747 747 FUDUTOURS International 26.04.24 02:07:08

26.05.2018 Brønshøj BK – Næsby BK 2:2 (0:0) / Tingbjerg Idrætspark / 454 Zs.

Es ist 5.30 Uhr in der Früh. Soeben hat mein Wecker geklingelt. Ich recke und strecke mich und schüttele mir die Nacht auf den Sitzbänken des Flughafens Marco Polo aus dem Skelett. Ein kurzer Moment der Orientierung genügt und schon ist Fetti eingenordet: Jetzt schnell aus Venedig zur Arbeit fliegen, die Rucksäcke austauschen und nach Feierabend nach Dänemark düsen. So stelle ich mir einen gelungenen Casual Friday vor, Freunde!

Knappe sechzehn Stunden später rollt dann auch schon der Tschechenbentley des FUDU-Pärchens mit mir an Bord in Rostock auf die Fähre. Die Preise für Alkoholika sind abermals sehr kundenfreundlich gestaltet, sodass wir bereits knappe sechzehn Sekunden nach Abfahrt drei Rammen Dosenbier und eine Stiege „Faxe Kondi“ auf dem kleinen Tisch vor unserer Sitzgruppe aufgetürmt haben. Das Trinken an Bord ist weiterhin erlaubt – fähre Geste! – und auch mein Arbeitstag hat sich gelohnt, insofern, als dass ich einige übrig gebliebene Leckereien vor der Entsorgung bewahren konnte und FUDU nun durch den Abend füttern kann. Um 1.00 Uhr haben wir das Domizil unseres dänischen Gastgebers erreicht und händigen als Begrüßungsgeschenk stilecht eine Flasche „Berliner Luft“ und einen Brotaufstrich namens „Berliner Spreeschlamm“ aus, welcher in der Kopenhagener Straße hergestellt wird. Als hätte es diese zusätzliche völkerverbindende Symbolik noch gebraucht…

Nach einem letzten gemeinsamen „Berliner Pilsner“ des Tages und einer darauf folgenden geruhsamen Nacht im Fußballkeller, schwärmen die FUDU-Schweine am Samstagvormittag auch bereits wieder aus, um sich für das heutige Barbecue am Abend einzudecken. Aufmerksame Leser des Blogs wird es bereits dünken: FUDU in Dänemark? Ist denn schon wieder Champions-League-Finale? In der Tat, unsere traditionsbewusste Gruppe weilt nun das vierte Jahr in Folge in der FUDU-Exklave-København, während in Europas Königsklasse zum entscheidenden Spiel gebeten wird. Bereits während des Einkaufs kennt unsere Kreativität keine Grenzen mehr und so entsteht dank der Finalteilnahme Liverpools ein legendärer Mo-„Skinke-Salah“-Song, während sich der Hoollege und der „Fischkopf“ an der Wettbude der Tanke verausgaben. Aufgrund nicht ausreichender Dänischkenntnisse kreuzt der Hoollege irgendetwas mit AIK Solna, Heimsieg Brønshøj und Doppelpack Salah an.

Doch bevor wir uns gedanklich bereits zu sehr auf diese Glitzerwelt einlassen, gilt es schleunigst die Ärmel hochzukrempeln und ein Dosenbier zu öffnen. Vorher gibt es nämlich noch echten Fußball an der Basis zu sehen. Im „Tingbjerg Idrætspark“ wird heute der Brønshøj BK den Boldklub aus Næsby empfangen. In der Abstiegsrunde der dritthöchsten dänischen Spielklasse sind nur noch vier Spiele zu absolvieren. Aktuell steht der Gastgeber mit 22 Punkten knapp über dem Strich, während die Gäste mit zwei Punkten weniger in der Abstiegszone rangieren. Für Spannung dürfte also gesorgt sein, zumal unser Gastgeber einen persönlichen Bezug zu Brønshøj hat. Als Mitglied des Trainerteams der Veteranenmannschaft fiebert er heute besonders mit. Unsere Unterstützung ist ihm ohnehin sicher, dennoch lässt er es sich nicht nehmen, Nadjuschka im Fußballkeller mit einem wunderbaren Torwarttrikot der „Hvepsene“ (→ Wespen) zu versorgen, welches sich sogleich der Hoollege unter den Nagel reißt und anprobiert. Auf dem Weg zum Stadion sammeln wir den Schwiegervater unseres Gastgebers ein, der einst Cheftrainer der ersten Mannschaft war und uns daher heute freundlicherweise mit VIP-Karten für den Abstiegskracher versorgen kann. Wohl dem, der Kontakte hat!

In Begleitung des Ex-Coaches schlendern wir durch die Katakomben, vorbei an den Umkleidekabinen, begutachten historische Mannschaftsfotos, hier ein Handschlag, dort ein freundliches Hallo. Und plötzlich stehen wir in der urigen Clubkneipe, wobei ich mir nicht sicher bin, ob es überhaupt einen anderen Zugang zu dieser gegeben hätte oder ob nicht schlicht und ergreifend alle Fußballfreunde – VIP hin oder her – genau diesen Weg nehmen müssen. Wir machen es uns bei „Tuborg Grøn“ gemütlich, auch weil uns zugetragen wird, dass sich der Anpfiff des Spiels wegen einer Gewitterwarnung auf unbestimmte Zeit verzögern wird. Draußen sind zwar einige wenige dunkle Wolken aufgezogen, dennoch scheint die Maßnahme auf den ersten Blick etwas überzogen zu sein. In Dänemark lässt man seit 2009 diesbezüglich jedoch besondere Vorsicht walten, nachdem Jonathan Richter vom FC Nordsjælland im Training von einem Blitz getroffen wurde und in letzter Konsequenz seinen Unterschenkel verlor.

Die strikten Regularien des dänischen Fußballverbandes führen letztlich dazu, dass wir eine halbe Stunde auf den Anstoß warten müssen, ohne dass es wirklich ein Gewitter gegeben hätte. Aber gut, Vorsicht ist bekanntlich die Mutter der Porzellankiste und mit unseren dänischen Freunden kann man es auch schon mal aushalten, ohne dass ein Ball rollt.

Da mit rollendem Ball aber bekanntermaßen alles noch etwas schöner ist, freuen wir uns dann doch aufrichtig, als die Akteure unter ziemlich spektakulären „Black and Yellow“-Klängen von Wiz Khalifa endlich das Feld betreten. Für die Wahl dieser Einlaufmusik erhält der Stadion-DJ aus Brønshøj ein Kreativitätsbienchen und gleichzeitig möchte man ihn herzlichst darum bitten, ein entsprechendes Seminar für all die „Hell’s Bells-“, „Imperial March-“ und „Fluch der Karibik“-Trottel anzubieten, damit demnächst von Aachen bis Zypern für hoffentlich etwas mehr Abwechslung vor den Spielen gesorgt ist.

Wir können uns als VIP-Gäste noch eben schnell mit einer gratis Wurst, gratis Bier und einem gratis Stadionheft eindecken und erfahren, dass in Michael Winter ein deutscher Trainer das Zepter in Brønshøj schwingt. Nach zehn Minuten setzt ordentlicher Regen ein, was uns unter der überdachten Haupttribüne nicht sonderlich irritiert, aber eine sonderbare Hipster-Olsenbande mit gelben Schirmmützen auf der Gegengeraden in helle Aufregung versetzt. 454 Zuschauer sind gekommen, die sich nun nach fünfzehn gespielten Minuten allesamt unter dem Dach versammelt haben. Gut ein Drittel der Tribüne steht, schwenkt Fahnen, supportet und positioniert sich durch den Einsatz von Regenbogenfahnen und anderen politischen Botschaften angenehm weltoffen. Auf dem nassen Geläuf gibt es nach 22 Minuten den ersten Aufreger zu bestaunen, doch Heimkeeper Kasper Vilfort kann den immer länger werdenden Ball noch gerade eben so um den langen Pfosten drehen. Glanztat!

Da unsere dänischen Gastgeber echte Auskenner sind, verweisen sie just in diesem Moment darauf, dass Kasper Vilfort der Neffe von Kim Vilfort ist. Die Brøndby-Legende absolvierte nicht weniger als 470 Spiele für „gul og blå“ und zählte 1992 zu den Torschützen beim historischen 2:0 Finalsieg der Dänen im EM-Finale von Göteborg.

Da lässt sich der Ex-Coach der Wespen nicht lange bitten und gibt die nächste Insideranekdote zum Besten. Er hat auf der Tribüne niemand geringeren als Jens Larsen entdeckt, der heute in der Rolle des Schiedsrichterbeobachters im „Tingbjerg Idrætspark“ zu Gast ist. Im Jahre 2000 hatte Larsen im EM-Finale von Rotterdam an der Linie gestanden, als Italien Frankreich mit 1:2 n.V. unterlag. Zwei Jahre später assistierte Larsen im Rahmen der Fußballweltmeisterschaft Hauptschiedsrichter Graham Poll bei dem Spiel Italien-Kroatien und stahl Italien wegen zweier falscher Abseitsentscheidungen zwei Treffer. Christian Vieri ging im Anschluss hart mit ihm ins Gericht und nannte ihn einen „Amateur“ und „Dorfschiedsrichter“. Angesichts der Tatsache, dass Larsen vor der WM nie ein Spiel der ersten oder zweiten Division gewunken hatte, natürlich eine ziemlich heftige Attacke. Etwas schwerer ins Gewicht dürften da die Morddrohungen gefallen sein, die er im Anschluss aufgrund der Fehlentscheidungen aus Italien erhalten haben soll.

Im weiteren Verlauf des ersten Abschnitts wird das Spiel hart umkämpft bleiben, aber wenig spielerische Höhepunkte bieten. So bleibt genügend Zeit, um über die Regenbogen-Spielführerbinde des US-Amerikaners Jamil Fearrington und über einen direkt getretenen Freistoß der Gäste (31. Minute) zu berichten. In der 39. Minute lässt sich Andreas Lissau zu einem übermotivierten Einsteigen an der Mittellinie hinreißen. Nach einer beherzten Grätsche von hinten wird er von Schiedsrichter Outzen duschen geschickt. So nah liegen Freud und Leid beieinander – nur wenige Augenblicke vor dem Foul war Oscar Buch (Rückennummer 97) nach dem schönsten Angriff Brønshøjs denkbar knapp gescheitert, aber was will man von jemandem mit einem solchen Namen auch erwarten. So geht Næsby jedenfalls mit einem Remis im Rücken und einem Mann mehr auf dem Platz in die Pause und darf sich für die zweite Hälfte einiges ausrechnen.

In der Pause wird FUDU von der freundlichen Dame am Zapfhahn sehr zuvorkommend behandelt. „He can wait“ sagt sie und zeigt mit dem Finger auf einen älteren Herren, der eigentlich vor uns an der Reihe gewesen wäre. Der alte Mann lächelt und nickt und hat keinerlei Probleme damit, dass die VIP-Schweine zuerst abgefüllt werden. Während wir uns ausschließlich in die wohlig warmen Arme Gevatter Alkohols begeben, benötigt die Dame der Reisegruppe zusätzlich etwas zum Zudecken. Auch für dieses Bedürfnis haben die „Hvepsene“ für ihre VIP-Gäste etwas zufriedenstellendes in petto und schon kann der zweite Spielabschnitt beginnen…

… der ebenfalls viel erwärmendes zu bieten haben wird. Gerade einmal elf Minuten sind gespielt, als die Gäste einen Angriff vom Reißbrett vortragen können. Kapitän Lund, der sich in der ersten Hälfte noch schwer am Gemächt verletzt hatte, erläuft einen Steilpass auf der rechten Außenbahn, legt mustergültig quer und Nicklas Stockholm schiebt zum 0:1 ein. Die Führung für Næsby währt lediglich vier Minuten, da sich die Abwehr nach einem Trikotzupfer im Mittelfeld und in Folge eines schnell ausgeführten weiten Freistoßschlags etwas schlafmützig zeigt. Den Kopfball von Stoßstürmer Kevin Bechmann kann Keeper Henriksen noch mit Mühe und Not abwehren, doch den Nachschuss kämpft der Stürmer im Fallen in die Maschen. En-En!

Die schwarz-gelben Gastgeber spielen nun gradlinig, leidenschaftlich und bringen einen deutlich erkennbaren Willen auf den Platz, hier und heute in Unterzahl als Sieger von selbigem gehen zu wollen. Oscar Buch bleibt allerdings so schlecht wie sein Name und wird aus Leistungsgründen nach 62 Minuten ausgetauscht. Wie war das doch gleich: Buch? Da buch‘ ich lieber Urlaub!

Vier Minuten nach diesem Spielertausch zahlt sich das aggressive Pressing im Mittelfeld aus und Brønshøj kann wieder einmal einen Ballgewinn für sich verzeichnen. Es entsteht eine vielversprechende Kontersituation: Kevin Bechmann läuft mit Ball am Fuß auf die etwas indisponierte Abwehr zu, entscheidet sich dann aber eigentlich für die verkehrte Option und spielt den Pass (zum ohnehin bereits falschen Adressaten) dann auch noch dermaßen schlampig, dass ein Abwehrbein dazwischen gestellt werden kann. Glück, dass von eben jenem Bein der Ball zurückspringt und Bechmann aus spitzem Winkel abschließen kann. Torwart Henriksen sieht alles andere als gut aus und lässt sich von diesem überraschenden Flachschuss übertölpeln.

Wie viel die Wespen bis hierhin investiert haben, zeigt sich bereits in der 69. Minute, als Cem Vardar von Krämpfen geplagt auf dem Platz zusammensackt und ausgetauscht werden muss. Bei dem einen oder anderen Spieler ist der Tank bereits auf Reservestand und so wird es in den letzten 20 Minuten ausschließlich darum gehen, die Führung über die Ziellinie zu retten. Einzig und allein Bechmann sorgt für etwas Entlastung – in der 77. Minute nimmt er es mit der gesamten Abwehr Næsbys auf und nach dieser tollen Einzelaktion gelingt ihm der letzte Abschluss der Wespen an diesem Tage.

Es kommt, wie es kommen muss. In der 83. Minute können die Gäste ihre zahlenmäßige Überlegenheit und ihre Kraftvorteile in Zählbares ummünzen. Einem schönen Steckpass in die Schnittstelle der Viererkette folgt ein Abschluss auf die lange Ecke, der noch gerade eben so per Grätsche von der Linie gekratzt werden kann. Doch bedauerlicherweise leidet Brønshøjs Defensive kollektiv am Stockholm-Syndrom und kooperiert mit dem Angreifer, indem sie diesen völlig freistehend zum Ausgleich abstauben lässt. To-To.

In Folge kippt das Spiel nahezu und am Ende des gut zehnminüten Zitterns der Schlussphase können sich die Gastgeber unter dem Strich mit dem 2:2 glücklich schätzen. Der Hoollege hat nicht nur deswegen seine Wette verloren, sondern auch, weil der AIK Solna 3:3 gespielt hat und somit „mehr als 2,5 Tore“ gefallen sind – was er übrigens vorausgesagt hatte, aufgrund der Sprachbarriere aber leider falsch angekreuzt hatte. So bleibt die Erkenntnis, dass weniger eben manchmal doch nicht mehr ist. Gammel Dansk Bitter!

Wir eilen aus dem Stadion, brausen zurück in unser Domizil nach Allerød und schmeißen Grill und Fernseher an. Schnell wird uns vor Augen geführt, dass wir nun die fußballerische Basis verlassen haben und ziemlich unsanft in der Glitzerwelt des Fußballs gelandet sind. Die Vorberichterstattung der Partie Aston Villa gegen West Brom besteht jedenfalls beinahe ausschließlich daraus, zu taxieren, welchen finanziellen Wert die Begegnung hat. Wer heute gewinnt, steigt in die Premier League auf und hat 190.000.000 £ sicher auf der hohen Kante. Toll.

Das Essen schmeckt, West Brom steigt auf, neues Bier steht im Schuppen. Nach und nach trudeln weitere Gäste ein und es zieht uns hinunter in den Fußballkeller, in dem das Champions-League-Finale zwischen Liverpool und Real pünktlich um 20.45 Uhr angepfiffen wird. Wir sitzen in den unterschiedlichsten Fußballtrikots um den Fernseher herum und drücken alle dem Liverpool FC die Daumen. Loris Karius wird zum traurigen Helden des Abends und sorgt mit zwei Patzern für den 3:1 Sieg der Madrilenen. Karius stellt sich im Anschluss weinend den Journalisten und wird nun ganz sicher einen Dentaltrainer brauchen. Auch aus dem Doppelpack Salahs ist indes nichts geworden, da ihm der freundliche Sportsmann Ramos nach nur 26 Minuten durch ein widerlich dreckiges Foul die Schulter gebrochen und somit zeitgleich auch den Traum zerstört hat, Ägyten nach 28 Jahren WM-Abstinenz durch das anstehende Turnier in Russland zu führen.

Nicht viel besser läuft es für den „Muremester“, der kurz Interesse signalisiert, sich der nächsten Berlinreise seiner Kumpels anzuschließen. FUDU hat ihm bereits Asyl angeboten, als er einen unnachahmlichen Blick seiner Frau erntet. So sieht es also aus, wenn einer Dänin ihrem Mann wortlos „Wenn Du das machst, dann…“ zuraunt. Ich hingegen denke müde lächelnd an meine letzten Reisen zurück und all die Pläne der kommenden Monate. Nun ja. Entweder man findet eine Frau – oder man macht sich halt ein schönes Leben. /hvg