Posted on September 7, 2018
07.09.2018 FK Srbija Berlin – Tennis Borussia Berlin 1:5 (0:2) / Sportplatz Ziegelhof / 250 Zs.
Freitagabend, Flutlicht. Paul-Rusch-Pokal in Serbien. Leidenschaft, Pyrotechnik, streunende Hunde, Ćevapčići – Balkan halt. Diese verlockende Aussicht auf soviel Schönes trägt heute gleich drei FUDU-Jünger durch den (Arbeits-)tag, auch wenn der Tagesausflug nach Србија etwas dadurch beschnitten ist, dass das Spiel aus Sicherheitsgründen leider in Spandau bei Berlin stattfinden wird.
Dennoch ist die Vorfreude mit Händen greifbar, als man sich zu dritt vom Bahnhof Spandau fußläufig in Richtung Havel begibt. Der Sportplatz Ziegelhof, der im Ligabetrieb vom FC Spandau 06 bespielt wird, glänzt zunächst einmal durch seine schöne Lage in Wassernähe. Der Tickermann von fupa.net lässt es sich auch nicht nehmen, eindringlich auf diese Idylle hinzuweisen: Man kann sogar „die Masten der Schiffe sehen!“ – beeindruckend. Weniger schön hingegen ist, dass der Gastgeber der heutigen Erstrundenpartie offenbar einen zahlenmäßig starken Gästeanhang erwartet und den großen Reibach machen will. 8,00 € Eintritt für ein Heimspiel eines Landesligisten liegen jedenfalls deutlich über den Erwartungen Fettis, der nur noch einen Fünfer einstecken hat und sich daher ermäßigten Eintritt erschleichen muss. Völlig mittellos begibt er sich im Anschluss in die Obhut seiner Freunde, die ihm ein Bier vorfinanzieren. Ein serbischer Schankwart ist redlich (TeBe-Party-Army, nimm das!) bemüht, aus circa 37 Bechern voller Schaum drei komplette Bier zusammenzuschustern. Und so schüttet er einen Becher in den nächsten und lässt das flüssige Gold wie bei einem Hütchenspiel geschickt hin und her wandern, ehe er wieder alles zurück auf Anfang setzt und ab und zu den Hahn aufdreht, bis die Freude wieder überschäumt. Nur der erfahrene Biersommelier weiß: Drei gute Biere dauern nun mal 21 Minuten!
Die Entscheidung gegen die Ćevapčići vom Sportplatz ist dann wesentlich schneller gefallen. Niemand dreht FUDU lieblos in die Fritteuse gekippte Tiefkühl-Würste für dreiste vier Euro an. Was zur Hölle ist los mit Dir, ФК Србија?
Aber so ist es nun einmal häufiger, wenn man mit einer zu hohen Anspruchshaltung an Dinge herangeht. Da kann man nur immer und immer wieder aus „Hot Shots“ zitieren, jenes intellektuelle Meisterwerk des späten 20. Jahrhunderts, welches nicht völlig zu Unrecht mit dem Untertitel „Mutter aller Filme“ versehen wurde: „Hey Topper, was liest du da?“ – „Große Erwartungen“ –
„Und, ist es gut?“ – „Ich hab mir mehr davon erhofft…“!
So also stehen wir mit unserem abgestandenen Bier, welches schal schmeckt, auf Höhe der Mittellinie und werfen einen Blick auf den Sportplatz. Dieser ist auf beiden Längsseiten mit Stehstufen ausgebaut. Auf der uns gegenüberliegenden Seite befinden sich gut 50 TeBe-Fans und darüber hinaus auch zwei kleine Holzpodeste der Marke Eigenbau, die dem neutralen Beobachter Gelegenheit zum Sitzen bieten. Als die beiden Teams den Rasen durch ein hochnotpeinliches aufblasbares Sponsoren-Spitzenspiel-Portal betreten, schätzen wir die Zuschauerzahl auf 160. Eine offizielle Angabe wird man später nirgends im Internet finden – nur die gute alte „Fußball-Woche“ vermeldet am Montag 250 zahlende. Müssen wir uns wohl auf diese Hausnummer verlassen.
Bei Daniel Mihajlovic, korpulenter Torhüter der Gastgeber, ist nach wenigen Spielminuten ebenso die Luft raus wie aus dem „AOK“-Gummi. Nachdem er die ersten beiden Abschläge vom Boden ins Seitenaus und maximal 35 Meter weit befördern konnte, übernimmt nun ein Verteidiger Verantwortung, um zwei weitere Versuche zwar zehn Meter weiter weg vom eigenen Tor, aber leider ebenso ins Seitenaus zu dreschen. In Ermangelung von Balljungen und bereitgelegten Reservebällen natürlich auch ein Mittel, um Zeit von der Uhr zu nehmen. TeBe hat so jedenfalls in den ersten zehn Minuten durchaus Problemchen, in das Spiel zu finden, doch dann lässt Fettis Freund Mihajlovic einen Kopfball aus Nahdistanz nach vorne prallen und Türkiyems ehemaliger Goalgetter Bekai Jagne sagt aus dem Gewühl heraus abstaubend „Danke“. Karim Benyamina, der laut Spielberichtsbogen genau seit heute urplötzlich Marco Karim Benyamina heißt, zeigt zehn Minuten später seine Klasse, doch leider kann sein halbhoher Zuckerpass hinter die vielbeinige Abwehrkette Srbijas durch Perkovic nicht verwandelt werden. Ansonsten wehrt sich der Außenseiter tapfer, kann in der 22. Minute mit letztem Einsatz einen Ball von der eigenen Torlinie kratzen und setzt dann erste eigene Akzente: TeBe-Torwart Aktas wird nach 25 beschäftigungslosen Minuten beinahe durch einen harmlosen Mondball überrumpelt, den er etwas stümperhaft direkt vor die Füße des angreifenden Mehmet Aydin abwehrt, welcher aber kläglich versiebt. Mit einem direkten Freistoß gelingt Srbija sechs Minuten später um ein Haar der Ausgleich, doch die gerade geweckten Hoffnungen auf eine Sensation erstickt Thiago Rockenbach da Silva in der 38. Minute mit einem wirklich herausragend guten Freistoß in den Winkel im Keim. Ein Tor, welches ich schöner nicht hätte erleben können – Hintertorperspektive! Mein Bierdurst, die zu erwartende Schaumparty am Bierstand (Sieben Minuten muss man dann für einen Becher schon einplanen, s.o.) und das mir überlassene Fremdkapital hatten es möglich gemacht…
In den zweiten Spielabschnitt startet Srbija aufgrund der letzten Positiverlebnisse des ersten Abschnitts (ein guter Angriff und einen Lattentreffer nach Eckball in der Nachspielzeit) recht beschwingt. So ganz haben sie den Glauben an eine Überraschung noch nicht aufgegeben, doch als nach gut einer Stunde die Kräfte schwinden und der erfahrene Abwehrchef Ronny Ermel nach 58 Minuten verletzungsbedingt das Feld verlassen muss, brechen hinten alle Dämme. Mit einem Doppelschlag in der 63. und 64. Minute schraubt Bekai Jagne das Ergebnis standesgemäß in die Höhe. Zwei Tore, die wir nur am Rande mitbekommen, weil sich FUDU in schwerer Recherchearbeit verheddert hat: Wer ist dieser blonde Jungspund mit der 24 von TeBe, der sich hier warmläuft? Doch nicht etwa ein ehemaliger Schüler von mir? Ergebnis der Recherche vom Ziegelhof: Fussball.de nennt 17 von 18 Kaderspielern der Borussen bei Namen. Nummer 24 bleibt auf diesem Medium bis heute unbekannt. Aber, bevor ich irgendeine dicke SAT.1 Blondine auf Spurensuche schicke, die dann 700 Ämter abklappert, 400 Nachbarn befragt, Anzeigen in Berliner Tageszeitungen schaltet und in Archiven von Kindertagesstätten wühlt, ehe sie google benutzt, übernehme ich das zu Hause lieber selbst und fange bei „Vermisst!“-Recherche-Stufe-5 an. Und siehe da, Tennis Borussia meldet auf seiner/ihrer/* Website eine Einwechslung von Lucas Nico Gurklys in Minute 64. Kenn ick nich.
Den Ehrentreffer erzielen die derben Serben dann in der 75. Minute. Nach einem Freistoß aus dem Halbfeld steht TeBe defensiv erstaunlich luftig, Aydin kann den Ball gut annehmen, verarbeiten und in die lange Ecke schieben. Enttäuschend, dass selbst in diesem Moment keine Stimmung auf dem Sportplatz aufkommt – kaum Jubel, keine Ekstase, keine Provokationen, keine Pyrotechnik. Und neben uns gibt es hier übrigens auch keinerlei weitere streunende Köter. Ein bisschen mehr Balkan hätte es dann schon sein dürfen. Liegt aber vielleicht auch daran, dass hier keiner was am Ball kann.
Nach dem 5:1 durch Jagne, der nach einem Eckstoß und einem Flachschuss von Göwecke in der 85. Minute noch die Hacke an das Spielgerät bekommt und so seinen vierten Treffer des Tages erzielt, hört man dann auch erstmals die Fanszene TeBe’s, die nun den „Ao-ka-Pokal“ besingen und dem Vernehmen nach demnächst nach Berlin fahren werden. Auch der englische Klassiker rund um das Thema Bier wird zum Besten gegeben, wobei man diesen hier natürlich hätte umformulieren müssen: Please take me home, don’t wanna drink your foam!
Ansonsten befindet sich die Szene weiterhin im Protest gegen ihren windigen Geldgeber, der, wer hätte es ahnen können, mittlerweile allen im Dschungelcamp am Eichkamp mit seinen dubiosen Machenschaften auf die Nerven geht.
So sind auch die Feierlichkeiten von Mannschaft und Fans heute von keiner großen Euphorie geprägt. Marco Karim wird gleich schnell zu Hause sein, zumal er für seinen Mustang einen Top-Parkplatz in Sportplatznähe gefunden hat. Unsere Reisegruppe hat es auch etwas eilig und lässt den „Spandauer Bierbrunnen“ links liegen. Der Weg aus Serbien in Spandau bei Berlin zurück in die Innenstadt ist dann aber doch zu weit, ihn gänzlich ohne Bier bewältigen zu können. Und so kehrt Fetti mit seinen Freunden noch im „real,-“ ein und lässt den lauen Pokalabend königlich, aber mit Schulden, ausklingen. /hvg
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