler fluten die Sportstätte. Ich lasse mich auf einer Parkbank in der knallenden Sonne nieder und erhalte nur wenige Augenblicke später Gesellschaft einer recht attraktiven Spielerfrau, was ich genauso lange gutheißen kann, bis ihre Freundin dazu kommt und die beiden beginnen, sich zu unterhalten. Mode, Schminke, Frisuren, Nagellack. Angesichts dieser fleischgewordenen Frauenzeitschrift kann ich mich von dieser Position nicht einmal mehr richtig über den schönen weißen Derbystar-Ball freuen, mit dem hier heute gekickt wird und entscheide mich glücklicherweise schnell entgegen aller sozialen Zwänge für einen Platzwechsel. An der Eckfahne habe ich dann meine Ruhe gefunden, kann mich meines T-Shirts entledigen und Bier trinkend den Breitensportlern beim Schwitzen zuschauen.

Stenografie der Belanglosigkeit:
– 1:0 nach einer blitzsauberen Kombination (8′)
– Die Sportfreunde scheitern mit einem Lupfer an der Querlatte (14′)
– Anflug von Egoismus bei Passana Jabang, Spitzname „Helmut“: Anstatt den Querpass in den Strafraum zu spielen, scheitert der BVB-Akteur aus viel zu spitzem Winkel kläglich (16′)
– 2:0 nach einem mustergültigen Angriff über die Flügel (18′)
– Mein Handy rutscht durch die Bank und fällt krachend zu Boden. Beim Aufheben greife ich beherzt in einen Brennnesselstrauch. Doppeltes Pech? Oder habe ich bereits das Zeug zu einem echten Idioten?
– 3:0 dank eines guten Angriffs über die rechte Seite, Pass in den Rückraum, perfekter Abschluss, so macht man das, wenn man technisch überlegen ist und eine hohe Passgenauigkeit bereits ausreicht, dem Gegner die Grenzen aufzuzeigen (25′)
– Der Schiedsrichter unterbricht das Spiel und bittet zur Trinkpause
– 4:0 durch einen schönen Heber (29′)
– 5:0 nach einer Freistoß-Segelflanke aus dem Halbfeld jubelt Nils Pötting über seinen Hattrick (39′)
– 6:0 Entstehung war keine Notiz wert (42′)
– 7:0 per technisch astrein ausgeführtem Volleyschuss nach einer langen Ecke an die Strafraumkante durch Kon-Ho Lee (48′)
– 8:0 mit dem Hinterkopf erzielt. Jetzt klappt alles (65′)
– 8:1 durch Hendrik Hüsch. Der Torwart der Sportfreunde scheint ein ehrgeiziger Kerl zu sein. Vehement beschwert er sich beim Schiedsrichter über eine vermeintliche Abseitsposition. Doch alles Diskutieren hilft nicht – das Ding zählt! (76′)
– Nach dem Anschlusstor verlasse ich gut durchgebraten den Sportplatz. Ich verpasse noch drei Tore der Gastgeber, die die Saison als Aufsteiger auf Rang 4 beenden werden und in der kommenden Saison sicherlich ein Wörtchen um den Aufstieg mitsprechen werden.

Am S-Bahnhof Heidelberger Platz entdecke ich eine Dönerbude, die laut Aushang Berliner Pilsner für 1,50 € verkauft. Da die Ringbahn aktuell ihren Dienst quittiert hat und ich mit einer gewissen Wartezeit zu rechnen habe, führt kein Weg an einem Einkauf vorbei, auch wenn das Bier drinnen plötzlich 1,70 € kosten soll. Die Begründung hierfür überzeugt vollends: „Damit ich mir irgendwann neue Preisschilder leisten kann!“. Und so geht mein Urlaubstag in Westberlin mit einer kleinen humanitären Geste zu Ende. /hvg

10.06.2017 Gimnàstic de Tarragona – UCAM Murcia CF 1:0 (0:0) / Nou Estadi de Tarragona / 11.103 Zs.

Als ich mir im Dezember vergangenen Jahres das Knie zerschossen hatte, empfahl mir mein Arzt, regelmäßig Sport zu treiben. Nun habe ich es ziemlich lange mit Medizinbällen versucht, aber irgendwann hat man einfach die Nase voll von all diesen Galaabenden mit Ärzten und Krankenschwestern. Da gibt es nur einen Ausweg – es ist an der Zeit, endlich einmal Gimnàstic zu machen!

Der humorige Einstieg in meinen viertägigen Katalonien-Ausflug wäre somit also schon einmal geglückt. Das Lachen bleibt mir dann am Flughafen Schönefeld etwas im Halse stecken, als ich im Zuge einer Umfrage dämliche Fragen beantworten muss. Auf die Frage, wohin die Reise geht, antworte ich wahrheitsgemäß mit „Barcelona“, woraufhin sie, gleichermaßen hübsch wie doof, die Gegenfrage stellt, ob das in Frankreich läge. Es ist schon immer wieder ein schönes Gefühl, wenn man auf echte Experten trifft.

An Bord der RyanAir begrüßt die Kabinencrew auf besonders sympathische Art und Weise ihre neue Kollegin, die heute in ihrer Rolle als Stewardess ihren allerersten Flug hinter sich bringen wird. Leonora steht schüchtern im Mittelgang und winkt beschämt in die Runde. Eine dreiviertel Stunde später kotzt sich der kleine Junge zwei Reihen vor mir die Seele aus dem Leib. Die freundlichen Kolleginnen halten sich dezent im Hintergrund, um den Premierenflug Leonoras für sie zu einem unvergesslichen Erlebnis werden zu lassen. So ist sie die Auserwählte, die mit Putzutensilien und Desinfektionsspray das Malheur in Kooperation mit dem spanischen Kindsvater beseitigen darf. Ach, da kann sie sich wirklich glücklich schätzen, in einem solch tollen Team arbeiten zu dürfen!

Neben mir trägt derweil ein Pärchen seine Beziehungsstreitigkeiten aus. 90 Minuten lang. „Schlimmer als Hitler“, würde der Hoollege vermutlich sagen. Seinen Höhepunkt erreicht die Konversation, als sie ihm zu Beginn des gemeinsamen Urlaubs einen Satz mit auf den Weg gibt, der für die kommenden Tage wenig verheißungsvolles verspricht: „Ich mache mir Sorgen, wie wir miteinander umgehen!“. Ich grinse schäbig in mich hinein und freue mich einmal mehr über meine komfortable Lebenssituation…

… die sich innerhalb der nächsten Stunden alles andere als verschlechtern wird. Gut gelaunt und braun gelockt steht meine Gastgeberin an der Plaça de Catalunya zur Abholung bereit und schlägt erst einmal vor, in einem ihrer Lieblingsläden Burger und Bier zu verkosten. Ach, ich mache mir so überhaupt keine Sorgen, wie wir miteinander umgehen!

Zwar werde ich nie der allergrößte Freund von Craftbeer im Allgemeinen und IPA im Speziellen werden, aber wenn Fetti ein Bier ans Herz gelegt bekommt, das von einem Schwein geziert wird, dann kann man getrost von einem unschlagbaren Angebot sprechen. Der laue Sommerabend klingt zu einer recht humanen Uhrzeit auf ihrem Balkon in La Barceloneta aus, ehe meine nächste Reisenotiz in Form einer Frage nach einigen Stunden Schlaf um 3.30 Uhr in den Notizblock wandert. Ob die gewählte Uhrzeit zur Leerung der Glascontainer wirklich alternativlos ist?

Einen Großteil des nächsten Tages verbringt sie arbeitend im Büro und ich sonnenbadend am Strand. Ach, ich mache mir so überhaupt keine Sorgen, wie wir miteinander umgehen! Aufgrund meines Besuchs im Jahr 2013 (CE Sabadell und FC Barcelona B) kann ich dieses Mal übrigens getrost auf Sightseeing verzichten und mich darauf konzentrieren, die Seele baumeln zu lassen und mich um meine Leberwerte zu kümmern und so heißt das auserkorene Motto am Stadtstrand von Barcelona dank der einen oder anderen Dose Estrella recht schnell: „Bei Vati brechen alle Dämme!“. Den kurzweiligen Abend verbringen wir dann gemeinsam im immer wieder sehenswerten Altstadtviertel Barri Gòtic, wobei wir Zeugen einer Polizeiaktion werden, die beinahe dazu animiert, Mitleid für die überforderten Beamten zu empfinden. Gesucht wird ganz offenbar irgendein Typ mit einem blauen Shirt, was zu diversen erfolglosen Personalkontrollen und Rucksackdurchsuchungen in unserer Sichtweite führt. Ebenfalls beobachte ich einen Obdachlosen, der beherzt im Müll herumwühlt. Nachdem ich meine Gyros Pita (spanisches Essen ist schon etwas feines!) verspeist, mein Hungergefühl eigentlich bereits befriedigt habe und noch immer über eine gut gefüllte Schale Pommes verfüge, entschließe ich mich zu einer guten Tat. Keine 30 Sekunden später hat der Clochard mit einer eindeutigen Geste dankend abgelehnt und mich darauf hingewiesen, dass er so heruntergekommen nun auch nicht ist, um ausgerechnet von mir Essen anzunehmen. Oder aber der spanische Penner an sich isst gar kein Fast Food. Man weiß es nicht.

Am nächsten Tag steht dann die Weiterreise nach Tarragona auf dem Programm. Meine Gastgeberin hat freundlicherweise alle Buchungen und Reiseplanungen übernommen und so stehen wir bereits um 10.30 Uhr am Bahnhof Barcelona Sants. Schnell haben wir eine Sicherheitsschleuse passiert, wie man sie sonst nur von Flughäfen kennt und haben dann bis zur Abfahrt unseres Zuges noch eine gute Stunde Zeit. Und ich dachte bislang immer, ich sei derjenige, der „vernünftige“ Zeitpuffer einplant. Die knapp 100 Kilometer legen wir in einer halben Stunde mit dem Hochgeschwindigkeitszug renfe zurück, dessen Speisekarte ein umfangreiches Sortiment an Weinen und Likören feilbietet, während man dank der geschenkten Kopfhörern spanischer Gitarrenmusik lauschen kann. Als wir den Zug am Bahnhof Camp de Tarragona verlassen, schwant mir angesichts der sandigen Umgebung mit ihren unendlichen Weiten, die sich bestens für einen Spaghetti-Western eignen würde, bereits böses. Ein kurzer Blick auf das Smartphone ergibt: Von hier aus sind locker-flockige 12 Straßenkilometer bis ins Stadtzentrum zurückzulegen und der nächste Bus wird uns in genau 47 Minuten die Ehre erweisen. Wir entscheiden uns, die Weiterfahrt mit dem Taxi anzutreten und stellen dann 30 € ärmer fest, dass unser Hotelzimmer noch nicht zum Check-In bereit steht. Aber angesichts des Sandstrandes in fünf Minuten Entfernung, an dem man die Wartezeit gut überbrücken kann, ist auch dieser Umstand kein Weltuntergang.

Nach dem gelungenen Check-In kehren wir an der wunderschönen zentral gelegenen Plaça de la Font im „El Surtidor“ ein. Nach einer lokalen Brot-Fleisch-Spezialität namens „Pinxo Cochinillo“ und einem Starkbier der Marke „Estrella Voll-Damm Doble Malta“ bei knappen 30° bin ich auf jeden Fall schnell gesättigt und auf dem besten Wege in Richtung Voll-Stramm. Noch stehen drei Stunden bis zum Anpfiff auf der Uhr, doch bereits zu diesem frühen Zeitpunkt ist die Innenstadt von Menschen in roten Trikots gesäumt, die singen, feiern, böllern. Angetrieben von dieser Euphorie begeben auch wir uns überaus rechtzeitig zum Stadion, welches bereits jetzt einem Tollhaus gleicht. Zwar sind die Einlasstore noch verschlossen, doch die Vorplätze über und über mit Menschen geflutet. Überall läuft Musik und das für 1,50 € überaus günstige Stadionbier in Strömen aus den Zapfhähnen. Ganz Tarragona fiebert dem 42. und letzten Spieltag der Segunda División entgegen, an dem die Hausherren als 16. (49 Punkte) heute den 17. (48 Punkte) aus Murcia empfangen. Der erste Abstiegsplatz (19.) wird zur Zeit von Alcorcón (47 Punkte) belegt und einem echten Herzschlagfinale steht nichts mehr im Wege.

Aufgrund der zu erwartenden Abendkühle schlage ich nach dem Erwerb der Eintrittskarten noch schnell im Fanshop zu und nenne fortan eine rote hummel-Jacke mit Clubemblem zum unschlagbaren Preis von 14,99 € mein Eigen. Schon jetzt habe ich mich in Club und Fans verliebt, noch ehe ich das altehrwürdige Stadion von Innen gesehen habe. Das „Nou Estadi de Tarragona“ wurde im Jahr 1972 eröffnet und fasst nach seiner letzten Renovierung im Jahr 2006 aktuell 14.591 Zuschauer. 2006 wurde anlässlich des Aufstiegs in die Primera División auf der Gegengeraden ein weiterer Rang aufgesetzt, um die Stadionkapazität zu erhöhen. Heuer wird das Stadion für die VIII. Mittelmeerspiele flott gemacht, welche ursprünglich bereits in diesem Jahr ausgetragen werden sollten, nun aber aufgrund von Verzögerungen beim Stadionumbau und der allgemeinen wirtschaftlichen Lage im Land erst im Sommer 2018 an diesem Ort samt Eröffnungs- und Abschlussfeier stattfinden werden. Bis dahin haben sie dann sicherlich auch wieder Toiletten im Stadion…

… in welchem wir auf dem neuesten Rang ganz oben Platz nehmen und die wunderbare Aussicht auf (das Spielfeld und) das Meer zu unserer Linken genießen. DJ Kulturschock heizt den Massen mit einem Medley ein, dessen Range zwischen Mariachi-Musik aus dem freundlichen mexikanischen Restaurant von nebenan bis „The Final Countdown“ zu verorten ist. Eine Kindergruppe nimmt direkt hinter uns Platz und weiß wiederum den Gästen aus Murcia einzuheizen. Dank der hervorragenden Spanisch- und Katalanischkenntnisse meiner Begleitung bin ich immer bestens informiert, was um uns herum skandiert wird. Die Kinder fordern jedenfalls lautstark: „Raus aus unserem Land!“ – die politische Früherziehung in Catalunya trägt also offenbar Früchte.

Das Spiel beginnt. Beiden Mannschaften ist die Nervosität angesichts der Tabellensituation deutlich anzumerken. Die Zuschauer auf den Rängen unterstützen ebenfalls eher in einer angespannten Erwartungshaltung, immer mit einem Ohr bzw. Auge auf den anderen Plätze der Liga. Nach 15 Minuten gelingt „Nàstic“, wie die Fans ihren Club liebevoll nennen, der erste Torabschluss. Mit einem sehenswerten Seitfallzieher scheitert Barreiro nur knapp. Einen ersten Rückschlag müssen die Hausherren nach 20 Minuten verdauen, als sie ihren Linksaußen Jean-Luc Gbayara verletzungsbedingt austauschen müssen. Für ihn kommt Lobato, der nach Saisonende zu Kansas City wechseln wird und vermutlich daher nicht unbedingt frenetisch empfangen wird. Gleichzeitig sagt die bis dato kräftig wärmende Sonne Lebewohl, während die Policía zu unserer Rechten die Mauer an der Schnellstraße um 21.00 Uhr von Kiebitzen befreit, welche von dieser gefährlichen Position aus kostenlose Blicke in das Stadion geworfen hatten.

Bis zur Halbzeitpause wird es viele Verletzungsunterbrechungen geben und wenig Spielfluss aufkommen. Den einzig vielversprechenden und temporeichen Angriff lassen die Gastgeber nach 40 Minuten ungenutzt, da das letzte entscheidende Zuspiel in die Spitze auf den kleinen Muñiz nicht ankommt. Den letzten Höhepunkt gilt es in der Nachspielzeit des ersten Spielabschnitts zu notieren, als gleich drei (!) Gästeakteure gleichzeitig verletzt auf dem Rasen liegen. Katalanische Härte!

Nach einer zehnminütigen Standpauke trotten die Gäste des „Universidad Católica de Murcia Club de Fútbol“ (kurz: UCAM) bereits wieder über den Rasen. Die Konkurrenten aus Alcorcón und Almería führen zur Pause und sind aktuell an UCAM vorbeigezogen. Der erst 1999 gegründete Club, hinter dem nur drittklassig spielenden Real Murcia CF eigentlich nur die Nummer 2 der Stadt, droht im kommenden Jahr ein Derby, wenn in der zweiten Hälfte keine deutliche Leistungssteigerung erfolgen wird.

Von unserem neuen Platz fernab der Kindergruppe erleben wir, wie den Hausherren in der 47. Minute nach einem klaren Trikotziehen ein Elfmeter verwehrt wird. Nun kocht das Stadion und der Herr Schiedsrichter wird von „Burro“ bis „Puta“ mit allen Schimpfwörtern belegt, die die spanische Sprache so hergibt. Der Sprachgebrauch gegenüber des Unparteiischen verschärft sich, als dieser in der 73. Minute auf Strafstoß für die Gäste entscheidet. Besonders bitter, dass dieser durch Foulspiel beendete Konter mitten in die erste echte Drangperiode Nàstics hinein gefallen war. In der Zwischenzeit hat Alcorcón auf 2:0 erhöht. Trifft Jona, steht Nàstic auf einem Abstiegsplatz. Jona läuft an, schießt hart und platziert – aber Torwart Manolo Reina ist zur Stelle und sorgt mit seiner Parade für einen unbeschreiblichen Jubelorkan im Estadio.

Nach und nach lösen die Gäste aus Murcia nun ihre Abwehrfesseln und verteidigen luftiger. Es sind nur noch zehn Minuten zu spielen und einzig und allein ein Tor könnte Murcia vor dem Abstieg retten. Doch Torchancen haben nur die rot-weißen Hausherren: Muñiz scheitert auch mit seinem dritten guten direkt getretenen Freistoß, ehe die letzten Minuten zu einer Slapstick-Nummer verkommen. Gleich drei Mal lässt Nàstic glasklare Kontersituationen liegen. Der Stadion-DJ spielt tiefenpsychologisch geschickt „We will rock you!“ ein. Sein Flehen wird von Barreiro in der Nachspielzeit erhört, der zwar die nächste Großchance im 1:1 Duell mit dem Keeper ungenutzt lässt, den Abpraller des Torwarts aber im Liegen per Kopf verwandeln kann. Unnachahmlich. So wie der Jubel der Menschen, die direkt nach Abpfiff den Platz fluten und mit ihren Helden den Klassenerhalt feiern.

Am nächsten Tag kommen wir dann auch endlich in den Genuss, die überaus sehenswerte Stadt Tarragona zu erkunden. Die Altstadt, die Kathedrale, die römischen Monumente, wie z.B. das Amphittheater und der Spaziergang entlang der alten Stadtmauern, der Blick auf den Hafen – all das sind Eindrücke, die dem schönen Stadionerlebnis von gestern Abend in nichts nachstehen. Auf eine Besonderheit der Stadt Tarragona wird in Form einer Plastik, die eine Menschenpyramide darstellt, auf dem Stadtboulevard Rambla Nova hingewiesen. Tarragona ist die Heimat der „Castells“, jenes katalanische Brauchtum aus dem 18. Jahrhundert, welches bis heute zu diversen festlichen Anlässen zelebriert wird und welches darauf beruht, nach vorgegebenen Mustern Menschen aufzutürmen. Die Statue in Tarragona zeigt beispielsweise ein „4de8“, also einen Turm, der acht Ebenen hoch ist und von vier Castellers pro Ebene getragen wird. Weißte Bescheid.

Auch für den Rückweg nach Barcelona habe ich die mir sooft anvertraute Reiseleiterrolle nicht inne und harre der Dinge, die kommen mögen. Schnell steht fest, dass auch der zweite gebuchte Zug nicht aus Tarragona-Stadt, sondern ausschließlich vom Camp de Tarragona abfahren wird. Der Shuttlebus fährt darüber hinaus nicht am Hauptbahnhof, sondern lediglich vom Busbahnhof am anderen Ende der Stadt ab und zwar um 16.00 und um 18.00 Uhr. Den Bus um 16.00 Uhr werden wir nicht erreichen und mit dem zweiten würden wir unseren Zug verpassen. Man kann hier getrost von einem infrastrukturellen Waterloo reden, aber alles lamentieren hilft nichts. Wir kehren im wohl langsamsten „Express-Café“ aller Zeiten in Bahnhofsnähe ein und lassen uns von den vietnamesischen Spaniern Café und Bier servieren, während der Chef des Hauses mit seinem Kartenlesegerät kämpft und eben vermutlich ihr Konto aus Versehen zum vierten Mal belastet hat. Ich übernehme derweil die Reiseleiterrolle und frage mich am Ende der Recherche, warum wir nicht gleich auf den renfe verzichtet haben und für weniger als 10 € mit der Regionalbahn von Barcelona bis Tarragona gefahren sind (58 Minuten Fahrzeit), behalte meine Gedanken aber für mich, damit ich mir für die verbleibenden Stunden keine Sorgen darüber machen muss, wie wir miteinander umgehen.

Nachdem der renfe ohne uns abgefahren und die spontan gebuchte Regionalbahn im wunderschönen Bahnhof Estació de França eingerollt ist, lassen wir den Abend mit 3,7 Milliarden Touristen bei Wasserspielen und tollen Illuminationen am Font Màgica de Montjuïc ausklingen. Die Armee der iPad-Idioten ist aufgezogen, um den beleuchteten Brunnen live samt belangloser Telefongespräche in aller Herren Länder zu versenden. Ich finde Trost im Alkohol und klammere mich an mein „Moritz“, in der Hoffnung, dass dieses Trauerspiel hier bald beendet ist. Ach, war das in Tarragona schön…

Am Tag der Abreise (Montag) klingelt der Wecker aus dienstlichen Gründen bereits um 5.30 Uhr. Es gilt, den ersten Flieger des Tages am Flughafen „El Prat“ zu erwischen. Eine halbe Stunde später flaniere ich dann auch schon bei erstem Sonnenschein zwischen Palmen am Meer entlang und stelle angesichts des angenehmen Arbeitsweges erste Planspiele an, ob ich nicht eventuell zum Berufspendler zwischen Barcelona und Buch werden mag. Aber genauso schnell wie der Gedanke entstanden ist, ist er auch bereits wieder verpufft. Mit dem Sport sollte man es ja auch nicht übertreiben. Und einmal Gimnàstic pro Jahr sollte dann vielleicht auch reichen. /hvg

05.06.2017 Hellerup IK – Vejgaard Boldspilklub 3:1 (1:1) / Gentofte Stadion / 288 Zs.

Nach einem wunderbaren Abend im „Pillen“ in Lillerød/Allerød bereiten wir uns am Frühstückstisch auf das letzte Spiel unserer diesjährigen Dänemarkreise vor. In der Abstiegsrunde der zweiten Division empfängt heute der Hellerup IK das abgeschlagene Tabellenschlusslicht aus Vejgaard. Der Star des Tages steht jedoch bereits im Vorfeld der Partie fest, da die Hausherrin noch heute von einem Konzert des „King of Pop“ im Gentofte Stadion schwärmt, welches sie im Jahr 1992 zusammen mit 30.000 anderen begeisterten Zuschauern erleben durfte. Scheint also eine ordentlich große Hütte mit ausreichend Geschichte zu sein, in der wir heute dänischem Drittligafußball frönen werden.

Doch bevor FUDU dieses Erlebnis zu Teil werden wird, stehen noch einige Dinge auf der To-Do-Liste. Die avisierte sportliche Ertüchtigung scheitert jedoch, da der Pool des Wohnblocks wegen einer Reinigung gleich für fünf Stunden gesperrt bleiben wird. Dafür kann das kurze Musikvideo-Trostprogramm vollends überzeugen und Fetti hat dank des skandinavischen Humors schnell ein neues tierisches Lieblingsvideo. Oder hat etwa irgendeiner von Euch eine Antwort auf die bislang viel zu selten gestellte Frage: What does the Fox say?

Als letzten Tagesordnungspunkt gilt es, die altbewährte Imbissstube in Ballerup vor dem Besuch des Fußballspiels abzugrasen. Der Tacho des Volvo zeigt konstante 0 km/h an, während uns der Fahrer in der Kurve darauf hinweist, dass seine Frau exakt an dieser Stelle einst einen Unfall hatte. Ebenso viel Vertrauen kann man kurz darauf den Lebensmitteln in der Kühltheke entgegenbringen, die die asiatische Smørrebrød-Fachkraft zwecks Mitnahme gekonnt in Butterbrotpapier verstaut. Meine Wahl fällt dieses Mal auf Roastbeef, Skinkesalat und Frikadeller und nur wenig später kann ich die drei belegten Brote in der Nähe des Stadions in Kombination mit gutem dänischen Dosenbier genießen.

Im nebenan befindlichen modernen Funktionsgebäude samt Sporthalle herrscht bereits rege Betriebsamkeit. Attraktive Volleyballstelzen säumen das Ambiente und der Fischkopf lässt es sich nicht nehmen, auf seine Antipathie gegenüber den „rich kids“ aus Hellerup hinzuweisen. Hellerup, Stadtteil der Kommune Gentofte, gilt wohl nicht völlig zu Unrecht als eine der exklusivsten Wohngegenden des gesamten Landes.

Kurz nach dem Verspeisen der letzten Stulle machen wir es dann wie Robin Hood und nehmen es von den Reichen. Den Kassenwart des Gentofte Stadions lassen wir geschickt links liegen und schlüpfen durch einen unverschlossenen Seiteneingang ohne Eintrittszahlung in das Stadion. Ein Blick in das weite Rund sorgt für etwas Ernüchterung. Von dem alten legendenumwobenen Stadion ist nur noch ein Teil der alten Haupttribüne erhalten, die nun, nachdem das Spielfeld offenbar um 180° gedreht worden ist, als Hintertortribüne weiter genutzt wird. Auf der gegenüberliegenden Seite ist das Stadion genauso unausgebaut wie auf der Gegengeraden, wobei man letztere nostalgisch verklärt auch mit der Begrifflichkeit „Naturtribüne“ aufwerten könnte. Das Neubaumonster, das schon von der anderen Seite (bis auf die Volleyballerinnen) ziemlich unansehnlich war, zeigt auch in Stadionrichtung kein schöneres Gesicht und lädt zum schnellen Wegschauen ein. Wahrlich, es fällt ein wenig schwer, sich vorzustellen, wie hier Ende der 80er / Anfang der 90er musikalische Größen wie Genesis, Pink Floyd, Tina Turner, Prince, ZZ Top, AC/DC, Metallica, Guns N‘ Roses, U2 und eben Michael Jackson aufspielen und mehrere zehntausend Menschen dabei Platz finden konnten. Eine schwedische Groundhoppingseite erleichtert dann im Nachgang die bildhafte Vorstellung. Schade, noch gar nicht so lange her und man hätte hier ein schönes Stadion besuchen können…

Das Spiel beginnt. Etwas ist faul im Staate Dänemark – und zwar wir. So entscheiden wir uns, uns mit dem ins Stadion geschmuggelten Dosenbier gepflegt auf dem Grashügel auf der Gegengerade niederzulegen und picknickend ein wenig Fußball zu schauen. Die Atmosphäre auf dem Feld ist stimmungsvoller als auf den Rängen. Hier und heute hört man lediglich die Spieler, wie sie sich gegenseitig lautstarke Kommandos geben und sich verbal anstacheln. Bei den Gästen fällt sogleich ein Stürmer im „Karate Kid“-Outfit auf, der leider bei weitem nicht so cool Fußball spielen kann, wie er aussieht. Nach drei Minuten geht Vejgaard B, wie Kenner den ruhmreichen Fußballclub aus der Nähe Aalborgs nennen, mit 1:0 in Führung, weil sich die Abwehr der Heimmannschaft im Dornröschenschlaf befindet und den Anpfiff der Partie offenbar nicht mitbekommen hat. Folgerichtig erfolgt der Weckruf in Form einiger bläkender Kinder auf der Gegengeraden, die nun laut quietschend die Hügel hinunterrutschen und -rollen und auf diese Weise womöglich ihre Väter auf dem Kunstrasen aufzuwecken versuchen.

Nach 25 Minuten verschläft dann aber auch ganz FUDU den nächsten Höhepunkt der Partie, als Mathias Larsen auf Heimseite mit glatt Rot zu den Volleyballerinnen zum Duschen geschickt wird. Bei Dosenbier auf der Naturtribüne und leckeren Pølse vom Grill kann man den Blick für das Wesentliche aber auch wirklich einmal verlieren.

Zehn Minuten später sind dann aber auch unsererseits wieder alle hellwach. Gästespieler Jonas Højgaard hat das Publikum mit einem markerschütternden Schrei nach einem Foulspiel auf Höhe der Mittellinie aufgeweckt. Noch immer hält der Schrei an, als die Sanitäter das Feld betreten. Højgaard wird nach einigen Minuten Behandlungszeit schlussendlich vom Rasen getragen, an der Seitenlinie abgelegt und mit Eisbeuteln versorgt. Bis zum Schlusspfiff wird er sich keinen Millimeter bewegen. Hier darf getrost von einer schweren Bänderverletzung ausgegangen werden.

In der 41. Minute verpasse ich den Ausgleich durch Carl Lange, da ich mich gerade urinierend in der ruralen Umgebung des Gentofte Stadions befinde, während der von den großen Darts-Turnieren bekannte Mitgröhlsong als Torjingle durch das weite Runde gejagt wird. Verdammt. So einen Anfängerfehler habe ich ja noch nie begangen. Böse Zungen behaupten zwar, ich hätte im Januar 2015 das Freistoßtor von Mohammed Fellah für Esbjerg fB im Testspiel gegen Union in Wittstock/Dosse verpasst, doch diese fotografische Dokumentation sollte ein für alle Mal klären können, dass sich Wildpinkeln und Fußball gucken nicht zwangsläufig immer ausschließen müssen…

… aber kommen wir zurück zum Wesentlichen. In der Halbzeitpause muss unser Fahrer die bittere Pille verdauen, dass er soeben mit seinem Wettschein 200 DKK verloren hat, weil es den „rich kids“ nicht gelungen ist, die erste Halbzeit für sich zu entscheiden. So ist es eben mit dieser sozialen Ungerechtigkeit. Ehe man sich versieht, haben es sich die Reichen auch schon wieder von den Armen zurückgeholt!

Nach einem furchtbar belanglosen Freistoß aus dem Halbfeld, der 30 Meter über das Feld segelt, geht Hellerup in der 66. Minute durch einen Kopfball von Kristoffer Wichmann in Führung. 12 Minuten später erhöht Jonas Rasmussen mit einem Traumtor aus knapp 40 Metern auf 3:1. Noch während Torwart Sandberg Nielsen dumm aus der Wäsche guckt, nickt FUDU anerkennend. Seinen zweiten Namen „Hebo“ hat sich Rasmussen nach dieser gelungenen Aktion redlich verdient.

Dieser wunderbare Schlussstrich unter unserer Fußballreise bringt uns im Folgenden dermaßen aus dem Konzept, dass wir vollkommen euphorisiert den direkten Rückweg zum Flughafen antreten und unser eigentlich geplantes Hellerup-Sightseeing in der Aufregung komplett vergessen.

Die Tuborg-Brauerei, benannt nach dem Landsitz „Thuesborg“, der 1690 von Jonas Thue auf dem Stadtgebiet errichtet worden war, wurde 1873 in Hellerup gegründet. Bis 1979 wurde vor Ort Bier gebraut, ehe der Carlsberg-Konzern Tuborg aufkaufte und die Produktion verlagerte. Die einstige Brauerei fungiert heute als Museum, welches man hätte besichtigen können und auch das eigentliche Highlight, die „Tuborgflasken“, einen 30 Meter hohen Aussichtsturm in Bierflaschenform, lassen die FUDU-Flaschen in ihrer Eile links liegen.

An Bord der easyJet lenkt sich FUDU von diesem Fauxpas ab, indem der sympathischen sächsischen Jule ein eigener Song gewidmet wird. Aber der Spaß rund um „Fußraum-Jule“ ist schnell im Keim erstickt, da Nadjuschka mahnend an die „Keine-Dialekte-Regel“ erinnert und schon liegt der Fokus wieder auf dem Flasken-Fiasko. Klar, dass man diesen peinlichen Fehler schnellstmöglich korrigieren und noch einmal nach Dänemark zurückkehren sollte. Höchstwahrscheinlich im kommenden Jahr im Mai. Dann steigt ja schließlich auch schon wieder das nächste langweilige Champions League Finale. /hvg

04.06.2017 FC København U19 – Brøndby IF U19 1:2 (1:1) / Parken / 120 Zs.

Am 04.06.2017 meint es der dänische Spielplan nicht sonderlich gut mit uns. Es finden schlicht und ergreifend keine Partien in unserem Umfeld statt. Wobei der Hinweis darauf nicht fehlen darf, dass der Viborg FF heute Helsingør in gerade einmal 327 Straßenkilometern Entfernung zur Aufstiegsrelegation empfangen wird. Konkretisieren wir im Sinne des Autofahrers also: in unserem näheren Umfeld.

So ruhen unsere letzten Hoffnungen auf dem ewig jungen Derby Dänemarks. In der Nachwuchsrunde lassen die beiden Großclubs aus Kopenhagen und der Agglomeration heute ihre Minderjährigen aufeinander los. Alle anderen zehn Teams der Liga haben in den vergangenen Tagen ihre Saison bereits beendet und so ergibt sich die Gelegenheit, das Saisonabschlussspiel der „U19 Drenge Ligaen“ zwischen dem FC København und Brøndby IF beiwohnen zu können. Der FCK wird die Saison als Tabellendritter beenden, ganz egal, wie das Spiel ausgehen wird, während der Gast noch zwei Tabellenplätze gutmachen und auf den siebenten Rang vorschnellen kann. Da ist Spannung vorprogrammiert!

Lange Zeit bleiben wir jedoch im Ungewissen darüber, ob wir diese Spannung auch live im Stadion miterleben können werden. Trotz umfangreicher Recherche und recht passabler Dänischkenntnisse unserer dänischen Gastgeber gelingt es nicht, herauszufinden, an welchem Ort das Spiel stattfinden und ob es unter Einbezug der Öffentlichkeit ausgetragen wird. Auf gut Glück machen wir uns dann etwas skeptisch auf den Weg ins „Parken“, welches auf einem Fußballportal tatsächlich als Austragungsort genannt wird.

Mit ein wenig Dosenbier im Turnbeutel streunen wir kurz darauf um das dänische Nationalstadion mit 38.076 Sitzplätzen herum. Noch deutet nicht sonderlich viel darauf hin, dass hier in wenigen Minuten ein Fußballspiel von A-Jugendlichen angepfiffen werden soll. Kurz vor der Aufgabe entdecken wir dann aber einen Ordner, der durch die Katakomben der Arena schleicht und offenbar irgendetwas bewachen soll. Nach einem kurzen dänischen Smalltalk heißt es für FUDU dann „herein spaziert“ und wir nehmen Platz auf der geöffneten Tribüne.

Ein Mitglied der FUDU-Außenstelle Dänemark verlässt selbige aber direkt wieder, um mit dem Trainer der U19 Brøndbys an der Außenlinie zu fachsimpeln. Dieser ist niemand geringeres als Aurelijus „Auri“ Skarbalius, seines Zeichens ehemaliger litauischer Nationalspieler und mit 153 Einsätzen in 10 Jahren für „gul og blå“ eine wirkliche Brøndby-Koryphäe. Aber wer könnte schon einen Austausch mit einer Brønshøj-Legende ausschlagen. Bildunterschrift: Ein Fußballexperte und ein Mann aus Litauen. Oder, wie Kenneth Anger es später zusammenfassen wird: „I only see two Gingers“!

„Auri“ weiß übrigens zu berichten, dass auch er als Cheftrainer seiner Jungs häufig nicht genau informiert ist, an welchen Orten die Spiele stattfinden werden. Mal würden die Partien im Stadion, mal auf Nebenplätzen, mal mit, mal ohne Zuschauer ausgetragen werden. Wir haben jedenfalls das größtmögliche Glück in dieser Lotterie, während bei dauerhaftem Nieselregen das letzte Spiel der Saison freigegeben wird.

Dieses verläuft auf einem technisch überaus ansprechenden Niveau. Hier sitzt jeder Pass und jeder noch so weit über das Feld geschlagene Diagonalball erreicht sein Ziel. Beide Mannschaften preschen mit schönen Kombinationen, ansprechendem Tempo und einem gewissen Offensivdrang in Richtung des gegnerischen Tores. All dies kann aber auch nur in dieser Perfektion gelingen, weil so gut wie keine Zweikämpfe geführt werden und auf den jeweils ballführenden Spieler keinerlei Druck entfacht wird. Am letzten Spieltag der Saison mag sich niemand mehr weh tun, während in Esbjerg längst die Sektkorken knallten und die Meisterfeierlichkeiten mutmaßlich bereits beendet sind.

Während die Akteure auf dem Rasen also den Kampf um die goldene Ananas ausfechten, wendet sich FUDU seiner „Golden Lady“ zu und lässt nach einem wunderbaren Solo Bier trinkend den Namen „Carlo Holse“ auf den Notizblock wandern. Keine zehn Minuten später hat eben jener Holse den FCK nach einem Angriff vom Reißbrett mit 1:0 in Führung gebracht. Nach einer knappen halben Stunde misslingt einem gedanklich bereits im Sommerurlaub befindlichen FCK-Akteur ein Rückpass aus dem Mittelfeld völlig, sodass Verteidigerkollege Sahin derart in Bredouille gebracht wird, dass er nicht mehr retten kann, ohne auf ein Foul zurückgreifen zu müssen. Den fälligen Strafstoß verwandelt Oliver Carrara sicher.

In der zweiten Halbzeit lässt die Qualität des Spiels nach, nicht aber der konstant fallende Nieselregen. 120 Zuschauer, darunter leider keine Angehörigen der Ultraszenen beider Clubs (man wird ja wohl noch träumen dürfen…), erleben den letzten Höhepunkt der Partie in der 50. Minute, als Andreas Bruus die Gäste mit 2:1 in Führung bringt. Anschließend plätschert das Spiel derart ereignislos vor sich hin, dass sich der Hoollege in Ruhe der Recherche widmen kann, wie sich die wichtigste Nachwuchsmannschaft Unions in Magdeburg im Kampf um den Aufstieg in die Fußball-Bundesliga geschlagen hat. Die Einwahl in das Wi-Fi geht leicht von der Hand, sind die Zugangsdaten schließlich noch vom letzten Besuch des Parken gespeichert (2015 gegen Hobro, Bericht wird irgendwann sicherlich in der Rubrik „Der klassische Fetti“ veröffentlicht). Die Komplikationen folgen dann im Anschluss, denn so leicht sind keine Zwischenstände aus der A-Jugend-Regionalliga zu finden. Nach 88 gespielten Minuten hebt er den Blick von seinem Display. „Das Spiel findet erst in einer Woche statt. Und wie steht’s hier?“

Noch immer 1:2. Und nichts verpasst in der letzten halben Stunde. Nachdem auch die letzten beiden Minuten verstrichen sind, werfen wir einen Blick in die Gänge der Arena.

In diesen sieht es aus, wie es nach einer guten Party eben so aussieht. Vor drei Tagen hatten Depeche Mode im Parken ein Konzert gespielt und ganz offensichtlich hat sich seitdem niemand bemüßigt gefühlt, hier einmal feucht durchzuwischen. Pappkartons und Plastikmüll liegen in einer knöcheltiefen Popcornlache, durch die FUDU nun in Richtung Versorgungsstand stakst. Dieser ist nicht verschlossen und der Hoollege wäre nicht der Hoollege, wenn er sich unbeobachtet nun nicht am Zapfhahn ausprobieren würde. Und siehe da, auch die Bierfässer zeigen sich einsatzbereit und da freundlicherweise auch Pappbecher zur Befüllung bereitstehen, gibt es nun Bier auf’s dänische Haus. Leider fehlt zum perfekten Verbrechen etwas Kohlensäure, sodass lediglich ein kleiner Becher in Fettis Schweinemagen wandert. Klauen ist zwar super, aber ein gewisser Qualitätsanspruch sollte dabei stets gewahrt bleiben!

Den Nachmittag lassen wir dann nach einem kurzen Sightseeing-Programm („Chlamydia Castle“) in einer Kneipe in der Innenstadt ausklingen. Bei gerade einmal 7,50 € pro Bier bereitet es besonders große Freude, die Relegationspartie zwischen Viborg und Helsingør am Bildschirm zu verfolgen. Hätte man doch bloß auf Kohlensäure verzichtet. Große Freude haben wir aber damit, dass sich die Kneipentür von Innen nur schwer öffnen lässt und der eine oder andere Trinker nach dem zweiten gescheiterten Öffnungsversuch reumütig an den Tresen zurückkehrt. Der italienische Freund unseres Gastgebers serviert uns derweil ein Gesöff namens „Gammel Dansk Bitter“ und macht sich fortwährend über den Klang der deutschen Sprache lustig. Am Ende gelingt dem FC Helsingør der Aufstieg in die Superliga. Da lässt sich FUDU nicht lumpen und schafft ebenfalls das Unmögliche: Die Kneipe durch die Tür verlassen, noch bevor es Nacht geworden ist! /hvg

03.06.2017 Vanløse IF – Hillerød Fodbold 5:2 (2:0) / Vanløse Idrætspark / 250 Zs.

Jedes Jahr sieht der Rahmenterminkalender der UEFA ein Wochenende vor, welches für die Finalpartie der Champions League reserviert ist. Ganz Europa fiebert diesem Spiel entgegen, nur einige wenige verspüren weniger Interesse am Stelldichein der ganz Großen. Dennoch bedeutet dieses Wochenende seit nunmehr drei Jahren auch für FUDU Anlass zur Freude, da der Weg zum „Coupe des clubs champions européens“ stets über Dänemark führte. Und während sich mein Bianconeri-Bruderherz auf der Reise nach Cardiff befindet, um Juventus das zweite Mal in den vergangenen drei Jahren live in einem Endspiel um den wichtigsten Titel des europäischen Vereinsfußballs im Stadion sehen zu können, sitzt FUDU am Freitag Abend in einer Maschine der Norwegian und schwebt in Feierabendbierlaune gen København Lufthavn. Noch über den Wolken freuen wir uns bereits auf den dritten Gastgeber in drei Jahren und darauf, dass wir auch dieses Jahr abermals einen Vorort Kopenhagens kennenlernen dürfen werden. Das Motto des Jahres 2017 ist schnell auserkoren: Alle in Rød nach Allerød!

In gewohnter Routine steht Kenneth Anger am Flughafen mit seiner Familienkutsche bereit und beruhigt sich und uns mit dänischen Kinderliedern auf der Überfahrt ins 30 Kilometer entfernte Allerød. Unser Gastgeber und der Fischkopf empfangen uns dort mit gutem dänischen Dosenbier in unserer Bleibe für die kommenden Tage. Wir inspizieren den Kellerraum, in dem wir nächtigen werden und sind kurz darauf voll des Lobes. Schöner kann man kaum übernachten als an einer Theke inmitten von Liverpool-Trikots und anderer Fußball-Devotionalien. Besonders angetan hat es uns, dass es das 1.FC Union Berlin Trikot, welches sich Ginger Spice bei seinem Besuch des Stadions An der Alten Försterei käuflich erworben hatte, sogar hinter Glas geschafft hat. Noch immer schwärmt der Fan britischen Fußballs und Assistenztrainer der Altherrentruppe der „Brønshøj Bees“ von seinem Ausflug nach Berlin, der Atmosphäre im Stadion, das Drumherum und sowieso. Schön, dass er nun aus Dankbarkeit über dieses Erlebnis zum weltbesten Gastgeber avanciert. Nachdem das letzte Tuborg geleert und die letzte Schlacht an der Dartsscheibe geschlagen ist, endet der Anreisetag zu einer recht humanen Uhrzeit in der Horizontalen.

Nach einem ausgiebigen Frühstück am nächsten Morgen steht dann auch bereits das erste Fußballspiel des Wochenendes auf dem Programm. In der 25. Runde der „Danmarksserien Pulje 1“ empfängt heute Vanløse IF den Fußballklub aus Hillerød. In der Saison 1974/75 startete der heutige Gastgeber als amtierender dänischer Pokalsieger im Europapokal der Pokalsieger und scheiterte in der ersten Runde denkbar knapp (0:4, 1:4) an SL Benfica. In der Gegenwart ist man in der Viertklassigkeit angekommen und heute laut der Wettbüros leichter Favorit, obwohl der Gast aus Hillerød momentan von der Tabellenspitze grüßt.

Der Vanløse Idrætspark liegt im gleichnamigen Stadtteil im Westen der dänischen Hauptstadt. Freunde statistischer Daten kommen bei einem Blick auf Wikipedia vollends auf ihre Kosten, wird man dort schließlich darüber aufgeklärt, dass Vanløse lediglich 37.115 Einwohner zählt und damit der bevölkerungsmäßig kleinste Stadtteil Kopenhagens ist. Besorgten Bürgern geht wiederum das Herz auf, dass laut Statistikamt der Kommune Kopenhagen der Anteil ausländischer Einwohner in Vanløse bei lediglich 10,5% liegt und dies den niedrigsten Wert aller zehn erfasster Stadtteile der Hauptstadt darstellt. Super. Und ausgerechnet an diesem klinisch reinen Hort der Glückseligkeit schleppt unser dänischer Gastgeber heute gleich drei verwahrloste Ausländer mit in ein Fußballstadion. FUDU sorgt für Überfremdung!

Um nicht weiter negativ aufzufallen, zahlen wir brav unsere 50 Kronen Eintritt und erhalten – wie in Dänemarks unteren Spielklassen üblich – eine belanglose Kinoabrisskarte für die Sammlung daheim als Souvenir. Im Stadion begutachten wir die massive Haupttribüne und stellen am hinteren Ende dieser fest, dass man das Stadion auch einfach durch einen offen stehenden Seiteneingang ohne Eintrittszahlung hätte betreten können. Fünf Kinder haben mit ihren Fahnen Position bezogen und werden hier wohl gleich die quietschende Imitation eines Fanblocks zum Besten geben. Wir bewundern die rudimentär erhaltenen Reste der Hintertortribüne, ølen unsere Stimmen vor dem kleinen Kiosk und nehmen dann unsere Plätze auf der Gegengerade ein. Wir wundern uns über den etwas sonderbaren Haufen „Hipster-Ultras“ neben uns, die in genau diesem Erscheinungsbild soeben auch aus einem Café in Berlin-Friedrichshain hätten fallen können. Ein Graffito auf der Auswechselbank der Gäste heißt selbige herzlich willkommen und kurz darauf wird das Spiel auch schon angepfiffen.

In der ersten Viertelstunde hat sich der Trainer der Gastgeber ein Opfer herausgepickt. Matthias Møller Thomsen macht auf seiner rechten Verteidigungsseite nach Meinung Jesper Holdts aber auch nun wirklich gar nichts richtig und so wird er folgerichtig konsequent im drei-Minuten-Rhythmus gemaßregelt. Und wahrlich, der Gast aus Hillerød kann durch seinen schnellen linken Mittelfeldspieler recht viel Druck über die durch Thomsen zu verteidigende Seite entfachen. Irgendwann hat Holdt seinen Verteidiger dann aber sortiert und es kehrt Ruhe an der Außenlinie ein.

Das Spiel ist „intense and even“, wie unser Local knallhart auf den Punkt bringt und da sich diese Ausgeglichenheit nicht nur zwischen den Strafräumen abspielt, sondern auch durch gleich viele Torchancen auf beiden Seiten statistisch messbar wird, darf man getrost von einem unterhaltsamen Fußballnachmittag sprechen.

Die Gäste hätten nach einer halben Stunde die Führung allerdings verdient gehabt, doch zwei Mal vereitelt Keeper Krogh in allerhöchster Not und ein Mal bewahrt der Querbalken Vanløse vor dem Rückstand. Holdt holt sich seinen Stürmer Jack Castelijns für die Übermittlung taktischer Anweisungen an die Außenlinie, an der die eingekehrte Ruhe aber gewahrt bleibt: Castelijns ist gehörlos und wird nun in Gebärdensprache gecoacht.

Nach 40 Minuten verwertet Nicolai Johansen eine Ecke per Kopf zum 1:0 – in einer Phase, in der der Gast doch etwas die Dominanz über das Spiel gewonnen hatte. Nur vier Minuten später schließt der Niederländer Castelijns einen schnell vorgetragen Angriff zum 2:0 ab und Trainer Holdt ist offensichtlich sehr stolz auf seinen Schützling, der während der taktischen Anweisungen sehr genau zuge…schaut haben muss. Die „Hipster-Ultras“ zünden eine Konfettikanone und versorgen sich dann in der Pause mit ihren Versorgungsbons von der Rolle (zwei Meter zwei Mark!) mit neuem Carlsberg, während einer ihrer Kollegen bereits ein grundsolides Nickerchen am Fahnenmast hält.

FUDU und der Däne bewundern in der Halbzeitpause hingegen das großartige Stadionheftchen, in dem gleich zwei freundliche Funktionäre der Hausherren mit Augenfehlstellungen aufwarten. Schon praktisch, wenn man über Scouts verfügt, die beide Außenbahnspieler gleichzeitig beobachten können. Den Rest der Pause nutzt Ginger Spice, um seine vergessenen Zigaretten aus dem Auto holen und durch den Seiteneingang zurück in das Stadion schlüpfen zu können. Der Toilettenbesuch wird mit der Randanekdote ausgeschmückt, dass der Idrætspark über kein fließendes Wasser verfügt. Nur logisch, da sich Vanløse angeblich mit „wasserlos“ übersetzen lässt.

Die Zuschauerzahl ist aufgrund des „Tags der Offenen Tür“ ebenfalls nicht ganz wasserdicht wiederzugeben. Internetartikel lokaler Sportportale sprechen von 300 Zuschauern, doch die „BT“ berichtet von lediglich 250 Zuschauern. Da ich ein großer Freund der Boulevardberichterstattung bin, darf diese Zahl als gesetzt angesehen werden.

In der zweiten Halbzeit brennen die Akteure ein derartiges Feuerwerk auf dem grünen Rasen ab, dass der Konfettikanone der „Hipster-Ultras“ der Saft ausgehen wird. Zunächst verkürzen die Gäste auf 1:2, da dem ansonsten starken Keeper Krogh ein Ball unter dem Körper hindurch rutscht (65. Minute). Nur sieben Minuten später bestraft Castelijns die viel zu weit aufgerückten Gäste, die bereits frühzeitig die Abwehr aufgelöst hatten, indem er einen zwei auf null Konter souverän zum 3:1 abschließen kann. Doch noch geben sich die Gäste nicht geschlagen und so fällt nach 83 Minuten nach einer Freistoßflanke aus dem Halbfeld der Anschlusstreffer durch Jojo Quarm. Erneut entscheidet sich Hillerød dafür, „alles oder nichts“ zu spielen und nur zwei Minuten nach dem Anschlusstreffer jubelt Andersen über seinen geglückten Abschluss zum 4:2. Während ihm zu Ehren dieses Tores noch einige letzte Krümel Konfetti zu Teil werden, muss Andersen das mit Abstand schönste Tor des Tages in der 90. Minute zum 5:2 ohne optische Begleitung feiern. Kanone leer, koan Fetti! Gut so, schließlich duldet Fetti keine anderen Fettis neben sich.

Am Abend sitzen wir dann alle in rød in Allerød und genießen ein BBQ im Garten, welches durch ein besonders hübsches Jubiläumspils deutlich aufgewertet wird. Vor 25 Jahren besiegte die dänische Nationalmannschaft das „auf Jahre unschlagbare“ DFB-Team mit 2:0 im Finale von Stockholm. Klar, dass so ein Bier doch gleich besonders gut schmeckt. Deutschland, Du Opfer!

Das Championsgedöns in Cardiff entscheidet derweil Real mit 4:1 für sich. Während sich mein Bruder enttäuscht mit dem Bus von Cardiff nach London quält und zu allem Überfluss auch noch in eine Terrornacht gerät, bettet sich FUDU irgendwann glücklich an der Theke der Kellerbar. Und wenn sie nicht gestorben sind, träumen sie sicherlich noch heute von einem nächsten großen Fußballabend in einem Kopenhagener Vorort. /hvg

27.05.2017 SC Eintracht Miersdorf/Zeuthen – Werderaner FC Viktoria 1920 1:1 (0:0) / Sportplatz Wüstemarker Weg / 103 Zs.

Es ist der 27. Mai 2017. Gut 60.000 Gäste strömen heute zusätzlich nach Berlin, um am Abend dem DFB-Pokalfinale zwischen Borussia Dortmund und der SG Eintracht Frankfurt beiwohnen zu können. Als wäre dies allein nicht schon Elend genug, findet in diesem Jahr auch noch der Deutsche Evangelische Kirchentag vom 24.-28.05. Mai in Berlin und Wittenberg statt und spült weitere 180.000 Menschen in die Hauptstadt. Am Bahnhof Ostkreuz mischen sich dann auch sogleich schwarz-gelb gekleidete Borussen und Adlerträger, doch die orangenen Schals der Kirchentagsjünger wissen sogar die Farbkombinationen der Fußballfans zu dominieren. Es darf getrost die Frage in den Raum gestellt werden: Wann hat man zuletzt so viele Ottos auf einem Haufen gesehen? Während die Finalkutten also die Bars in Beschlag nehmen und die Ulrikes und Sörens mit ihren beigen Kleidungsstücken und Backpacks die Hostels fluten, lösen sich Günter und ich schleunigst ein Kategorie-C-Ticket. Wenn ihr alle in die Stadt kommt, dann fahren wir halt hinaus. Oder: FUDU crosst den Kirchentag!

Genaue eine halbe Stunde später haben wir tiefenentspannt den menschenleeren S-Bahnhof Zeuthen erreicht. Die nächste halbe Stunde unseres Lebens kommt dann schon etwas beschwerlicher daher, da der 2,1 Kilometer lange Fußweg zum Freibad Miersdorfer See bei 26,4 Grad Celsius ohne Wegbier in der Hand doch etwas weniger leicht von selbiger geht, obwohl in Form der Miersdorfer Dorfkirche und des sowjetischen Ehrenfriedhofs gar noch zwei echte Sehenswürdigkeiten am Wegesrand liegen und zur Rast einladen. Der recht vielversprechende Auftakt in diesen Samstag setzt sich fort, als FUDU in Erfahrung bringt, dass das Freibad ohne Gegenleistung in Form einer Eintrittszahlung betreten werden darf und man hier noch freundlich von einem Bademeister in Empfang genommen wird. Das Freibad ist überraschend leer, der Strand sauber, die Wiese gepflegt, das Seewasser kristallklar. Kennt man ja so aus Berlin gar nicht. Günter und ich bringen dann etwas Hauptstadtflair in die kleinbürgerliche Provinz, indem wir erst einmal direkt gegen die einzige sichtbar aushängende Regel des Freibades verstoßen und wir unsere soeben am Kiosk erworbenen Glasflaschen auf der Wiese öffnen und konsumieren. Wochenendrebellen!

Nebenan hat es sich soeben eine osteuropäische Schönheit in Begleitung eines älteren Herren auf der Wiese bequem gemacht. Klar, dass es bei 27 Grad nicht lange dauert, bis sie so unbekleidet wie gemeinhin gesellschaftlich akzeptiert ist und klar, dass FUDU dies angesichts der enthüllten Argumente nur gut heißen kann. Schnell setzt jedoch eine gewisse Unsicherheit ein, da das Alter der jungen Dame nur sehr ungenau zwischen 13 und 22 taxiert werden kann und der glatzköpfige Kerl mit dem behaarten Rücken neben ihr womöglich gar ihr Vater ist. Da auch Günters Minderjährigen-App, seine eigentlich bahnbrechende Erfindung im Umgang mit betrunkenen Touristinnen in Paceville, heute keine klare Auskunft zu geben vermag, brechen wir den Augenkontakt ab und blicken stattdessen etwas neidisch auf die beiden (noch älteren) Herren am anderen Ufer des Sees. Mit ihren Ferngläsern dürften die beiden neben Wildvögeln mutmaßlich noch das eine oder andere schöne in den Fokus genommen haben…

Unser Fokus liegt kurz darauf jedenfalls auf der Partie SC Eintracht Miersdorf/Zeuthen gegen den Werderaner FC Viktoria in der Brandenburgliga. Heute empfängt der 13. der Tabelle den 11. und beide Mannschaften sind drei Spieltage vor Schluss noch nicht komplett vor einem Abstieg aus der fünfthöchsten Spielklasse gerettet. Der Sportplatz Wüstemarker Weg befindet sich nur 500 Meter vom Freibad entfernt und kann für 4 Euro betreten werden. Wer das schicke Stadionheft sein Eigen nennen mag, wird um eine kleine Spende gebeten. Das Bier läuft bereits aus der Zapfanlage, der Grill qualmt, es riecht nach Fußball. Durch Zufall treffen wir auf einen uns bekannten Unioner, der uns nicht ohne Stolz sogleich die Besonderheiten seines Heimatvereins nahe legt. Er erzählt von der Fusion Eintracht Miersdorfs mit der SG Zeuthen im Jahre 1991, nicht müde werdend zu betonen, dass man sich vor der Wende nie mit dem „Stasiclub“ aus der Nachbarschaft verstanden hatte. Gemeinsam unternehmen wir einen kleinen Rundgang durch die liebevoll gestaltete Sportanlage, welche seit 2001 dank des Engagements eines handwerklich begabten Fußballfreundes gar über eine kleine Tribüne mit 250 ausrangierten S-Bahn-Sitzen verfügt. Fußball an der Basis kann einfach immer wieder so viel Spaß bereiten.

Das Spiel beginnt. Die Sonne ballert ohne Erbarmen in die Gesichter der 103 zahlenden Zuschauer und natürlich auch auf die schwitzenden Akteure auf dem Rasen. Ballholer gibt es heute leider keine und auch die Fangnetze hinter den Toren weisen einige löcherige Stellen auf, sodass die ohnehin schon leidenden Spieler den einen oder anderen zusätzlichen Meter machen müssen, um den Ball im Spiel zu halten. Der SC Eintracht nimmt das Heft des Handelns in die Hand und kommt in der ersten Hälfte gleich zu drei guten Torgelegenheiten (3., 13., 26.), wobei das Spiel nach einer halben Stunde beinahe durch Suchacek auf den Kopf gestellt worden wäre, doch scheitert dieser nach einem Eckstoß an der Querlatte.

In der Halbzeitpause genießen wir den dörflichen „Gossip“ am Bierstand. Wer hätte das gedacht, dass Svenni jemals mit 1,6 Promille auf dem Rad erwischt wird. Kaum haben sich die „Oldtras“ über den Fahrrad fahrenden Jungspund zu Ende lustig gemacht, beginnt auch schon die zweite Halbzeit, welche wir im Kern der Edelfans von der Gegengerade aus erleben wollen.

Es dauert keine zehn Minuten, bis sich diese Entscheidung des Platzwechsels in Gänze auszahlt. SCEMZ-Verteidiger Klatt trifft bei dem Versuch, den Ball aus dem eigenen Sechzehner zu schlagen, leider mehr Gegenspieler als Spielgerät und so entscheidet der Schiedsrichter folgerichtig auf Strafstoß für die Gäste. Eine Entscheidung, mit der die „Oldtras“ jedoch alles andere als einverstanden sind und welche nun durch sie lautstark und vehement angezweifelt wird. Gästetrainer Thoß, der schon im ersten Spielabschnitt mit unsinnigen Bemerkungen vom Spielfeldrand aufgefallen war, traut indes auch seinem Elfmeterschützen kein selbstständiges Denken zu und coacht geschickt: „Mach‘ den jetzt, Flo!“.

Wenige Sekunden später hat der Bitzka Flo ihn gemacht und sicher zum 0:1 verwandelt. Kapitän Klatt brennt nun auf Wiedergutmachung und avanciert zum besten Spieler auf dem Platz. In feinster „Aggressive Leader“-Manier pusht er sich selbst und seine Mannen nach vorne. Glück hat er, als er auf Höhe der Mittellinie mit einer knackigen Grätsche ein markiges Zeichen setzt und nur mit viel Dusel einer gelb-roten Karte entgeht. Mit dieser Entscheidung zeigen sich die „Oldtras“ einverstanden. Kurz darauf bringt das Trainergespann Schröder/Schröder auf Heimseite Christian Semke ins Spiel. Drei Minuten später erhält dieser in aussichtsreicher Position den Ball, schlägt mit dem rechten Fuß ein Luftloch, um ihn direkt im Anschluss in einer fließenden Bewegung mit links zu verwandeln. Der Jubel ist groß, doch Semke zwiegespalten, der nun im allgemeinen Freudentaumel die Verantwortlichen auf der Bank mit bundesligatauglichen Gesten auf seine Unzufriedenheit aufmerksam macht.

Die letzte halbe Stunde des Spiels verläuft ausschließlich in eine Richtung. Die Eintracht will den Dreier und heute den Klassenerhalt sichern. Francois Mbiakop Kamga und Edeljoker Semke lassen beste Chancen auf den Siegtreffer ungenutzt, doch der Druck auf den Werderaner FC lässt nicht nach. In der 90. Minute kulminiert dieser und im Strafraum der Gäste kommt es zur Explosion. Foulspiel, Elfmeter. Die Chance zum Klassenerhalt liegt auf dem Silbertablett, doch das Trainergespann Schröder/Schröder begeht einen Anfängerfehler und vergisst, im entscheidenden Moment zu coachen. Nils Reichardt läuft an – und vergibt. Hat ihm ja auch keiner gesagt, dass er ihn machen soll.

Wenig selbstkritisch geben die Schröders später zu Protokoll, dass man nun in den verbleibenden zwei Spielen sechs Punkte holen müsse und weiter hart dafür arbeiten würde. Auf dem Rückweg in die Stadt kommen uns erste orangene Schals entgegen, welche nun schon vor dem Ende des Kirchentags wieder in ihre Dörfer verschwinden. Aber das kann für das hochgradig empathische FUDU aktuell keinen sonderlich großen Grund zur Freude darstellen, denn auf Eintracht Miersdorf kommen harte Zeuthen zu! /hvg

20.05.2017 1.SC Feucht – ASV 1860 Neumarkt 0:1 (0:0) / Waldstadion / 150 Zs.

Mai 2017. Der letzte Spieltag der zweiten Fußball-Bundesliga steht vor der Tür. Leider (?) hat der 1.FC Union Berlin seine Chance verpasst, in die Beletage des deutschen Fußballs aufzusteigen. Trotzdem fiebern Fetti und seine Freunde dem Ausklang einer gelungenen Saison erwartungsfroh entgegen. Und das bereits seit einem dreiviertel Jahr.

Dort begab es sich nämlich, dass mein rumänischer Kassenwart die Weichen für ein Sahnehäubchen zum Saisonabschluss legen konnte. Ein Hotelportal hatte mit der unschlagbaren Werbeaktion geködert, noch bis Ende des Jahres 2016 eine Hotelbuchung vorzunehmen, um als Gegenwert zwei geschenkte Nächte in einem „Hotel ihrer Wahl“ zu erhalten. Als „clever“ darf sich derjenige bezeichnen, der kurz darauf ein Zimmerchen in Kroatien mietet, auf den Eingang der automatisiert erstellten Gutschein-Aktionsmail wartet und dann die Kroatenkammer wieder storniert.

Einige Tage später flattert mir der Haken an der Gutscheinaktion in Form einer weiteren E-Mail ins Haus. Von zwei Nächten in einem „Hotel ihrer Wahl“ war die Rede, nicht aber davon, dass das Portal eine Vorauswahl stellen wird. So gehe ich genüsslich die Liste der 20 Hotels durch, die für die gratis Übernachtungen in Frage kommen. Ausschließlich Bumsdörfer am Arsch der Heide, die vermutlich vier Buchstaben auf dem KFZ-Kennzeichen führen, sind auf dieser aufgezählt. Fetti sieht sich vor seinem inneren Auge die Liste bereits zerknüllen und den rumänischen Kassenwart um die Ohren schmeißen, als dank des Hotels Nummer 18 große Freude ausbricht. Es steht auch ein Hotel in Fürth zur Auswahl! Zwar auch ein Bumsdorf am Arsch der Heide, aber wenigstens eines, das man im kommenden Jahr eh besuchen muss.

Nun schreiben wir also den 19.05.2017. In Berlin tobt das Fest der Nachbarn. Ich muss eigentlich bis um 21.00 Uhr arbeiten, mein Zug nach Fürth wird den Berliner Hauptbahnhof um 19.27 Uhr verlassen. Aufmerksame Beobachter stellen bereits jetzt fest, dass es logistische Hürden zu überspringen gilt. Dank eines ausgeklügelt vorgetragenen Vorwands verlasse ich die Veranstaltung frühzeitig und sitze kurz darauf gemeinsam mit einer Kindergruppe in dem ICE nach Nürnberg und führe ein angenehmes Gespräch mit zwei Jungen, die sich auf dem Weg zu ihrer Klassenfahrt befinden. Naja, so komm‘ ich wenigstens auch heute auf meine Arbeitszeit.

Günter ist aus Malta in der Zwischenzeit sanft und sicher im Nürnberger Dürerbunker gelandet. Aufgrund der fortgeschrittenen Uhrzeit kann uns in unserem geschenkten Hotel heute Abend leider niemand persönlich empfangen. Im Vorlauf der Reise war allerdings per E-Mail verabredet worden, den Zimmerschlüssel in einem Geheimfach für uns zurückzulegen. Nun tigert Günter also in geheimer Mission durch die Fürther Vorstadt, auf der Suche nach dem magischen Schlüssel unweit des 1. Golfclub Fürth und des Atzenhofs, während ich knapp eine halbe Stunde Verspätung sammeln und in Nürnberg meinen Anschlusszug nach Fürth verpassen werde. Stilecht ruft mich Günter aus dem Hotelzimmer an. Mit dem subversiven Check-In hat also schon einmal alles geklappt und nun weist er mich freundlicherweise darauf hin, dass ich lediglich bis Fürth-Unterfarrnbach fahren müsste und er mich dort abholen würde.

Es ist mittlerweile Samstag, 0.49 Uhr. Ich verlasse als einziger mitten in der fränkischen Prärie freiwillig den Zug. Ein kalter Wind weht über den S-Bahnhof. Keine Menschenseele zu sehen. Ich setze eine kurze Notruf-SMS ab und kehre dann im überraschenderweise noch geöffneten Burger King ein, um mir einen Kaffee zu kaufen. Kaum habe ich die Bestellung aufgegeben, tippt man mir von hinten auf die Schulter. Glücklicherweise ist es Günter und so endet die Geschichte nicht als zerstückelter Großstadttourist, der auf dem Land Bekanntschaft mit irgendwelchen pervertierten Menschenseelen machen musste.

Gemeinsam laufen wir die Unterfarrnbacher Straße entlang. Schön, dass Günter bereits ausgeklügelt hat, in welche Richtung man die beiden kommenden Weggabelungen Unterfarrnbacher Straße Ecke Unterfarrnbacher Straße und Unterfarrnbacher Straße Ecke Unterfarrnbacher Straße verlassen muss, um das Hotel in der Unterfarrnbacher Straße erreichen zu können. Dort angekommen, nehme ich wohlwollend zur Kenntnis, dass mir Günter aus dem umfangreichen Zeitschriftensortiment des Hotels eine „Praline“ auf das Kopfkissen gelegt hat. So gehört sich das in einem Vier-Sterne-Hotel!

Am nächsten Morgen empfängt uns der Rezeptionist gut gelaunt. Meine unausgesprochene Sorge, er würde monieren, dass dem Hotelportal aufgefallen sei, dass uns der Gutschein nicht zusteht und wir bezahlen müssten, schiebt er mit einer herzlichen Einladung zum Frühstücksbuffet bei Seite. Ach, das ist auch noch kostenlos? Was man nicht alles in zwei Semestern Gutscheinbetrug und Bilanzenfälschung lernen kann, denke ich mir und schicke im Geiste Grüße an meinen Kassenwart. Etwas Landluft aus der ruralen Umgebung wabert durch das Treppenhaus und den Frühstückssaal und ich bin meinen Eltern plötzlich unheimlich dankbar, dass ich als Kind nie Urlaub auf dem Bauernhof machen musste.

Gut gesättigt begeben wir uns auf den Weg zum S-Bahnhof Unterfarrnbach. Heute steht für uns ein Besuch der Bayernliga Nord auf der Agenda. Und auch diesbezüglich gilt es einen Blick in die Vergangenheit zu werfen, war doch die Planungsphase des heutigen Tages eine der schönsten, die jemals bei FUDU durchlitten worden ist.

Idee 1: Wir besuchen alle gemeinsam ein Spiel der SpVgg Bayreuth, die aktuell im wunderschönen Waldstadion Weismain spielt. Günter freut sich bereits auf seine „Weismain-Schorle“!

Haken 1: Das Spiel findet leider im Bayreuther Hans-Walter-Wild-Stadion statt.

Idee 2: Ein Teil der Reisegruppe möchte dennoch dieses Spiel besuchen, in Bayreuth nächtigen und dann von dort aus kommend am Sonntag in Fürth zum Rest der Gruppe dazustoßen. Günter dazu trocken: „Jeder, der schon einmal da gewesen ist, hat das später bayreuth“!

Haken 2: In Bayreuth findet an diesem Wochenende das „Maissel’s Weißbierfest 2017“ statt. Es treten auf: Alphaville und Nena. Da die Gruppe weder aus Taubstummen besteht, noch gewillt ist, die abnormen Hotelpreise zu zahlen, fällt die Übernachtungsidee ins Wasser.

Idee 3: Der Teil der Gruppe will nur das Spiel in Bayreuth schauen, danach genauso wie wir in Fürth nächtigen. Der Hoollege lädt ein, Teil seiner Reisegruppe zu werden: „For Fürther information please contact me!“

Haken 3: Das Spiel der SpVgg Bayreuth wird auf Freitagabend verlegt.

Idee 4: Der Rest der Gruppe hat die Nase voll von Franken und entscheidet sich, via Tachov in Tschechien nach Fürth zu reisen. Günter und ich bleiben alleine zurück und besuchen ein Spiel des 1.SC Feucht. Günter setzt einen Strich unter die intensive Vorbereitung: „Feucht steigert wenigstens die Klickzahlen!“

 

Nun stehen wir also am Bahnhof und werfen einen Blick auf die Landkarte. Das dort aufgefundene magische Städtedreieck, bestehend aus Feucht – Spalt – Rohr, versetzt uns genauso in Verzückung wie die Graffitikultur um uns herum. Wer „Döner“ an die Lärmschutzwand kliert, den Fahrkartenautomaten mit einem markigen „Fahrt schwarz!“ versieht und die Baustellentür mit „Ausgang für Sprüher“ kennzeichnet, hat sich eine Erwähnung in diesem Blog definitiv hart erarbeitet.

Die Überfahrt mit der S-Bahn von Fürth nach Feucht dauert lediglich 25 Minuten und geht leicht von der Hand. Günter kämpft mit seinen Kontaktlinsen, stellt dann aber berechtigterweise fest: „Wenn man die Linsen irgendwo Feucht kriegt, dann ja wohl in Spalt!“.

Keine drei schlechte Scherze später stehen wir nach einem ausgiebigen Stadtbummel auch schon vor dem Waldstadion in Feucht (3.500 Plätze), in dem der örtliche 1.SC heute im Abstiegskampf seine oberpfälzischen Gäste aus Neumarkt empfangen wird. Ich nehme am Kassenhäuschen wohlwollend zur Kenntnis, dass der 1.SC Feucht wieder dazu übergegangen ist, sein Traditionswappen zu nutzen und dass der alberne MS-Paint-Entwurf mit Copy-and-Paste-Fußball, mit dem man irgendwann in den frühen 2000’er Jahren in der Regionalliga Süd an den Start gegangen war, der Vergangenheit angehört.

Weniger erfreut mich hingegen die Gestaltung der Eintrittspreise. Knackige 8 Euro verlangt man hier für einen Stehplatz auf der kleinen Gegengerade. Egal, für Fetti ist das eine echte Herzensangelegenheit, heute ist auch er ein Feuchter Futzi, der im Überlebenskampf am unteren Ende der Tabelle der Bayernliga sein letztes Hemd geben würde!

Die Vorzeichen der Partie sind klar verteilt. Der 1.SC Feucht muss an diesem heute stattfindenden 34. Spieltag gewinnen und gleichzeitig darauf hoffen, dass die SpVgg Weiden in ihrem Auswärtsspiel keinen Punkt holt, um den Klassenerhalt feiern zu können.

Wir decken uns mit Bier und Wurstspezialitäten ein. Im kleinen Fanshop gibt es eine etwas sonderbare Preisstruktur festzustellen und so kann man dort beispielsweise einen Aufkleber für 1,50 € und eine goldene Ehrennadel für 2,50 € erwerben. Günter schlägt zu und dekoriert seine Hose mit der wirklich hübschen Nadel. Mit nun Feuchter Buchse ausgestattet und mit bestem Blick auf die kleine Haupttribüne erwarten wir ein großes Spiel, welches man schlagzeilenträchtig „S3-Derby“ nennen könnte…

… und welches dann 45 Minuten später ereignislos beim Stand von 0:0 abgepfiffen wird. Den fränkischen Fußballexperten um uns herum gelingt es, das Spiel bestens zusammenzufassen: „Eine Kaddasdrofe!“. Im Nachgang darf lediglich die gelbe Karte des 1.SC Akteurs Eckert Erwähnung finden. Seine 18. Verwarnung im laufenden Wettbewerb ist durchaus eine hemdsärmelige Anerkennung wert!

Die zweite Halbzeit verläuft auf einem ähnlich dürftigen Niveau. Wir haben Gelegenheit, uns mit den Feinheiten der Aufstellungsbögen zu beschäftigen und entdecken im Kader des 1.SC Feucht einen alten Bekannten wieder. Andreas Sponsel hütet das Tor, bekannt aus Erfurt und allein das ist für alle „MDR – Sport im Osten“ Zuseher natürlich Grund genug, um vor Verzückung an die Decke zu gehen.

Auf dem Rasen bieten sich für beide Mannschaften immer nur dann kleinere Gelegenheiten, wenn der Gegner durch eklatante Fehler im Spielaufbau oder Stellungsspiel herzlich zum Torabschluss einlädt. Der 1.SC Feucht ist erschreckend schwach und hat unter dem Strich heute keinen Heimsieg verdient. Und so begräbt die Gastelf aus der Oberpfalz, die heute die etwas bessere zweier schlechter Mannschaften ist, sämtliche Klassenerhaltshoffnungen des 1.SC nach gut einer Stunde, als Selim Mjaki mit seinem vierten Saisontreffer den Auswärtssieg unter Dach und Fach bringt. In der Nachspielzeit lässt der ASV gar noch eine glasklare Torchance liegen. Nichtsdestotrotz können sie als Aufsteiger der Bayernliga mit ihrem fünften Tabellenplatz sehr zufrieden sein, während der 1.SC Feucht nun den Gang in die Relegation antreten muss und sich dort in gut zwei Wochen mit dem FSV Erlangen-Bruck duellieren wird.

Wir lassen den Nachmittag in der wirklich schönen Stadiongastronomie ausklingen. Man genießt ein gutes Schnitzel und dazu lädt die SKY-Konferenz des 34. Spieltags der Fußball-Bundesliga zum Verweilen ein. Hertha BSC kassiert sechs Gegentreffer von Bayer Leverkusen und in einem wunderbaren Schlussspurt im Abstiegskampf reißt der HSV den VfL Wolfsburg in der 88. Minute ins Verderben. Fußballherz, was willst Du „more“?

Am frühen Abend stoßen dann auch die „Tschechen“ zu unserer Kleingruppe und gemeinsam machen wir das Grüner Brauhaus und einige andere Fürther Kneipen unsicher. Ein etwas längerer Spaziergang bei nächtlicher Kälte kann dann dafür sorgen, dass man sich das letzte Bier direkt wieder aus dem Schädel laufen kann. Im Hotel angekommen, fällt mein Blick auf eine lokale Tageszeitung. „Der Bote“ aus Feucht weiß zu berichten, dass auch der 1.SC große Ambitionen hegt. Das „Projekt 2020“ wird auf einer Doppelseite der interessierten Fachöffentlichkeit vorgestellt. Dieses besteht daraus, neben einer Jugendakademie auch einen Nebenplatz aus Kunstrasen hinter dem Stadion zu errichten, um langfristig mehr Spieler für den 1.SC begeistern zu können. Fetti legt die Stirn in Sorgenfalten. Ob das Projekt nach einem vermeintlichen Abstieg nur ein Feuchter Traum bleiben wird? /hvg

17.04.2017 VfB Germania Halberstadt – BSG Chemie Leipzig 0:0 (0:0) / Friedensstadion / 2.003 Zs.

Glücklicherweise war das Spitzenspiel der NOFV-Oberliga-Süd am 12.02.2017 den schlechten Wetter- und Platzverhältnissen zum Opfer gefallen. Durch die Neuterminierung auf den Ostermontag trägt der nordostdeutsche Fußballverband nun dafür Sorge, dass der Auftakt in die Woche auch für Fetti zu einem echten Feiertag werden kann.

Nach einer kurzen Planungsphase über das Union-Forum stehen gleich vier Osterbrote mit unterschiedlich hoher Affinität zur BSG Chemie in Köpenick zur Abfahrt bereit, wovon mir eines persönlich unbekannt ist. Agent Orange steuert sein gleichfarbiges Gefährt kurz darauf sicher und zügig Richtung Halberstadt. Der 1.FC Union Berlin und dessen Saisonverlauf stellen während der Fahrt zunächst den monothematischen Aufhänger dar, ehe die Lümmel von der letzten Bank mit den beiden Altvorderen in ein kleines Streitgespräch über Fußballkultur und Fandasein geraten. Der Konflikt entfacht sich am Verhältnis von Teilen der Fanszene des 1.FC Union Berlin zu Fortuna Düsseldorf, welches der Beifahrer nicht verstehen kann und uns nun maßregelt, wie wir denn darauf kommen würden, den Verein mit dem Attribut „scheiß“ zu belegen, schließlich sei der Kern der Anhänger politisch sehr angenehm eingestellt. Es kommt, wie es kommen muss und flugs ist die Überleitung zu unseren „Freunden“ aus St. Pauli gelungen, die wir ebenso wenig mögen, was vorne rechts auf noch größeres Unverständnis stößt. Unsere Meinungen schlagen spätestens dann zwei verschiedene Pfade ein, als es darum geht, wie man sich auswärts zu verhalten habe. „Komplett in zivil gekleidet“ wir, „wie ein Weihnachtsbaum behangen“ er, „wer in fremden Städten so herumläuft, braucht sich nicht zu wundern, wenn er irgendwann einmal kassiert“ wir, „solche Leute mit solchen Gedanken machen den Fußball kaputt“ er.

Unser Diskussionspartner ist bedauerlicherweise nicht in der Lage, sich auf eine offene Diskussion einzulassen, im Zuge welcher man womöglich den einen oder anderen Standpunkt der Gegenseite an sich heranlassen und darüber reflektieren könnte. Nein, vielmehr haben wir es mit einem selbstgerechten Redner zu tun, der von oben herab seine absolut gesetzte Wahrheit auf uns zu übertragen gedenkt. Ich klinke mich aus dem immer anstrengender werdenden Gespräch aus und mache es mir stillschweigend auf meinem Pfad gemütlich. And that has made all the difference!

In knappen zweieinhalb Stunden ist das 200 Kilometer entfernte Halberstadt in Sachsen-Anhalt erreicht. Der Bolide wird unweit des wunderbar heruntergekommenen Kulturhauses der Harzer Kreisstadt geparkt. Angesichts der Information, dass 80% der Innenstadt durch einen Luftangriff am 08.04.1945 zerstört worden sind, verzichten wir heute auf eine Besichtigung der Innenstadt und begeben uns auf den direkten Weg ins Friedensstadion. Immerhin gibt es auf der kurzen Wegstrecke noch ein recht hübsches Bahnhofsgebäude des Haltepunkts „Spiegelsberge“ zu bewundern, welches in einer Neuverfilmung durchaus auch Pippi Langstrumpf ein zu Hause bieten könnte.

Bei strahlendem Sonnenschein haben wir schnell vier Eintrittskarten gekauft. Das Friedensstadion zu Halberstadt ist an zwei Seiten ausgebaut. Die Gäste können das Spiel stehend auf einer grünen Wiese und auf einigen Stufen auf der Gegengerade verfolgen. Die Heimzuschauer genießen den Luxus, auf einer kleinen und modernen Haupttribüne durch ein Dach vor Wind und Wetter geschützt zu werden. Neben der zweckmäßigen Tribüne befinden sich links und rechts weitere Stehplatzbereiche, ebenfalls moderner Bauart. Um einen guten Blick auf die Zuschauer der BSG Chemie Leipzig haben zu können, die heute mit gut 1.200 Schlachtenbummlern anreisen werden, entscheiden wir uns für die unüberdachten Stehplätze auf der Heimseite, welche die Hälfte der Autobesatzung selbstverständlich mit Union- und Chemieschals betritt. Ach, da komm‘ wa heute wohl nich‘ mehr zusamm‘!

Im Stadionumfeld werden Halberstädter Wurstspezialitäten feilgeboten. Im Vorfeld der Reise hatte sich Fetti häufig dabei ertappt, dieses youtube-Video in Endlosschleife zu schauen. Viel erotischer kann man Artgenossen aber auch wirklich nicht in Szene setzen und musikalisch begleiten! Dennoch zieht es ihn und seine Freunde heute zunächst zum Getränkestand. Dort liest der Verkäufer meine Gedanken, noch bevor ich mir vollumfänglich einen Überblick über das Elend verschaffen kann. „Ein Bier?“, fragt er, ich bestätige nickend und sehe erst dann, dass mehrere halb gefüllte Bierbecher in der Gegend herumstehen und nun von dem Harzer Barkeeper beherzt in einen größeren Becher zusammengeschüttet werden. Schaumparty in Halberstadt!

In einem nun etwas angenehmeren Gespräch lernen wir den Beifahrer etwas näher kennen. Es stellt sich heraus, dass ich seinen Bruder kenne, der im selben Stadtbezirk arbeitet. Die Welt der Sozialarbeiter ist klein! Kurz darauf erzählt er von seiner Arbeit an einer Berliner Schule und plötzlich fällt es mir wie Schuppen von den Augen und das Wort, das ich vorhin suchte, um seine Diskussionskultur zu umschreiben, wäre „oberlehrerhaft“ gewesen. Danke dafür!

Im Stadion begrüßt der Stadionsprecher mit einem anheimelnden „Willkommen allen, die Fußball arbeiten und nicht nur kaufen!“ seine Gäste. Die Hymne versetzt uns hingegen nicht vollends in Verzückung, was womöglich auch in der besungenen Kombination der Wörter „Germania“ und der Vereinsfarben „schwarz, weiß und rot“ begründet liegt. Umso schöner ist dafür das Backsteinuhrentürmchen zu unserer rechten, auf dessen Dach eine kleine elektronische Anzeige den Spielstand verkündet. Null:Null. Hoffentlich wird sich hieran im Verlauf der nächsten 90 Minuten etwas ändern…

Pünktlich zum Anpfiff setzt Regen ein, der im Verlauf der Partie immer mal wieder aufhören und wieder einsetzen wird. Dazu wechseln sonnige Episoden, wolkenverhangener Himmel und kalter Wind im Minutentakt und lassen die Reisegruppe in absoluter Unklarheit darüber, ob das heute ein schöner Tag sein kann oder nicht. Weniger abwechslungsreich stellt sich das Spiel auf dem grünen Rasen dar. Beide Mannschaften egalisieren sich im Mittelfeld und es erweckt doch ein wenig den Anschein, dass eine gewisse Vorsicht Angriffsbemühungen beider im Keim erstickt. Es könnte heute eine leichte Vorentscheidung im Aufstiegsrennen fallen und dieser Druck hemmt die Akteure sichtlich, die mit angezogener Handbremse agieren. Bei den Harzern ist die Trikotnummer 4 nicht vergeben und mir geht ein großartiger Wortwitz zur Aufwertung des Blogs flöten. Dafür starten die Germanen körperlich sehr robust ins Spiel und haben nach 13 gespielten Minuten bereits zwei gelbe Karten auf der Habenseite. Na dann verwursten wir halt diesen Halberstädter Flachwitz: Harz aber herzlich!

Der gastgebende VfB Germania könnte den Gästen mit einem Sieg die Tabellenführung entreißen und so sind eher sie es, die in der Rolle stecken, heute gewinnen zu müssen. Nach 20 Minuten haben sie sich eine erste Torgelegenheit gegen die gut verteidigenden und ebenfalls körperbetont spielenden Gäste erarbeitet. Aber auch die BSG Chemie, die 2008/09 nach einer Neugründung durch die eigenen Fans erstmals wieder am Herrenspielbetrieb teilnahm und seitdem von der dritten Kreisklasse bis in die Oberliga aufsteigen konnte, setzt dann und wann Nadelstiche. So ist es Bunge, der nach gut einer halben Stunde die grün-weißen Farben beinahe mit 0:1 in Führung bringen kann. Kurz vor der Halbzeitpause sorgen die beiden erfahrensten Halberstadt-Akteure Benjamin Boltze (ehemals CFC, Halle, FCM) und Adli Lachheb (ehemals Aue, Duisburg, Halle) in Kooperation für den größten Aufreger des ersten Spielabschnitts. Einen Eckball von Boltze kann Lachheb allerdings nicht im Tor unterbringen, sondern per Kopf lediglich an den Pfosten bugsieren.

In der zweiten Halbzeit plätschert das Spiel etwas dahin. Die Leipziger machen es den Gastgebern schwer, das dicht gestaffelte Mittelfeld zu überspielen. Ein Unentschieden würde ihnen reichen, um in einer erfolgversprechenden Ausgangssituation in den Schlussspurt um den Aufstieg in die viertklassige Regionalliga Nordost gehen zu können. Nur noch zwei Mal wird es den Halberstädter Würstchen gelingen, Torchancen zu kreieren: In der 48. Minute sitzt in aussichtsreicher Position der entscheidende Pass des Ex-Unioners Pascal Wedemann auf den völlig freistehenden Messing nicht und nach 76 Minuten zieht eben jener Messing den Ball denkbar knapp am langen Pfosten vorbei. Erst in den letzten fünf Minuten baut Germania etwas mehr Druck auf, nachdem ihr Trainer Andreas Petersen, Vater von Freiburgs Stürmer Nils, offenbar grünes Licht für die Brechstange gegeben hat.

Mit Mann und Maus verteidigen Dietmar Demuths Jungs aufopferungsvoll. Etwas überraschend beendet Schiedsrichter Köppen aus Rathenow das Spiel nach genau neunzig Minuten und siebenunddreißig Sekunden. Während die Halberstädter ob der geringen Nachspielzeit protestieren, reißen die Chemiker die Arme jubelnd in die Höhe. Dieses Unentschieden kann einen Meilenstein in der Vereinsgeschichte darstellen und ausgelassen feiern die abgekämpften Recken mit ihrem Anhang das 0:0 so, als hätte man soeben einen Sieg eingefahren.

Auf dem Rückweg wird die heutige Unterstützung der BSG Chemie Thema im Auto werden. Während die Hinterbänkler der Ultraszene Wertschätzung zu Teil kommen lassen, moniert der vordere Bereich, dass es nicht gelungen sei, alle Mitreisenden in den Support mit einzubeziehen. Und wahrlich, über die gesamte Dauer des Spiels hat es aus dem breit gezogenen Gästeblock zwar durchgängige und melodische Gesänge gegeben, aber brachiale Lautstärke konnte selten erzeugt werden. Nun stellt sich allerdings die Frage, warum eine zahlenmäßig derart große Szene, die den Verein neu gegründet und durch die Niederungen des Ligasystems begleitet hat, nun ihren Stil ändern sollte, nur um alle Kutten, die nun nach und nach „ihre“ BSG wiederentdecken, mit ins Boot zu holen. Und es stellt sich die Frage, warum die zahlenmäßig ebenso starke Fanbasis außerhalb der Ultraszene nicht in der Lage ist, manchen Momenten des Spiels ihren Stempel aufzudrücken. Es hindert sie doch niemand daran, den sogenannten „spielbezogenenen Support“ dann und wann auch einfach mal vorzubringen. Als dann von vorne rechts eine Bemerkung fällt, die die Ultrabewegung als Ganzes diffamiert, klinke ich mich abermals aus dem Gespräch aus und widme mich meinem Berliner Pilsner.

Gelingt der BSG der Aufstieg, wird in der kommenden Saison womöglich das eine oder andere Spiel in Berlin und Umgebung besucht werden können. Nicht auszuschließen, dass Agent Orange seine Fahrdienste zwecks Besuchs des Alfred-Kunze-Sportparks anbieten wird und ich dankend annehmen werde. Fest steht nur: Privat habe ich unheimlich gerne meine Ruhe. Und nächstes Jahr feiere ich Ostern wieder im Stadion. /hvg

07.04.2017 VVV-Venlo – Almere City FC 3:2 (2:2) / Stadion De Koel / 5.183 Zs.

Am nächsten Morgen erwartet uns Gastgeber Paul gut gelaunt am liebevoll gedeckten Frühstückstisch. Sogleich macht sich FUDU leicht verkatert über Brötchen und Belag her und auch die letzte Stunde des griechischen Joghurts hat alsbald geschlagen. Sonntagmorgenvibes strömen bereits am Freitag durch die Niederlande, seichte Popmusik durchflutet warm den Raum, es duftet nach Kaffee, als wir urplötzlich jäh aus der Komfortzone gerissen werden. Nadjuschka pellt ihr buntes Ei und verweigert angesichts freigelegten grünlich-weißen Pelzes angewidert die Nahrungsaufnahme. Leider fallen kurz darauf auch Ei Nummer Zwei und Drei durch den Schimmel-Check und so endet die Frühstückszeremonie doch recht abrupt.

Kurz bevor wir die Pension verlassen können, tritt Paul in einen weiteren charmanten Smalltalk mit uns ein. Man muss diesen alten Mann einfach gerne haben. Dumm nur, dass wir uns aktuell im Hausflur befinden und dieser auf engstem Raum auch über eine Toilette verfügt, auf die vor wenigen Minuten ein anderer Senior eingekehrt war. Nun versuchen wir uns so schleunigst und höflich wie möglich aus dem Gespräch zu befreien und Lebewohl zu sagen. Diesen unmenschlichen Gestank von nebenan kann einfach kein Mensch ertragen! Ich nehme an, dass der arme, alte, sitzende Mann soeben mindestens fünf Schimmeleier explosionsartig in die Schüssel entladen haben muss und schon mischt sich wieder etwas Mitleid unter meine Eskapismusgedanken.

Nur wenige Momente später befinden wir uns dann glücklicherweise an der frischen Luft und japsen nach selbiger, wie es Kinder nach einem Wer-kann-den-Kopf-länger-unter-Wasser-halten-Wettbewerb tun. Wir müssen uns kurz durchschütteln, ehe wir noch einmal durch Kerkrade streifen, um die erhaltenen Relikte der Zeche Nulland und dann den Marktplatz samt Rathaus auch im Tageslicht besichtigen zu können. Wieder einmal ist die Szenerie von unheimlich vielen alten Menschen geprägt, die über einen kleinen Blumenmarkt spazieren. Ein alter Herr im „Soldier of Odin“ T-Shirt braust mit seinem E-Mobil an uns vorbei. „So krass kann die Armee ja nicht sein“, vermag der Hoollege die etwas skurrile Situation zusammenzufassen.

Im Anschluss wandern wir aus dem Stadtzentrum hinaus, um dem altehrwürdigen Gemeentelijk Sportpark Kaalheide einen Besuch abzustatten. Das städtische Stadion bot Roda Kerkrade von 1962 bis 2000 eine Heimat und durfte in dieser Zeit die eine oder andere legendäre Schlacht miterleben, beispielsweise die Einweihung des Flutlichts im Jahre 1975 mit einem Freundschaftsspiel gegen den Liverpool FC vor knapp 17.000 Zuschauern. In Höchstzeiten fasste das Stadion bis zu 25.000 Zuschauer, zuletzt wurde die Kapazität aus Sicherheitsgründen auf 14.000 gedrosselt, ehe Roda im Jahr 2000 in das neu erbaute Parkstad Limburg Stadion zog. Heute rotten die Tribünen ungenutzt vor sich hin und bieten für Freunde sogenannter „Lost Places“ bereits das eine oder andere attraktive Fotomotiv.

Kurz darauf sitzen wir auch schon in einem Zug der „Nederlandse Spoorwegen“, welcher uns via Maastricht und Roermond in knapp 90 Minuten nach Venlo befördern soll. Während der Großteil der Reisegruppe auch nach dem ersten Umstieg entspannt in die Sitze fällt, kann ich eine gewisse Grundnervosität nicht leugnen. Leider habe ich am Ticketautomaten des Bahnhofs von Kerkrade nicht genau genug zugehört und mir das falsche Ticket gelöst, welches mich nun bei kleinlicher Regelauslegung leider nicht für die Nutzung des Schnellzuges berechtigt. Glücklicherweise bleibe ich jedoch von Kontakt mit Kontrolleuren verschont und bin dann nach dem zweiten Umstieg auf der letzten Etappe der Reise auch endlich wieder mit einem gültigen Ticket ausgestattet.

Nur wenige Meter vom Bahnhof Venlo entfernt checken wir in unserer Unterkunft ein. Im „Stationshotel“ empfängt uns Henk, der gestrenge Herbergsvater. Noch bevor er uns begrüßt, liest er uns das erste Mal die Leviten. Rauchen ist auf den Zimmern verboten und wer nachts laut ist, fliegt raus! Wir fragen verschüchtert nach dem kostenfreien Wi-Fi, der hoteleigenen Bar und dem Spielezimmer, in dem man laut Buchungsbestätigung des Hotelportals „entspannen und bowlen“ können soll.

Die Bar ist geschlossen, das Wi-Fi kaputt und die Kegelbahn müsste man mieten, aber uns würde er sie nicht anbieten wollen, so die rundum-sorglos-Antwort unseres völlig humorbefreiten Gastgebers. Entweder treffen wir hier gerade auf jemanden, der deutlich von Vorerfahrungen mit deutschen Gästen gezeichnet ist oder der gute Mann hat gestern einfach einen zu viel getrunken und leidet heute an einem sichtbar nach Außen gekehrten Henk-Over.

Wir jedenfalls bleiben keine Sekunde länger als nötig in der Lobby und entern unsere Hotelzimmer. Der Blick des Wirtschaftsflüchtlings fällt gewohntermaßen zu aller erst auf die Heizung, um vorausschauend geplant für die anstehende Übernachtung für angenehme 30 Grad Celsius sorgen zu können. Angesichts der mutmaßlich von Herrn Röhrich persönlich errichteten Schraubschlüssel-Tüddeldraht-Bindfaden-Konstruktion scheitert dieses Unterfangen jedoch kläglich. Kurz darauf beginnen wir mit dem Sightseeing.

Venlo. 100.000 Einwohner, grenznah gelegen. Das historische Rathaus kann sich sehen lassen, aber darüber hinaus geizt die Stadt mit Sehenswürdigkeiten im klassischen Sinne. Wir erfreuen uns eher daran, dass die schönen Häuser in der gemütlichen Fußgängerzone großzügig mit Fahnen des örtlichen Fußballvereins geschmückt sind. Hier scheint man richtig stolz auf den Club zu sein, der sich als Tabellenführer der zweiten niederländischen Fußballliga aktuell anschickt, in die Eredivisie aufzusteigen. Gleichwohl hat der Verein aber auch eine Menge Tradition, ist er mit seinem Gründungsjahr 1903 tatsächlich einer der ältesten des Landes.

Die Buchstabenreihung „VVV“ spielt offenbar nicht nur für den Fußballverein eine Rolle. Touristische Hinweisschilder weisen den Weg zum sogenannten „VVV-Winkel“. FUDU trottet den Richtungspfeilen in Erwartung einer weiteren Knallersehenswürdigkeit treudoof hinterher, um dann enttäuscht vor dem Tourismusinformationsbüro zu stranden. „VVV“ bedeutet in diesem Zusammenhang lediglich „Vereniging voor Vreemdelingenverkeer“ und ist somit nicht mehr als der Tourismusverband der Niederlanden. Das Sightseeing lassen wir dann an der Maas ausklingen, die durch Venlo fließt, nicht ohne das Stadtbild dank Stickereinsatzes noch erheblich aufzuwerten.

Im Anschluss kehren wir im wunderbaren „Locomotief“ ein und nehmen Bier trinkend Platz auf alten S-Bahn-Holzbänken, wie man sie einst auch in Berlin kennen- und lieben gelernt hatte.

Langsam setzt draußen die Dämmerung ein. Für uns ein untrügliches Zeichen, uns langsam auf den Weg in das „De Koel“ zu machen. Jenes altehrwürdige Stadion, das in all den vergangenen Jahren um jedwede Renovierung herumgekommen ist. Bereits im Jahr 2011 wurde im Gemeinderat der Neubau eines Stadions beschlossen, doch von der 17.500 Zuschauer fassenden modernen Arena, die zur Saison 2013/14 fertiggestellt werden sollte und sich in ihrer Gesamtlangweiligkeit prima in die monotone niederländische Stadionlandschaft eingefügt hätte, fehlt glücklicherweise bis heute jede Spur.

Und so ist bereits die Anreise zum Stadion ein echtes Abenteuer. Unser Weg führt uns durch Wohngebiete und über Kinderspielplätze und wird letztlich von einem Trampelpfad, der uns Hügel aufwärts durch Gebüsch führt, gekrönt. Vor dem Stadion angekommen, wird schnell klar, dass zumindest die Rückseite der Haupttribüne doch neu gestaltet worden sein muss. In einem ziemlich futuristischen Bau bringt Hai Berden seine prominenten Gäste unter. Der Präsident des Clubs ist zur Überraschung aller nicht im Immobilienbusiness tätig, sondern Gründer eines Logistikunternehmens, welches dem Stadion einen wenig attraktiven Beinamen beschert hat. Man darf getrost davon ausgehen, dass er mit seinem Geld in Venlo größeres vor hat und so dürfte die letzte Stunde des kleinen Stadions doch recht zeitnah geschlagen haben.

Nachdem wir im Stadionbiergarten abermals Helene Fischer mit Mühe und Not überlebt haben, stellen wir uns den Sicherheitsfachleuten, die ihrer Arbeit überaus gründlich nachgehen. Neben der üblichen Abtastprozedur verlangen sie die Entleerung aller Taschen, wofür sie Campingtische bereitgestellt haben. Ich spiele das Spiel bereitwillig mit, setze den Ordner aber nicht darüber in Kenntnis, dass auch ich die Spielregeln mitbestimmen mag und so lasse ich eben jene Gegenstände, von denen ich befürchte, sie würden unter Umständen nicht mit in Stadion dürfen, in den Taschen. Am Ende wird mich der Kontrolleur freundlich durchwinken und so bleibt z.B. der riesengroße Metall-Schlüsselanhänger des „Stationshotel“, mit dem man locker im Vorbeigehen jemandem den Schädel hätte einschlagen können, gänzlich unentdeckt. Vielleicht erst die Taschen auspacken lassen und dann abtasten? Aber das jetzt nur mal so als Insidertipp.

In den Katakomben liegen tonnenweise Klatschpappen herum, die von den meisten Menschen aber dankenswerterweise links liegen gelassen werden. Wir nehmen Platz auf den unüberdachten Sitzen der Haupttribüne, die sich sehr nahe am Spielfeld befinden. Auf dem Kunstrasen legen beide Teams los wie die sprichwörtliche Feuerwehr. Nach 1:50 gibt es die erste Großchance für die Gäste zu notieren und kaum ist der letzte Buchstabe eingetippt, zappelt der Ball auch wirklich im Netz. Keine 40 Sekunden nach der vergebenen Chance hat Venlos Verteidiger Rutten einen Rückpass zu seinem Torhüter viel zu kurz angesetzt, Ahannach spritzt dazwischen und schiebt den Ball lässig zum 0:1 für Almere City in das Tor.

(Fun Fact am Rande: Der Almere City FC wurde erst im Jahr 1997, damals unter dem Namen FC Omniworld, gegründet. Während man gemeinhin solche Fußballclubs als „Kunstprodukte“ diffamiert, kann man dies in diesem Fall auf die ganze Stadt beziehen. In bester SimCity-Manier wurde diese 1975 am Reißbrett entworfen. Und wäre das nicht schon alles kurios genug, darf der Hinweis nicht fehlen, dass auch das Land, auf dem das Städtchen liegt, noch nicht viel länger existiert. Für den Rest zitiere ich einfach stadionbesuch.de, da ich es selber nicht schöner schreiben könnte: „Wenn man sich als Staat flächenmäßig als zu klein empfindet, müsste man erst aufwändig Kriege führen, um sich weiter auszubreiten oder alternativ eine Wiedervereinigung mit einem ähnlich sprechenden Volk durchführen. Die Geschichte zeigt allerdings, dass die Nebenwirkungen nicht zu unterschätzen sind und daher haben unsere Nachbarn mit den Wohnwagen einen neuen (fast schon revolutionären) Weg eingeschlagen und solange Sand ins Meer gekippt, bis man keine nassen Füße mehr bekam. Später hat man dann Häuser drauf gebaut und fertig war die Laube namens Almere.“)

Der aktuelle Tabellenführer aus Venlo lässt sich hiervon jedoch nicht aus der Spur bringen und kann schnell zurückschlagen. Bereits nach 12 Minuten hat Seuntjens das Spiel ausgeglichen. Der Spielzug denkbar simpel, tausendfach gesehen und immer wieder effektiv: Langer Ball aus der Abwehr, auf dem Flügel behauptet, Ball in die Mitte gebracht, Stoßstürmer läuft in Position und schiebt den Ball über die Linie. Gar nicht mal so schön, dass bei der Feier des Tores doch etliche Klatschpappen zum Vorschein kommen, zum Einsatz gebracht und im Folgenden nicht mehr aus der Hand genommen werden.

Weiter geht die wilde Fahrt auf dem künstlichen Grün. Nur drei Minuten nach dem Ausgleich gehen die Gäste aus Almere nach einer Freistoßflanke aus dem Halbfeld durch einen Kopfballtreffer von Mirani wieder in Führung. Im direkten Gegenzug gelingt der „Venlose Voetbal Vereniging“ beinahe der Ausgleich.

Beide Teams setzen ihr Spiel mit offenem Visier fort, wobei die Gäste etwas die Oberhand gewinnen. Nach 25 Minuten erleben wir beinahe das Tor des Jahres in den Niederlanden live mit, auch wenn dieses aufgrund des noch rollenden Balles streng genommen irregulär gewesen wäre. Dennoch hätte der durch Almere schnell ausgeführte Freistoß auf Höhe der Mittellinie noch etwas mehr verdient gehabt, als lediglich einen Lattentreffer.

Nach einer halben Stunde hat sich das Spiel erstmals etwas beruhigt und der Gast hat so etwas wie Kontrolle übernehmen können. Die favorisierten Hausherren tun sich schwer und werden bereits jetzt von ihrem kritischen Publikum ausgepfiffen. Völlig überraschend und unerwartet kehrt dann aber wieder Jubel, Trubel und Heiterkeit ein, da Seuntjes in der 41. Minute das Spiel nach einem ziemlich krummen Freistoß erneut egalisieren kann. All die positive Stimmung wäre dann kurz vor dem Halbzeitpfiff durch den aus Paderborn bekannten Rick ten Voorde beinahe zu Nichte gemacht worden, doch leider scheitert er aus knapp drei Metern an einem Verteidiger Venlos, der das 2:3 noch gerade eben so zu verhindern weiß.

Die zweite Halbzeit bleibt lebendig und temporeich, allerdings wandern deutlich weniger Abschlussgelegenheiten in die Notizzettel. Die schwarz-gelben Tabellenführer bestimmen aber nun deutlich das Geschehen auf dem Rasen, lassen zwei-drei Halbchancen ungenutzt, während die tapfer kämpfenden Gäste auf Konter lauern und mit dem 2:2 sicherlich zufrieden wären. Am Ende nimmt der Druck der Hausherren weiter zu. In der 80. Minute verliert die Abwehrreihe Almeres dann endgültig die Übersicht. Gleich mehrmals können sie hoch in den Strafraum getretene Bälle verteidigen, doch postwendend segeln diese wieder zurück. Gleich zwei Mal reklamiert Venlo nicht völlig zu Unrecht auf Handelfmeter, bis Sleegers dem Gerede ein Ende setzt und den Ball humorlos in die Maschen hämmert. Schlusspfiff, Venlo bringt das Spiel nach Hause und der Ex-Chemnitzer Nils Röseler darf nun von Eredivisie-Schlachten gegen Ajax, Feyenoord und den PSV träumen…

… während wir mit der Handy-Taschenlampe im Anschlag den Trampelpfad bergab laufen. In der Innenstadt gibt es für die hungrigen FUDUs noch eine Frikandel Spezial, ehe man sich der verdienten Nachtruhe hingibt.

Bevor am nächsten Morgen die Weiterreise nach Düsseldorf ansteht, decken sich Fetti und seine Freunde im Hypermarkt namens „Die zwei Brüder von Venlo“ mit Lebensmitteln ein. Der Hoollege, staatlich anerkannter „Ölkonom“, hat schnell die Bierpreise verglichen und rät zum Kauf feinsten niederländischen Dosenbiers. Angesichts des Kartoffelauflaufs um uns herum greifen wir schnellstmöglich zu und verlassen das Geschäft eiligst. Da hat das halbe Ruhrgebiet wohl noch nicht mitbekommen, dass es seit dem Abbau der Zoll- und Währungsschranken in der Europäischen Union keine erheblichen Preisvorteile bei Waren mit besonderen Steuersätzen, beispielsweise Kaffee, mehr geben kann. Mein Gott, dann kauft doch einfach bei eurem Penny um die Ecke ein und nervt eure armen Nachbarn nicht! /hvg

06.04.2017 Roda JC Kerkrade – PEC Zwolle 2:1 (0:1) / Parkstad Limburg Stadion / 12.074 Zs.

Etwas zerknirscht trifft sich die Reisegruppe am Donnerstag Morgen im RB14 in Richtung Flughafen Schönefeld. Hatte doch unser, sich im Aufstiegskampf befindende, 1.FC Union Berlin gestern Abend gegen die abstiegsbedrohte Elf aus Aue mit 0:1 verloren. Nadjuschka, Hoolger und ich machten uns deshalb recht schnell nach dem Abpfiff aus dem Stadion in Richtung Heimat und selbst der sonst so durstige und gesellige Wirtschaftsflüchtling machte seinem Namen alle Ehre und flüchtete für seine Verhältnisse früh aus der stadionnahen Wirtschaft. Oha!

Dies ist wahrscheinlich auch der Grund, weshalb die erste Runde Dosenbrötchen am Flughafen auf ihn geht. So läuft es an diesem Morgen recht flüssig, bis ein Italiener vor uns in der Schlange für längere Verzögerungen sorgt, da er seinen mitgeführten Reisetresor nicht geöffnet kriegt. Irgendwann schafft er es und der BGS ist halbwegs zufrieden und so fliegt uns unsere Lieblings-Airline („Low fair – made simple“ oder so ähnlich…) ohne Verzögerung nach Köln-Bonn.

Reichlich unspektakulär wird die restliche Strecke mit dem Regio nach Herzogenrath zurückgelegt. Da wir uns den Bus sparen wollen, meistern wir die restliche Strecke von ca. drei Kilometern per Fuß ins Nachbarland. Vom Bahnhof führt unser Weg vorbei an einer Ladenzeile, in der sowohl ein Bestattungsunternehmen und ein Reisebüro sitzen, was die amüsante Kombination „Bestattungen Knoben … Ihr Urlaub in guten Händen“ ergibt. Sonst gibt es, bis auf eine Art Burganlage, nicht viel zu sehen, nicht mal ’n Büdchen oder ’ne Trinkhalle liegen am Wegesrand.

Ein wenig hügelig wird es nach dem Verlassen der winzigen Innenstadt, für niederländische Verhältnisse nehmen die Steigungen gar alpine Ausmaße an. Wir sind aber nicht sonderlich verwundert – war die Region rund um Kerkrade bis vor etlichen Jahren noch für ihren Steinkohleabbau bekannt. Kerkrade ist dann nach der Passage der „Dutch Mountains“ auch recht schnell erreicht und gleich der erste Laden erweckt unser Interesse, speziell das des Wirtschaftsflüchtlings. So offeriert dieser auf einem Schild „Kippen Ragout“, da pumpt bei ihm die Lunge, allerdings zu Unrecht, wie sich alsbald herausstellt. Schließlich befinden wir uns vor einem Fleischer und „Kippen“ hat die völlig unspektakuläre Bedeutung: „Hühnchen“.

Kurz vor der Herberge überfahren uns fast die „New Grandparents Turbo“ mit ihren Elektro Scootern. Dazu weht der „Mullet“ von Opi malerisch im Wind. Kurz danach betreten wir unsere heutige Herberge. Hoolger und der Wirtschaftsflüchtling sind dort schon vom letzten Mal bekannt und so gibt es auch heute zur Begrüßung wieder Kaffee und Kuchen, doch dieses Mal fällt die Gefährdeansprache (nicht, nicht, nicht, nicht und leise sein) aus, vielleicht auch weil die Dame des Hauses nicht da ist. So sitzen wir noch recht nett mit dem Herbergsvater Paul bei Kaffee und Kuchen zusammen. Nach der Inspektion der Zimmer (rustikaler Charme mit Gemeinschaftsklo) machen wir uns los und erreichen, nach der üblichen Frikandel in der Fußgängerzone, den Busbahnhof. Kurz dort orientiert, den richtigen Bus bestiegen, ab durch die Vorstadt und schon ist man am Stadion. Von außen ist dieses angenehm anzuschauen, schöne Flutlichter und gefällige Außenfassade, nur für die überdimensionale elektronische Werbetafel gibt es Punktabzug.

Vor dem Stadion treffen wir FUDUs bärtigen Bruder und seine Familie, die uns sogleich die Eintrittskarten übergeben. Seine Mutter fragt, wer denn heute „die Geschichte“ über das Spiel und das drumherum schreiben würde. Hoolger verweist auf seinen vor rund anderthalb Jahren geschriebenen Kerkrade-Bericht und deutet danach in meine Richtung: „Dieses Mal der da“. Naja, er ist halt der Chefredakteur, was soll ich machen?!?

Damals wie heute ist Zwolle der Gegner und schlimme Erinnerungen an die heftige 0:5 Klatsche aus dem November 2015 kommen hoch. Dies darf heute nicht passieren, zwar ist Roda, dank dem gestrigen 8:0 Feyenoords gegen die Go Ahead Eagles Deventer und der daraus resultierten „besseren“ Tordifferenz von -25 gegenüber Deventer (-29) nicht mehr Letzter, allerdings berechtigt dieser 17. Platz auch nur zur Teilnahme an der Relegation.

Wir verabschieden uns von den Eltern, welche es in einen altersgerechten Sitzplatzblock verschlägt und reihen uns dann mit FUDUs bärtigen Bruder und dessen nicht bärtigen in die Warteschlange vor der Westtribüne.

Beim Warten auf Einlass dröhnt aus dem Stadion die leider nicht atemlose Helene Fischer, daher empfinde ich es auch nicht als so schlimm, dass die Kontrollen heute gründlicher sind als in den vorherig bereisten niederländischen Stadien. Auf Grund der Pyroeinlage der Ultras Kerkrade beim letzten Heimspiel gegen Eindhoven wird heute penibler kontrolliert. Es dauert alles länger, aber unser Timing ist perfekt und so kommen wir um Helene F. drumherum UND sind gerade noch rechtzeitig vor Anpfiff auf unseren Plätzen hinter dem Tor.

Es ist schon sehr trist im Block, da der aktiven Fanszene nach der sehenswerten Pyroshow im letzten Heimspiel alle Privilegien entzogen wurden. Selbst Gruppenembleme der Ultras, sei es auf der Kleidung oder Fahnen, sind verboten. Vor dem Spiel kommt daher nur „Stimmung“ auf, wenn Minimum 190 BPM aus den Boxen schallen.

Wir erzählen vom gestrigen Union-Spiel und über die Meckerei im Block. Der bärtige Bruder meint dazu nur trocken, dass die alle zu Roda kommen sollen und dadurch „ein wenig Demut erfahren können“. Er selbst hat in den letzten zwei Jahren keinen Sieg seines Vereins mehr live im Stadion gesehen und seit gut einem Jahr nicht einmal mehr ein einziges Tor. Er selbst wohnt seit geraumer Zeit in Berlin, ist aber sehr häufig noch in Kerkrade und begleitet Roda auch soweit es möglich ist auswärts. Er lehnt unser Angebot ab, uns zum Auswärtsspiel am Sonntag nach Düsseldorf zu begleiten, mit dem Hinweis darauf, dass er zur gleichen Zeit im Gästeblock in Alkmaar steht. Guter Mann!

Das Spiel bietet 25 Minuten lang nichts an, erst dann kommt Roda zu einer Chance, die aber der Ex-Bundesliga-Star Dani Schahin kläglich versiebt. Dies war es dann aber für Roda und Zwolle kommt besser ins Spiel. So erläuft Queensy Menig einen zu kurzen Rückpass auf Roda Schlussmann van Leer, legt den Ball an ihn vorbei, lässt sich dann aber zu viel Zeit den Ball ins Tor zu schieben, so dass ein Verteidiger den Ball noch vor der Linie weggrätschen kann. Wenig später macht er es besser. Er passt von der Mittellinie in den Lauf von Ryan Thomas, der im 16er quer zu Youness Mokthar spielt und dieser kann ins leere Tor einschieben (40. Minute). Zwolle versäumt danach auf 2:0 zu erhöhen, Chancen sind danach noch vorhanden, und so geht es mit der knappen Führung in die Pause.

In der Halbzeitpause, während Nadjuschka und ich auf der „Dick Nanninga Promenade“ zum Bierstand flanieren, läuft uns doch glatt der verrückte Tischfinne (stimmt, der ist ja auch hier) in die Arme. Mit ihm zusammen gehen wir wieder in den Block und haben scheinbar gerade das Halbzeitspiel verpasst. Es steht noch ein überdimensionaler Bierkasten der lokalen Biermarke „Brand“ im Mittelkreis und Hoolger mutmaßt, dass sich dieser öffnet und Huub „Feuerwehrmann“ Stevens heraussteigen wird, um Roda vor dem Abstieg zu retten.

Aber vielleicht schaffen sie es auch so, denn kurz nach Wiederanpfiff gleichen die Hausherren aus (48. Minute). Eine halbhohe Flanke möchte Roda-Stürmer van Welzen am kurzen Pfosten eigentlich mit der Hacke verwerten, aber er bekommt den Ball ans Hinterteil und der Ball geht von diesem ins Tor. Dieses seltene Erlebnis wird bei uns im Block umso heftiger gefeiert und so stehen wir nach dem Torpogo mit leeren Bierbechern da, dessen Inhalt sich nun größtenteils auf Hoolgers Jacke befindet. Freud und Leid liegen halt oft sehr nahe beisammen! Die Gäste werden danach mehrfach von Rodas Verteidigung zum Führungstreffer eingeladen, nutzen aber keine der ihnen gebotenen Gelegenheiten. Am Ende macht der eingewechselte Belgier Beni Badibanga seinem Name alle Ehre und haut den Ball aus 25 Metern aufs Tor, trifft die Latte und der ebenfalls eingewechselte Rosheuvel köpft den Abpraller ins Tor (89. Minute). Jubel, Trubel und Heiterkeit im Block, kurz danach ist Schluss. Dreckige und unverdiente Siege sind die schönsten und genau genommen weiß keiner in unserer Reisegruppe wie Zwolle dieses Spiel noch verlieren konnte. Oder wie der Berliner sagt: „Dit war nich so dolle, PEC Zwolle!“.

Nach dem Spiel werden wir in das im Stadion liegende Supportershome „De Schacht“ eingeladen. Dort ist in sehr schönem schwarz-gelben Ambiente die Party im Gange, passend dazu zeigt ein Bildschirm die Ergebnisse und die Tabelle der Eredivisie im Videotext. Dort treffen wir auch die sitzenden Eltern wieder, die genauso froh und erleichtert über die drei Punkte im Abstiegskampf sind wie ihre beiden Söhne. Folgerichtig ist die Familienbande am Zapfhahn genauso motiviert wie die vier FUDUs und so hält selten einer der Beteiligten weniger als zwei kleine Bier zeitgleich in den Händen. Zwischendurch werden sogar noch belegte Brötchen aufs Haus gereicht, ergo gibt es heute statt eines Cateringverlierers nur versorgte Bürger!

Musikalisch läuft viel deutschsprachige Party-Mucke („Sie hatte nur noch Schuhe an“, „Die immer lacht“), Techno (Überraschung!) und das von mir beim Disc-Jockey gewünschte nationale Meisterwerk „Radar Love“ von Golden Earring, welches natürlich von uns Kreativköpfen in „Roda Love“ umgetextet wird. Nach dem Rausschmeißer „Über den Wolken“ ist für uns und die restlichen Unentwegten Schicht im „De Schacht“.

Einer der übrig gebliebenen Gäste klettert zu unser Überraschung auf dem Weg aus dem Stadion noch in einen Versorgungsstand hinein und kommt mit einer Großpackung Kartoffelchips wieder heraus. Er nimmt sich seinen Anteil heraus und so stehen wir am Ende mit dem Diebesgut an der Bushaltestelle. Der Busfahrer schaut nur kurz irritiert auf unsere abgelaufenen Fahrkarten und die unzähligen Chipspackungen, winkt uns aber durch. Beim Ausstieg fragt Nadjuschka ihn, ob er Chips haben möchte, er bejaht und schon wirft sie eine Packung in den Führerstand. Er bedankt sich, wir ebenso, auch wenn wir doch nicht gratis gefahren sind, sondern wie im Stadion mit Chips bezahlen mussten. Dann machen wir uns auf den Weg Richtung Markt.

Da wir noch Brand haben und auf dem Weg zur Herberge ein Lokal geöffnet ist, kehren wir natürlich ein. Ein paar abgekämpfte Trinker sitzen noch am Tresen, es läuft Musik und auch die Wirtin scheint motiviert zu sein, weitere Bestellungen entgegenzunehmen. Also noch ’ne Runde Brand Bier bestellt und der DJane „Radar Love“ geflüstert! Bier und Song kommen prompt und sogar die Kollegen am Tresen wippen ein wenig mit den Füßen.

Beim Verlassen der Lokalität stelle ich, leicht lädiert, fest, dass das für einen Werktag eine amtliche Ziehung war, worauf der Wirtschaftsflüchtling entgegnet, dies sei für ihn ein ganz normaler Donnerstag gewesen. Sei es wie es sei, wir haben an diesem „Thirsty Thursday“ (O-Ton Wirtschaftsflüchtling) alles gegeben! Nadjuschka holt sich sogar noch eine Flasche Wein aus dem Herbergskühlschrank und nach einem kurz Schnack in einem der Zimmer wird der Tag für beendet erklärt und sich für morgen zum Frühschoppen Frühstück verabredet. /hool