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28.07.2016 Futbola Klubs Jelgava – Beitar Jerusalem 1:1 (0:1) / Skonto stadions / 2.886 Zs.

Wird man im Urlaub von lautem niederländischen Gequatsche geweckt, befindet man sich mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit auf einem Zeltplatz. Dies ist länderübergreifend so, sei es in Skandinavien, Frankreich, Belgien, in den Niederlanden (Überraschung!) oder am heutigen Morgen in Litauen. Hier in Rūdiškės, in der Nähe von Vilnius, kommt alles noch ein wenig „schlimmer“, denn nicht nur unsere Nachbarn sind „Kaasköppe“, sondern auch der Besitzer des Zeltplatzes ist Niederländer. Umso lauter, euphorischer sind die Gespräche und so ist die Nacht für uns um 8.30 Uhr beendet. Der Besitzer heißt Wim, ist ehemaliger Radrennfahrer, fuhr nach seiner Aussage die „Friedensfahrt“ 1988 (Vielleicht habe ich ihm damals sogar zugewunken!?) und ist ein großer Feyenoord Fan (signiertes Dirk Kuijt Trikot und Fotografie der beiden Kinder mit Kuijt hängen in seinem Büro). Was soll´s, heute soll es sowieso weiter nach Lettland gehen, dann kann man dank der Zeitumstellung auch mal im Urlaub etwas früher aufstehen.

Den gestrigen Tag verbrachten wir in unerträglicher Hitze in der litauischen Hauptstadt und besuchten Abends das Spiel Žalgiris Vilnius gegen FK Lietava, bei Kepta Duona und Švyturys sahen wir einen ungefährdeten 4:1 Sieg der Heimmannschaft (ein Bericht zu einem Žalgiris Heimspiel mit detaillierteren Stadioneinblicken folgt von hvg). Žalgiris ist auch Schuld daran, dass wir früher als gewollt aus Litauen verschwinden, denn hätten die Hauptstädter vor acht Tagen in der Nachspielzeit in Astana nicht das 1:2 kassiert, wäre Žalgiris in die dritte Qualifikationsrunde für die Champions League Gruppenphase eingezogen und hätte gegen Celtic Glasgow gespielt. So müssen die Schotten nach Kasachstan und wir in die lettische Hauptstadt. Lette, Lette, Fahrradkette!

So machen wir uns mit dem Tschechenbentley auf über Stock und Stein in Richtung Norden. Dies geschieht komplett über Landstraßen, teilweise sind diese noch im Bau bzw. in der Erneuerung, also schlängelt man sich über Kies an Baufahrzeugen vorbei, was bei einer Strecke von 350 km nur bedingt Spaß bereitet. Das hält allerdings die Mehrzahl der einheimischen Verkehrsteilnehmer nicht davon ab, deutlich schneller zu fahren und kein Überholmanöver ist ihnen zu riskant. Selbst der Fernbus Vilnius-Riga überholt uns mit deutlicher Tempoüberschreitung, zeitgleich überholt uns aber auch noch ein Auto in zweiter Reihe. Für uns kein Wunder, dass Lettland und Litauen in der Kategorie Verkehrstote in der Europäischen Union 2015 die Plätze 3 und 4 einnehmen. Es scheint aber, dass sie dieses Jahr die Spitzenplätze für sich beanspruchen wollen und wir sind sehr froh, dass unser an Amaxophobie leidende Hoolger diesen Teil der Reise nicht mit uns bestreitet und wir ihn erst morgen in Tallinn treffen werden. Aber irgendwann ist auch dieser Höllenritt überstanden. Wir entscheiden uns, auf Grund der Wärme und der vorhergehenden Tage im Landesinneren ohne Meereszugang, gegen die Besichtigung von Riga und steuern daher das benachbarte Jūrmala an. Nach Abstellen des Autos bewegen wir uns über die Flaniermeile des Badeortes in Richtung Strand. Dort begrüßen uns verblichene Wuhlesyndikat und Crimark Sticker an den Laternen.

Das Bad in der Ostsee kühlt uns nach der anstrengenden Fahrt ab und eigentlich stören nur die Bässe aus dem benachbarten Hotel. Wirklich viel ist hier nicht los, nur einige wenige Familien liegen am Strand und einige abgerissene Typen laufen herum. Wobei mir später auffällt, dass dies das Sommeroutfit („Ost Casual Style“) der Balten/Russen/Weißrussen ist. Aber mein Gott, was bei uns auf der Warschauer Straße rumrennt und sich Mode nennt, glaubt uns im Baltikum auch keiner!
Da sich der Himmel zusehends verdunkelt und wir noch einkehren wollen, verlassen wir den Strand. Eine Lokalität ist schnell gefunden, wir setzen uns bei leichtem Regen unter die Markise und hoffen, dass diese dem Regen standhält. Da der Regen aber stärker wird, werde ich zum Auto geschickt, um Regenklamotten und Schirm zu holen. Ich schaffe es aber nicht sehr weit, denn es kübelt jetzt wie aus Eimern, so dass ich mich im Eingang eines geschlossenen Hotels unterstelle, wo ich eine Katze so sehr verschrecke, dass diese lieber in den Regen rennt, als bei mir im Trockenen zu bleiben. 15 Minuten später bin ich mit abgebrochenen Schirm (erbeutet in Borås), ohne Schuhe und völlig durchnässt wieder in der Lokalität eingekehrt. Nadjuschka hatte sich mittlerweile nach drinnen verzogen. Das Essen kommt recht spät, ist aber rustikal und gut, allerdings ist die Zeit schon so sehr fortgeschritten, dass wir nach dem Festmahl schleunigst den Gastraum verlassen. Der Regen ist vorbei, der Tschechenbentley beweist seine Schwimmfähigkeiten auf der völlig überfluteten Hauptstraße und so gelingt es uns, dass wir den Boliden für unser Verständnis von Zeitmanagement pünktlich an unserem Ziel parken können.

Der Futbola Klubs Jelgava spielt heute nicht, wie in der Runde zuvor gegen Slovan Bratislava, im heimischen Stadion, sondern muss heute ins Skonto stadions nach Riga ausweichen. Was ich absolut nicht bedauere, denn so können wir das größte Stadion Lettlands kreuzen und nicht das Zemgales centra in Jelgava, welches nur aus einer futuristischen neugebauten Haupttribüne besteht, sonst aber nichts zu bieten hat.

Angekommen am Stadion füttern wir noch schnell die Parkuhr und noch bevor wir uns auf den weiteren Weg in Richtung Stadion machen können, fragen mich Nachwuchsspieler von Jelgava nach Kleingeldspenden für die Parkuhr. Klar mach ich das, mit ein paar Groschen ist ihnen geholfen, allerdings sind die Nachwuchskicker nicht verarmt, sondern der Parkautomat akzeptiert Vadderns Kreditkarte nicht. Zusammen mit ihnen erreichen wir das Skonto stadions, zeitlich ist alles noch für unsere Verhältnisse ganz okay, denke ich mir, wäre da nicht die lange Schlange vor der einzig geöffneten Kasse. Sehnsüchtig schaue ich zu den Nachwuchskickern, die an einer Sonderkasse ihre Karten abholen, doch leider kommt kein Blickkontakt zustande und so ist die Chance auf schnelleren Kartenerwerb vertan. Circa 30 Minuten später sind wir an der Reihe und erhalten für faire 7 € pro Person unsere Tickets. Da Nadjuschka allerdings mit einem etwas größerem Schein bezahlt, ist das Wechselgeld zu unseren Gunsten etwas höher als erwartet. Skonto am Skonto Stadion!

Die Sicherheitskontrolle ist nicht ernst zu nehmen, besteht eigentlich nur aus dem Anhängen der mitgeführten Regenschirme an einem Gitter am Eingang. Knapp verpasst haben wir das 0:1 durch Idan Vered (25. min). Drei von Vier Seiten rund um das Spielfeld sind mit Tribünen bebaut, nur hinter einem Tor schaut man auf einem Parkplatz und einige Häuser, vermutlich aus den 50er Jahren, deren Fassaden von der untergehenden Sonne in angenehmes Rot getaucht wird. Hinter dem gegenüberliegenden Tor ragt die Skonto Sporthalle in die Tribüne hinein. Heute sind diese Tribüne und teilweise die uns gegenüberliegende Tribüne nicht geöffnet, nur am äußersten rechten Rand sind die 45 ultra(s)orthodoxen Gäste in einem mit Bauzäunen begrenzten Bereich untergebracht. Der Rest der 2.886 Zuschauer drängt sich mit uns auf der Haupttribüne.

Wir verzichten auf das Aufsuchen unserer auf der Eintrittskarte aufgedruckten Plätze und platzieren uns schräg hinter der israelischen Auswechselbank. Ein buntes Publikum ist es jedenfalls, welches sich um uns herum versammelt hat. Eine Dame hinter uns strickt die meiste Zeit und schreit wie am Spieß, wenn sich Jelgava dem Strafraum auch nur ansatzweise nähert (oder strickert?). Der Bengel vor uns spielt auf dem Handy seiner Mutter und schlägt sie, wenn eine der ausgewählten Apps nicht funktioniert – oder er bei einem der Spiele versagt. Auf dem Feld fallen in der restlichen ersten Halbzeit nur die O-Beine des Ex-Lauterers Itay Shechter auf und dann ist auch schon Halbzeitpause. In dieser werden uns Handzettel mit einem 550 € teuren Reisepaket (inkl. Flug, Hotel, etc.) für das Rückspiel in Israel in die Hand gedrückt. Nach kurzer Überlegung und einer Machbarkeitsstudie meinerseits entscheiden wir uns dagegen, wartet doch zu diesem Zeitpunkt schon das schöne Estland auf uns. Die Stimmung hier ist ausgelassen, man merkt den Leuten den Stolz über das Erreichen der dritten Quali-Runde deutlich an, allerdings kommt bis auf die „Jelgava, Jelgava“ Schlachtrufe akustisch auch nicht mehr.

In der zweiten Halbzeit ist anfangs Beitar drauf und dran das 2:0 zu erzielen, mit sehenswerten Aktionen schaffen sie es immer wieder in den Sechzehner zu kommen, scheitern dann allerdings am lettischen Keeper oder an sich selbst (Shechter!). Und so kommt es, wie es kommen muss. Nach einem Freistoß stochert Vitaljis Smirnovs (Будем здоровы – oder besser: Priekā!) in der 70. Minute den Ball zum Ausgleich ins Tor.

Danach ist die Heimmannschaft kurzzeitig die spielbestimmende Mannschaft und erarbeitet sich in Folge mehrere gute Chancen. Diese werden allerdings kläglich vergeben. Sinnbildlich die Szene, in der ein Spieler alleine auf das Tor läuft, dann aber scheinbar zu nervös wird, um überhaupt auf´s Tor zu schießen. Nach dieser Drangphase und der Auswechselung von Shechter (für ihn kommt der Deutsche Marcel Heister) kommen die Gäste besser in die Partie, sind die letzten 10 Minuten drückend überlegen, vergeben allerdings ebenso kläglich beste Tormöglichkeiten, selbst das leere Tor wird verfehlt. So bleibt es beim 1:1, die Heimmannschaft holt sich den Applaus der Zuschauer ab, denn allen ist klar, dass das Team an ihr spielerisches Limit gelangt ist und das Rückspiel in einer Woche dann wohl der letzte internationale Auftritt für diese Saison sein wird.

Uns verabschiedet das Skonto stadions mit Elton Johns „Nikita“, ich suche mir noch den schönsten der noch hängenden Regenschirme aus, schmeiße das bezaubernde Exemplar, welches mit diversen Nadelgewächsen bedruckt ist, in den Kofferraum und schon düst Nadjuschka mit mir in Richtung estnische Grenze zu unserer Absteige. Dort wartet schon der Herbergsvater ungeduldig auf uns letzte Gäste und somit auf seinen Feierabend. Den gönnen wir ihm und uns natürlich! /hool