710 710 FUDUTOURS International 21.11.24 07:23:26

30.05.2015 Hellas Verona FC – Juventus FC 2:2 (0:1) / Stadio Marcantonio Bentegodi / 23.149 Zs.

Saisonende in Deutschland. Mit der spielfreien Leidenszeit vor der Brust entscheidet sich FUDU et la Famiglia für einen Ausflug nach Italien und das, obwohl dort bereits alle Messen gelesen sind. Juventus ist rechnerisch nicht mehr von der Tabellenspitze zu verdrängen und wird den Scudetto zum vierten Mal in Folge erhalten und Hellas hat sich im sicheren Mittelfeld der Tabelle eingependelt. Neben der sportlichen Unbedeutsamkeit bewegen sich die Flugzeiten im sportlichen, die Flugkosten (→ Lufthansa) im nicht durch Sportwetten gedeckten Bereich. Was soll’s. 26 Grad° und Sonne, Fußball und ein weiteres Stadion der Italia 90 sind bekanntermaßen immer jeden Taler wert.

Obendrein stellt sich Verona nach einer ausgiebigen Sightseeing-Runde als eine überaus schöne Stadt dar, die absolut eine Reise Wert ist. Malerische Straßen, Flaniermeilen entlang der Etsch, die Ponte Pietra, ein großes Amphittheater inmitten des Stadtzentrums, imposante Stadttore, das Castelvecchio mit der angrenzenden Ponte Scaligero und natürlich die Schauplätze von Shakespeares „Romeo et Giulietta“ lassen sich als touristische Hotspots benennen. Fetti grüßt dann ab sofort von der Wand des Innenhofes des Hauses der Julia, an dem normalerweise verliebte Paare kitschige Liebes(ge-)schwüre hinterlassen.

Hellas Verona feiert derweil den Gewinn des Scudetto von 1984/85. Alkoholiker und Rechenfüchse haben blitzschnell erkannt, dass es an der Zeit für ein Jubiläumspilsner ist. Die schlauen Marketingstrategen Hellas‘ geben anlässlich dieses Umstandes wirklich schicke Retrotrikots heraus, die mich beinahe zu einem Kauf animieren. Wesentlicher Bestandteil der Meistermannschaft 85 war neben Preben Elskjær Larsen übrigens ein gewisser Hans-Peter Briegel, der Hellas noch heute eine „Fan“-Freundschaft mit dem 1.FC Kaiserslautern beschert. Am Stadion Marcantonio Bentegodi angekommen ist jedoch schnell klar, dass es sich eher um eine Freundschaft zu einer zumindest hooligannahen Gruppe namens „Brigade Barbarossa“ handelt. Selten so viele ekelhafte Kanten auf einem Haufen gesehen – und auch Hellas bietet mit das Beste auf, was der rechte Rand in Venetien so zu bieten hat. Fette, muskulöse, tätowierte, glatzköpfige Stiernacken und eine gut bestückte Casual-Fraktion schleichen bereits frühzeitig um das Stadion herum, sodass es einem schon ein wenig mulmig werden kann. Und immer, wenn man denkt, schlimmer wird’s nicht mehr, laufen dir noch scheinbare Normalos über den Weg, die dann aber blau-gelbe Shirts mit Reichsadler, Hellas-Logo und dem schmissigen Slogan „Gott mit uns“ darauf am Leib tragen und hiermit ungehindert durch die Straßen flanieren können. Vermutlich hatte die Wehrmacht einige gute Kicker in ihren Reihen, anders kann ich mir die Wahl dieses Mottos nicht erklären – Politik und Fußball haben ja bekanntermaßen nichts miteinander zu tun…

Angesichts der bedrohlichen Figuren kann ich meinen Bruder überreden, seine Juve-Mütze abzusetzen, die er dann, angekommen auf der scheinbar sicheren Haupttribüne auf Höhe der Mittellinie des monumentalen Stadions, welches der Schönheit der Stadt in Nichts nachsteht, wieder aufsetzt. Bei einem leckeren Paulaner aus der Dose für 4,00 Euro wird schnell klar, dass wir mit unseren 40,00 Euro teuren Tickets richtig Pech haben und aus Versehen inmitten eines Hellas-Stimmungsblocks gelandet sind. Keine fünf Minuten später haben uns auch schon erste Einheimische fixiert, die spürbar unsere Nähe suchen und uns argwöhnisch beäugen. Nur wenige Minuten später kommt ein älterer Mann auf uns zu und gibt uns auch ohne fundierte Italienischkenntnisse unsererseits zu verstehen, dass wir den Block zu verlassen haben. Dieser nachdrücklich vorgetragenen „Bitte“ kommen wir nach und finden mit nicht all zu viel Aufwand nicht viel schlechtere Plätze in der Kurve, von denen wir dann das Spiel ungestört – und nun auch endgültig gänzlich in zivil gekleidet – verfolgen können. Puh, aufregend.

Dafür, dass es in dem Spiel um nichts mehr geht, ist die Stimmung sehr gereizt und angespannt. Hellas gibt auf den Rängen Vollgas und kann in einigen Momenten mehr als nur überzeugen. In anderen Momenten geht es auf der Negativskala wieder ganz weit nach vorne, als es gegen Pogba deutlich vernehmbare Affenlaute aus dem ganzen Rund zu hören gibt. Juve hält mit gerade einmal 300-400 Mann dagegen. Auf dem Rasen zerreißen sich die blau-gelben Akteure, dem übermächtigen Gegner ein Bein zu stellen. Die abgebrühten Triple-Anwärter gehen aber durch Pereyra und Llorente zwei Mal in Führung. Im direkten Duell um die Torjägerkanone duellieren sich Toni, der das zwischenzeitliche 1:1 und somit seinen 22. Saisontreffer erzielen kann und Carlos Tévez – ein Zweikampf, der seinen Höhepunkt erreicht, als Tévez einen Elfmeter verschießt (88. Minute) und das Stadion im Anschluss ausrastet, als sei man gerade Meister geworden. Dieser scheinbare Stimmungssiedepunkt wird dann aber noch getoppt, als Gómez in der Nachspielzeit das 2:2 erzielt und man sich Sorgen machen muss, dass das an der einen oder anderen Stelle doch arg baufällige Stadion (Holzbänke im Unterrang, verrostetes Dach…) einstürzen könnte. Wie sehr hier alles unter Strom steht, zeigt sich noch einmal in der Nachspielzeit des 38. und letzten Spieltages, als sich Juve-Akteur Pepe sinnloserweise noch eine rote Karte wegen groben Foulspiels einhandelt und die Hellas-Tifosi noch weiter aus dem Sattel gehen und frenetischer Jubel einsetzt. Sensationelle Atmosphäre für ein solch belangloses Spiel!

Unter dem Strich bin ich nach dem Abpfiff angesichts der Begleitumstände dennoch froh, mir nicht vorschnell ein Trikot gekauft zu haben. Denn Fetti hebt den rechten Schweinefuße nur sehr ungern hoch zum deutschen Gruße!

Neben uns versucht sich derweil ein Prototyp mehrerer Generationen Pfälzer Inzucht im Hellas-Shop in ein XL-Hemd zu quetschen und kann es im Schweiße seines Angesichts kaum fassen, nicht in das Trikot hinein zu passen, doch freundlicherweise weist der Verkäufer ihn irgendwann darauf hin, dass es sich um ein hoffnungsloses Unterfangen und bei dem von ihm gewählten Nicki um eine Kindergröße handelt.

So darf man am Ende des Ausflugs also getrost festhalten: Wunderbares Stadion, wunderschöne Stadt – aber beim Fußball sollte hier offenbar gelten: FORZA CHIEVO! /hvg