Posted on April 6, 2017
06.04.2017 Roda JC Kerkrade – PEC Zwolle 2:1 (0:1) / Parkstad Limburg Stadion / 12.074 Zs.
Etwas zerknirscht trifft sich die Reisegruppe am Donnerstag Morgen im RB14 in Richtung Flughafen Schönefeld. Hatte doch unser, sich im Aufstiegskampf befindende, 1.FC Union Berlin gestern Abend gegen die abstiegsbedrohte Elf aus Aue mit 0:1 verloren. Nadjuschka, Hoolger und ich machten uns deshalb recht schnell nach dem Abpfiff aus dem Stadion in Richtung Heimat und selbst der sonst so durstige und gesellige Wirtschaftsflüchtling machte seinem Namen alle Ehre und flüchtete für seine Verhältnisse früh aus der stadionnahen Wirtschaft. Oha!
Dies ist wahrscheinlich auch der Grund, weshalb die erste Runde Dosenbrötchen am Flughafen auf ihn geht. So läuft es an diesem Morgen recht flüssig, bis ein Italiener vor uns in der Schlange für längere Verzögerungen sorgt, da er seinen mitgeführten Reisetresor nicht geöffnet kriegt. Irgendwann schafft er es und der BGS ist halbwegs zufrieden und so fliegt uns unsere Lieblings-Airline („Low fair – made simple“ oder so ähnlich…) ohne Verzögerung nach Köln-Bonn.
Reichlich unspektakulär wird die restliche Strecke mit dem Regio nach Herzogenrath zurückgelegt. Da wir uns den Bus sparen wollen, meistern wir die restliche Strecke von ca. drei Kilometern per Fuß ins Nachbarland. Vom Bahnhof führt unser Weg vorbei an einer Ladenzeile, in der sowohl ein Bestattungsunternehmen und ein Reisebüro sitzen, was die amüsante Kombination „Bestattungen Knoben … Ihr Urlaub in guten Händen“ ergibt. Sonst gibt es, bis auf eine Art Burganlage, nicht viel zu sehen, nicht mal ’n Büdchen oder ’ne Trinkhalle liegen am Wegesrand.
Ein wenig hügelig wird es nach dem Verlassen der winzigen Innenstadt, für niederländische Verhältnisse nehmen die Steigungen gar alpine Ausmaße an. Wir sind aber nicht sonderlich verwundert – war die Region rund um Kerkrade bis vor etlichen Jahren noch für ihren Steinkohleabbau bekannt. Kerkrade ist dann nach der Passage der „Dutch Mountains“ auch recht schnell erreicht und gleich der erste Laden erweckt unser Interesse, speziell das des Wirtschaftsflüchtlings. So offeriert dieser auf einem Schild „Kippen Ragout“, da pumpt bei ihm die Lunge, allerdings zu Unrecht, wie sich alsbald herausstellt. Schließlich befinden wir uns vor einem Fleischer und „Kippen“ hat die völlig unspektakuläre Bedeutung: „Hühnchen“.
Kurz vor der Herberge überfahren uns fast die „New Grandparents Turbo“ mit ihren Elektro Scootern. Dazu weht der „Mullet“ von Opi malerisch im Wind. Kurz danach betreten wir unsere heutige Herberge. Hoolger und der Wirtschaftsflüchtling sind dort schon vom letzten Mal bekannt und so gibt es auch heute zur Begrüßung wieder Kaffee und Kuchen, doch dieses Mal fällt die Gefährdeansprache (nicht, nicht, nicht, nicht und leise sein) aus, vielleicht auch weil die Dame des Hauses nicht da ist. So sitzen wir noch recht nett mit dem Herbergsvater Paul bei Kaffee und Kuchen zusammen. Nach der Inspektion der Zimmer (rustikaler Charme mit Gemeinschaftsklo) machen wir uns los und erreichen, nach der üblichen Frikandel in der Fußgängerzone, den Busbahnhof. Kurz dort orientiert, den richtigen Bus bestiegen, ab durch die Vorstadt und schon ist man am Stadion. Von außen ist dieses angenehm anzuschauen, schöne Flutlichter und gefällige Außenfassade, nur für die überdimensionale elektronische Werbetafel gibt es Punktabzug.
Vor dem Stadion treffen wir FUDUs bärtigen Bruder und seine Familie, die uns sogleich die Eintrittskarten übergeben. Seine Mutter fragt, wer denn heute „die Geschichte“ über das Spiel und das drumherum schreiben würde. Hoolger verweist auf seinen vor rund anderthalb Jahren geschriebenen Kerkrade-Bericht und deutet danach in meine Richtung: „Dieses Mal der da“. Naja, er ist halt der Chefredakteur, was soll ich machen?!?
Damals wie heute ist Zwolle der Gegner und schlimme Erinnerungen an die heftige 0:5 Klatsche aus dem November 2015 kommen hoch. Dies darf heute nicht passieren, zwar ist Roda, dank dem gestrigen 8:0 Feyenoords gegen die Go Ahead Eagles Deventer und der daraus resultierten „besseren“ Tordifferenz von -25 gegenüber Deventer (-29) nicht mehr Letzter, allerdings berechtigt dieser 17. Platz auch nur zur Teilnahme an der Relegation.
Wir verabschieden uns von den Eltern, welche es in einen altersgerechten Sitzplatzblock verschlägt und reihen uns dann mit FUDUs bärtigen Bruder und dessen nicht bärtigen in die Warteschlange vor der Westtribüne.
Beim Warten auf Einlass dröhnt aus dem Stadion die leider nicht atemlose Helene Fischer, daher empfinde ich es auch nicht als so schlimm, dass die Kontrollen heute gründlicher sind als in den vorherig bereisten niederländischen Stadien. Auf Grund der Pyroeinlage der Ultras Kerkrade beim letzten Heimspiel gegen Eindhoven wird heute penibler kontrolliert. Es dauert alles länger, aber unser Timing ist perfekt und so kommen wir um Helene F. drumherum UND sind gerade noch rechtzeitig vor Anpfiff auf unseren Plätzen hinter dem Tor.
Es ist schon sehr trist im Block, da der aktiven Fanszene nach der sehenswerten Pyroshow im letzten Heimspiel alle Privilegien entzogen wurden. Selbst Gruppenembleme der Ultras, sei es auf der Kleidung oder Fahnen, sind verboten. Vor dem Spiel kommt daher nur „Stimmung“ auf, wenn Minimum 190 BPM aus den Boxen schallen.
Wir erzählen vom gestrigen Union-Spiel und über die Meckerei im Block. Der bärtige Bruder meint dazu nur trocken, dass die alle zu Roda kommen sollen und dadurch „ein wenig Demut erfahren können“. Er selbst hat in den letzten zwei Jahren keinen Sieg seines Vereins mehr live im Stadion gesehen und seit gut einem Jahr nicht einmal mehr ein einziges Tor. Er selbst wohnt seit geraumer Zeit in Berlin, ist aber sehr häufig noch in Kerkrade und begleitet Roda auch soweit es möglich ist auswärts. Er lehnt unser Angebot ab, uns zum Auswärtsspiel am Sonntag nach Düsseldorf zu begleiten, mit dem Hinweis darauf, dass er zur gleichen Zeit im Gästeblock in Alkmaar steht. Guter Mann!
Das Spiel bietet 25 Minuten lang nichts an, erst dann kommt Roda zu einer Chance, die aber der Ex-Bundesliga-Star Dani Schahin kläglich versiebt. Dies war es dann aber für Roda und Zwolle kommt besser ins Spiel. So erläuft Queensy Menig einen zu kurzen Rückpass auf Roda Schlussmann van Leer, legt den Ball an ihn vorbei, lässt sich dann aber zu viel Zeit den Ball ins Tor zu schieben, so dass ein Verteidiger den Ball noch vor der Linie weggrätschen kann. Wenig später macht er es besser. Er passt von der Mittellinie in den Lauf von Ryan Thomas, der im 16er quer zu Youness Mokthar spielt und dieser kann ins leere Tor einschieben (40. Minute). Zwolle versäumt danach auf 2:0 zu erhöhen, Chancen sind danach noch vorhanden, und so geht es mit der knappen Führung in die Pause.
In der Halbzeitpause, während Nadjuschka und ich auf der „Dick Nanninga Promenade“ zum Bierstand flanieren, läuft uns doch glatt der verrückte Tischfinne (stimmt, der ist ja auch hier) in die Arme. Mit ihm zusammen gehen wir wieder in den Block und haben scheinbar gerade das Halbzeitspiel verpasst. Es steht noch ein überdimensionaler Bierkasten der lokalen Biermarke „Brand“ im Mittelkreis und Hoolger mutmaßt, dass sich dieser öffnet und Huub „Feuerwehrmann“ Stevens heraussteigen wird, um Roda vor dem Abstieg zu retten.
Aber vielleicht schaffen sie es auch so, denn kurz nach Wiederanpfiff gleichen die Hausherren aus (48. Minute). Eine halbhohe Flanke möchte Roda-Stürmer van Welzen am kurzen Pfosten eigentlich mit der Hacke verwerten, aber er bekommt den Ball ans Hinterteil und der Ball geht von diesem ins Tor. Dieses seltene Erlebnis wird bei uns im Block umso heftiger gefeiert und so stehen wir nach dem Torpogo mit leeren Bierbechern da, dessen Inhalt sich nun größtenteils auf Hoolgers Jacke befindet. Freud und Leid liegen halt oft sehr nahe beisammen! Die Gäste werden danach mehrfach von Rodas Verteidigung zum Führungstreffer eingeladen, nutzen aber keine der ihnen gebotenen Gelegenheiten. Am Ende macht der eingewechselte Belgier Beni Badibanga seinem Name alle Ehre und haut den Ball aus 25 Metern aufs Tor, trifft die Latte und der ebenfalls eingewechselte Rosheuvel köpft den Abpraller ins Tor (89. Minute). Jubel, Trubel und Heiterkeit im Block, kurz danach ist Schluss. Dreckige und unverdiente Siege sind die schönsten und genau genommen weiß keiner in unserer Reisegruppe wie Zwolle dieses Spiel noch verlieren konnte. Oder wie der Berliner sagt: „Dit war nich so dolle, PEC Zwolle!“.
Nach dem Spiel werden wir in das im Stadion liegende Supportershome „De Schacht“ eingeladen. Dort ist in sehr schönem schwarz-gelben Ambiente die Party im Gange, passend dazu zeigt ein Bildschirm die Ergebnisse und die Tabelle der Eredivisie im Videotext. Dort treffen wir auch die sitzenden Eltern wieder, die genauso froh und erleichtert über die drei Punkte im Abstiegskampf sind wie ihre beiden Söhne. Folgerichtig ist die Familienbande am Zapfhahn genauso motiviert wie die vier FUDUs und so hält selten einer der Beteiligten weniger als zwei kleine Bier zeitgleich in den Händen. Zwischendurch werden sogar noch belegte Brötchen aufs Haus gereicht, ergo gibt es heute statt eines Cateringverlierers nur versorgte Bürger!
Musikalisch läuft viel deutschsprachige Party-Mucke („Sie hatte nur noch Schuhe an“, „Die immer lacht“), Techno (Überraschung!) und das von mir beim Disc-Jockey gewünschte nationale Meisterwerk „Radar Love“ von Golden Earring, welches natürlich von uns Kreativköpfen in „Roda Love“ umgetextet wird. Nach dem Rausschmeißer „Über den Wolken“ ist für uns und die restlichen Unentwegten Schicht im „De Schacht“.
Einer der übrig gebliebenen Gäste klettert zu unser Überraschung auf dem Weg aus dem Stadion noch in einen Versorgungsstand hinein und kommt mit einer Großpackung Kartoffelchips wieder heraus. Er nimmt sich seinen Anteil heraus und so stehen wir am Ende mit dem Diebesgut an der Bushaltestelle. Der Busfahrer schaut nur kurz irritiert auf unsere abgelaufenen Fahrkarten und die unzähligen Chipspackungen, winkt uns aber durch. Beim Ausstieg fragt Nadjuschka ihn, ob er Chips haben möchte, er bejaht und schon wirft sie eine Packung in den Führerstand. Er bedankt sich, wir ebenso, auch wenn wir doch nicht gratis gefahren sind, sondern wie im Stadion mit Chips bezahlen mussten. Dann machen wir uns auf den Weg Richtung Markt.
Da wir noch Brand haben und auf dem Weg zur Herberge ein Lokal geöffnet ist, kehren wir natürlich ein. Ein paar abgekämpfte Trinker sitzen noch am Tresen, es läuft Musik und auch die Wirtin scheint motiviert zu sein, weitere Bestellungen entgegenzunehmen. Also noch ’ne Runde Brand Bier bestellt und der DJane „Radar Love“ geflüstert! Bier und Song kommen prompt und sogar die Kollegen am Tresen wippen ein wenig mit den Füßen.
Beim Verlassen der Lokalität stelle ich, leicht lädiert, fest, dass das für einen Werktag eine amtliche Ziehung war, worauf der Wirtschaftsflüchtling entgegnet, dies sei für ihn ein ganz normaler Donnerstag gewesen. Sei es wie es sei, wir haben an diesem „Thirsty Thursday“ (O-Ton Wirtschaftsflüchtling) alles gegeben! Nadjuschka holt sich sogar noch eine Flasche Wein aus dem Herbergskühlschrank und nach einem kurz Schnack in einem der Zimmer wird der Tag für beendet erklärt und sich für morgen zum Frühschoppen Frühstück verabredet. /hool
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