564 564 FUDUTOURS International 21.11.24 07:26:14

25.08.2019 FSV Spandauer Kickers – Füchse Berlin Reinickendorf 2:6 (1:2) / Sportanlage Staaken-West / 77 Zs.

Sonntag, 7.58 Uhr. Der ICE689 rollt aus Augsburg kommend nach neuneinhalb Stunden Fahrt am Berliner Hauptbahnhof ein. Nach einer wenig komfortablen Nacht auf ICE-Teppich quält sich Fetti aus dem Fernverkehrsmittel und blickt dennoch wohlwollend auf die vergangenen Stunden zurück. Das erste Auswärtsspiel des 1.FC Union Berlin in der Fußball-Bundesliga wäre also absolviert und dank eines späten Tores von Sebastian Andersson auch direkt der erste Bundesliga-Punkt der Vereinsgeschichte eingefahren. Fetti, Fans, Spieler, Trainerteam und der rumänische Kassenwart – alle zeigen sich gleichermaßen zufrieden mit diesem Saisonauftakt. Letzterer hatte vor dem Spiel das Motto „Der erste Versuch ist frei!“ ausgerufen und dank einiger gesammelter Bahnpunkte zwei Freifahrten für Fetti organisieren können. Ein Mal bayrisch Schwaben hin und zurück für 0 € – das muss gefeiert werden!

Zu diesem Zwecke gilt es, sich nach Ankunft in Berlin nicht zu lange auf die faule Haut zu legen, sondern sich direkt wieder in Bewegung zu setzen. König Fußball bittet bei strahlendem Sonnenschein zum Tanz. Klar, dass sich Fetti da nicht zwei Mal auffordern lässt, auch wenn seine körperliche Konstitution nach der nächtlichen Ochsentour quer durch Deutschland (Hat von Euch schon mal jemand in einem ICE gesessen, der in GÜNZBURG gehalten hat???) etwas zu wünschen übrig lässt. Naja. Für die „SpaKi-Arena“, wie der Platz von den Kickers wahrhaftig genannt wird, wird’s schon reichen…

Damit sich zwischen Ankunft und Abfahrt auch ja keine unnötige Frische einstellen kann, werden die Heimspiele der 1975 gegründeten Spandauer Kickers in dieser Spielzeit bereits um 12.30 Uhr angepfiffen. So müssen unsere beiden tapferen Auswärtsschweine (platt wie’n Schnitzel) aus dem Hause FUDU-Tours also schon um 11.00 Uhr am Ostkreuz bereitstehen, um dieses neue Abenteuer erleben zu können.

Keine 30 Minuten dauert die Regionalbahnreise in das westliche Ende der Stadt und schon kann man einen verträumten Blick auf das Rathaus Spandau werfen. In genau diesem Moment fährt ein Shuttlebus zum sagenumwobenen Trödelmarkt im Havelpark Dallgow-Döberitz vor. Es ist wohl die letzte Chance für heute, aus seinem Tag noch etwas sinnvolles herauszuholen, doch FUDU lässt diese sich bietende Gelegenheit nahezu gleichgültig verstreichen. Lieber sechste Liga in Staaken bei Spandau bei Berlin, als für „Bares für Rares“ nach ollen Punzen suchen.

Mit genau dieser festen Entschlossenheit ist kurz darauf auch der „M32“ in Richtung Staaken bestiegen. Die Adresse der „SpaKi-Arena“ (Brunsbütteler Damm 441) deutet bereits darauf hin, dass hier unter Umständen nicht die spannendste Busfahrt aller Zeiten bevor stehen könnte. Nach genau einmal abbiegen ist der Metrobus dann auch in der Tat bereits auf eben jenem Damm angekommen, um in Folge 14 Minuten lang stoisch auf ein und derselben Straße schnurstracks geradeaus zu fahren. Dort, wo die vierspurige Straße dann urplötzlich irgendwo im Nirgendwo auf dem Gelände des ehemaligen Flughafens Staaken endet, es nur noch Wendeschleife, Wiese und ein verfallenes Krankenhaus zu sehen gibt, muss man dann etwas verwundert aussteigen. Irgendwann einmal wird der Brunsbütteler Damm sicherlich bis zur brandenburgischen Landesstraße 20 verlängert werden, aber was seit 1990 nicht vorangekommen ist, kann ja ruhig auch noch etwas liegen bleiben. Kann ja nicht jeder so zielstrebig sein, wie unsere beiden unausgeschlafenen FUDU-Schweine, die es im Namen des Heiligen Kreuzes pflichtbewusst pünktlich nach Staaken hinaus geschafft haben und die es nun – nachdem man horrende 6 € für eine Eintrittskarte berappt hat (Kassenhaus geschlossen, aber die Hoffnung währte nur kurz!) – selbstredend direkt in das „SpaKi’s Inn“ zieht. Da gibt es kein Vertun.

„Unser Wirt Ghassan ‚Gasko‘ Almasalme bedient sie gern“, steht auf der Website der Spandauer Kickers geschrieben. Nun, dann muss „Gasko“ heute wohl einen ziemlich schlechten Tag erwischt haben. Anders ist es jedenfalls nicht zu erklären, warum er in seiner Muttersprache am Handy ein Streitgespräch führt und parallel dazu schlechte Stimmung im Gastraum verbreitet. Den ersten Kunden hat er bereits abgewatscht, ehe wir an der Reihe sind. Nachdem wir zwei Bier bestellt haben, flucht „Gasko“ am Telefon beherzt weiter und stellt uns dann drei frisch Gezapfte mit jeder Menge Schaum bereit, die er nun abzukassieren gedenkt. Der Umstand, dass wir uns lediglich bereiterklären, 2/3 hiervon zu bezahlen, dürfte seine Laune kaum heben und auch das Telefonat scheint nicht zu seiner Zufriedenheit zu verlaufen. Unter neuerlichen Schimpftiraden verlassen wir die Gaststätte und nehmen, ohne die nachfolgenden Kunden zu warnen, Platz auf einer der grünen Schalensitze auf der ausgebauten Geraden.

Seit 1996 sind die Kickers, die vorher im Helmut-Schleusener-Stadion zu Hause waren, in Staaken-West heimisch und hier des Öfteren auf dem Kunstrasen-Nebenplatz aktiv. Aber an diesem sonnigen Sonntag ist FUDU zu Gast, da kann man zur Feier des Tages getrost auf dem Naturrasen zum Heimspielauftakt der Berlin-Liga-Saison 2019/20 bitten. Wobei unsere Feinde womöglich ins Feld führen würden, dass dies weniger unseres Besuchs geschuldet ist. Nebenplatz 1 ist aufgrund von Sanierungsarbeiten bis einschließlich 28.08. gesperrt, der zweite Nebenplatz (in Planung/Bau seit 2015) aufgrund von gefundenen „Altlasten“ auf dem einstigen Flughafenareal und der notwendig gewordenen Umsiedlung von Zauneidechsen noch nicht ganz fertiggestellt. Dauert eben alles ein wenig in Staaken-West…

Spandaus Trainer Lukasz Lach (Spoiler: Wird heute wenig zu lachen haben) hat im Vergleich zur Vorwoche auf drei Positionen Veränderungen vorgenommen – anstelle von Erman, Pfingst und Riedel stehen Schultz, Ehm und Draeger in der Startformation. Was natürlich auch bedeutet, dass FUDU erneut in den Genuss kommt, Jesucristo Kote Lopéz beim Fußballspielen zuschauen zu dürfen. Soviel sei vorweggenommen: In den kommenden 90 Minuten wird der Superstar aus Äquatorialguinea keine tragende Rolle spielen.

Den ersten Akzent der Partie setzt Spandaus Dominik Dampke, der um ein Haar von einem Missverständnis zwischen Füchse-Keeper Hahn und seinen Vorderleuten profitieren kann. Kurz darauf dreht sich Engst gekonnt mit Ball unter der Fußsohle in den Füchse-Strafraum ein und wird relativ resolut umgeknüppelt. Sicherlich mag sich kein Abwehrspieler der Welt derart vorführen lassen und sicherlich ist es von Nöten, dann und wann ein Zeichen gegen solch überhebliche technische Sperenzchen zu setzen – womöglich ist der Zeitpunkt aber falsch gewählt, wenn man sich gerade im eigenen Sechzehner befindet. Den fälligen Elfmeter verwandelt Okan Tastan sicher, der Reinickendorfer Knüppler kommt zur Überraschung aller ohne gelbe Karte davon.

Die Antwort auf dem Platz geben die Füchse lediglich zwei Minuten später. Eine Ecke von Adigüzel segelt durch den Kickers-Strafraum, in dem niemand ernsthafte Anstrengungen unternimmt, zum Ball zu kommen. Bis auf Leonard Kirschner, der gefühlt als einziger in der Luft steht und somit beinahe unbedrängt zum 1:1 einköpfen kann (12. Minute).

Abermals vergehen nur fünf Minuten, bis die Partie den nächsten Höhepunkt zu bieten hat. Nach einem schnell vorgetragenen Angriff über die rechte Flanke und einem mustergültigen Pass in den Rücken der Abwehr steht Maik Haubitz, der mit Regional- und Oberligaerfahrung in dieser Saison zu seinem Jugendverein zurückgekehrt ist, vollkommen blank, jagt den Ball aus fünf Metern Torentfernung aber in die Staakener Wendeschleife. Oder, wie es der Senior hinter uns treffend formuliert: „Wenn er die einfachen auch noch machen würde, würde er wohl nicht bei den Füchsen spielen!“.

In der Trinkpause hat das Schiedsrichterkollektiv den größten Redebedarf. Während sich sowohl die Spandauer als auch die Reinickendorfer mit der ersten halben Stunde des Spiels recht zufrieden zeigen, müssen Referee Arwin Archut und seine Assistenten Kralisch und Trapp-Staack erste Unsicherheiten in der Spielleitung nachbesprechen. Derart selbstreflektiert kennt man ja sonst nur Fetti und seine Freunde, die just in diesem Moment selbstverliebt feststellen, dass die Entscheidung gegen den Trödelmarkt die einzig richtige gewesen war. Nur gute Leute bei FUDU-Tours!

Unmittelbar im Anschluss an die Trinkpause lässt Spandaus Nationalspieler „Jhony“ im gegnerischen Strafraum alle alt aussehen. Im Stile der legendären „Okocha-Szene“ liegen bereits mehrere Füchse-Verteidiger hilflos am Boden und krabbeln dem Ball mit Knoten in den eigenen Beinen nur noch hinterher, doch „Jhony“ schlägt noch einen Haken und noch einen und verpasst letztlich den Moment, um diese fantastische Aktion zu einem krönenden Abschluss zu bringen.

Es soll der letzte Aufreger der ersten 45 Minuten bleiben, die zwar einige Highlights zu bieten hatte, in erster Linie aber aufgrund unzähliger technischer Unzulänglichkeiten beider Mannschaften, vieler Unterbrechungen und vor allen Dingen wegen der Unruhe von Außen nie richtig ins Rollen gekommen war. Man darf gespannt sein, in wie weit sich die beiden Trainerteams und Fanlager hier in der zweiten Halbzeit noch in die Haare kriegen werden…

In der Halbzeit bedient uns Ghassan „Gasko“ Almasalme genauso gern, wie vor dem Spiel. Dem Ansturm der 77 durstigen Zuschauer kann er zwar nicht gänzlich gerecht werden, findet aber immerhin eine kreative Lösung, indem er die halbvollen, gezapften, abgestandenen Schaumbierbecher einfach mit Flaschenbier auffüllt. Macht natürlich trotzdem 2,50 € – und wieder ist irgendwo ein Biergourmet gestorben…

Der zweite Abschnitt startet mit einem Paukenschlag. Eine Flanke aus dem Halbfeld, so schön wie der Name des Flankengebers (Josué Moy De Almeida), übertrölpelt die noch unsortierte SpaKi-Defensive. In der Mitte steht Maiks älterer Bruder Steven Haubitz goldrichtig und kann den Ball per Kopf zum 1:2 verwerten. Oder, wie es der Senior hinter uns treffend formuliert: „Wir wollen uns ja bald in FC Haubitz umbenennen!“.

In der 52. Minute ist es dann soweit und die Umbenennung nimmt langsam Formen an. Abermals stellt eine simple Füchse-Ecke Spandaus Defensive vor unlösbare Probleme. Dieses Mal wird Maik Haubitz sträflich allein gelassen, der sich solche Gelegenheiten natürlich nicht (oder nur selten, s.o.) entgehen lässt.

Die Vorentscheidung fällt nur sieben Minuten später. Wieder Ecke von Adigüzel, wieder Kopfball, wieder Haubitz, wieder Tor. Saisontor Nummer 4 an Spieltag Nummer 3 für Maik Haubitz! Wer Standardsituationen so verteidigt, der muss sich wahrlich nicht wundern, dass er nach 60 Minuten gegen den „FC Haubitz“ mit 1:4 hinten liegt…

Vielleicht haben wir die Spandauer Kickers aber auch zu früh abgeschrieben. Gerade einmal 120 Sekunden später stellen diese nämlich unter Beweis, dass auch sie in der Lage sind, gefährliche Ecken zu treten. Okan Tastan gelingt in der 62. Spielminute jedenfalls ein besonders ansehnliches Exemplar. Sein Versuch von der Eckfahne landet ohne Umwege im Dreiangel – eine direkt verwandelte Ecke in der Berlin-Liga hätte uns sicherlich die Schuhe ausgezogen, wenn wir dies angesichts der hochsommerlichen Temperaturen nicht bereits freiwillig getan hätten.

Vielleicht haben wir die Spandauer Kickers aber auch zurecht abgeschrieben. Gerade einmal vier Minuten später stellen diese nämlich unter Beweis, dass sie nicht in der Lage sind, Maik Haubitz zu verteidigen. Trotzers Abschluss kann Spandaus Keeper Badran noch gerade eben so per Glanzparade an den Pfosten lenken, doch Haubitz staubt mit sehenswertem Flugkopfball zum 2:5 ab (66. Minute).

Nun könnte sich das Spiel endlich einmal beruhigen. 2:5 und nur noch knappe 25 Minuten zu spielen. Kein Grund, für das Trainerteam der Füchse und den mitgereisten Anhang, einen Gang zurückzuschalten. Erst holt sich Coach Thielecke nach einer belanglosen Schiedsrichterentscheidung im Mittelfeld eine gelbe Karte wegen Meckerns ab, dann kommt es auf den Traversen beinahe zu Handgreiflichkeiten zwischen den Füchse-Fans und einem Mitglied aus dem SpaKi-Staff, der das gesamte Spiel über hinter der Kamera gestanden und das Defensiv-Dilemma seiner Mannen gefilmt hatte. Glück für den Reinickendorfer Mob, dass der Videoanalyst offenbar noch keine Zeit gefunden hat, sich die eine oder andere Eckensituation in Ruhe anzuschauen. Sonst wäre die Wut wohl groß genug gewesen, um eine schlagkräftige Antwort auf das primitive Gepöbel zu finden…

Den Schlusspunkt hinter diese vogelwilde Partie setzt dann der eingewechselte Mert Bulut, der nach einem fulminanten Alleingang erst an Badran scheitert, den Abpraller aber selbst zum 2:6 verwerten kann. Spiel, Satz und Sieg für die Füchse in Minute 88!

Nach dem Spiel erinnere ich mich plötzlich daran, dass es in Staaken auch einen Bahnhof gibt, in dessen Nähe sich eine kleine Gaststätte befindet. Wohl dem, der dieses verlassene Fleckchen Erde bereits einmal ausgekundschaftet hat und da wäre es doch gelacht, wenn man für die Rückfahrt in die große Stadt zwingend nochmals auf den Dorfbus zurückgreifen müsste. Eine kurze Recherche ergibt, dass bis zum „Grenz-Eck“ gerade einmal 1,3 Kilometer zurückzulegen sind und schon schlüpfen die beiden FUDU-Schweine topmotiviert in ihre Schlappen..

Gegen 14.30 Uhr ist das verheißungsvolle Lokal erreicht. Der Sonntags-Brunch ist glücklicherweise um 13.00 Uhr zu Ende gegangen, der Laden angenehm leer, die Terrasse sonnig und der heutige Mittagstisch verspricht Sauerbraten mit Rotkohl und Kartoffeln für 7,90 €. Alles richtig gemacht, möchte man meinen, doch da hat FUDU seine Rechnung ohne West-Staaken gemacht. „Tut mir leid, Essen ist ausverkauft, hier kommt man um 12.00 Uhr zum Mittag“, weiß die Kellnerin die spießigen Spielregeln gekonnt zusammenzufassen. Hätten sie das Spiel um 10.00 Uhr angesetzt, hätten wir alles geschafft. Aber so endet das Abenteuer Berlin-Liga dieses Mal mit knurrenden Mägen und der Gewissheit, dass die Bahnfahrt nach Hause wenigstens nicht wieder neuneinhalb Stunden dauern wird… /hvg