255 255 FUDUTOURS International 03.05.24 04:59:44

17.02.2017 FC Sochaux-Montbéliard – Stade Lavallois Mayenne Football Club 1:1 (0:1) / Stade August Bonal / 6.772 Zs.

Dieses Blog ist schon reich an Geschichten über die Beförderung zum Flughafen Schönefeld. Diesmal spielen aber nicht eine smarte Schaffnerin oder das herrenlos im Weg herumstehende Gepäck die Hauptrolle, sondern die lieben Mitreisenden, welche den Transfer für Nadjuschka und mich unerträglich machen. Die beiden Herrschaften im 4er Sitzabteil neben uns reden über eins der größten Probleme Berlins: bezahlbarer Wohnraum in der Stadt. Allerdings sind sie eher die Profiteure davon, dass es diesen nicht mehr uneingeschränkt gibt. Sie besitzen wohl einige Immobilien und so handelt das Gespräch durchgehend von „Cashflow“, von dankbaren „Ossi-Mietern“, undankbaren und fordernden „Mietern mit Migrationshintergrund“, „150.000 €?“ – „Ist doch geschenkt!“ und dem rot-rot-grünen Senat, der überall mitsprechen möchte und noch nicht einmal ein Doppelwaschbecken erlaubt. Nicht überraschend, dass die Beiden natürlich auch mit uns im Flieger nach Basel sitzen.

Vom dortigen Flughafen führt uns der Weg mit dem Shuttlebus zum Basel SSB. Im EUROSPAR wird sich schnell noch mit dem üblichen Reiseproviant eingedeckt und mit der Bahn geht es mit zwei Umstiegen in Mulhouse und Belfort-Ville nach Montbéliard. Nach dem Einchecken und dem „Upgrade“ der Zimmerkategorie (C) inklusive Blick auf das Stade August Bonal, machen wir uns auf in die Stadt. Womit übrigens Montbéliard gemeint ist, denn in Sochaux stehen nur das Peugeot Werk und das Stadion. Die Suche nach einer geeigneten Brasserie, welche einheimische Kost führt und Fußball zeigt, scheitert, teils aus monetären Gründen, teils aus fehlendem Angebot. Der gegenüber dem Bahnhof liegende Pub zeigt zum Beispiel lieber irgendeine Daily Soap statt der Europa League. So enden wir in einer Seitenstraßen-Pizzeria und schauen mit den Besitzern zusammen die Serie „Las Vegas“ auf Französisch. Der Abendausklang findet dann auf dem Zimmer mit Schweizer Bier und selbstverständlich Musikvideos statt.

Die geographische Nähe des Hotels zum Stade August Bonal schätzt auch die Mannschaft von Stade Lavallois, wie wir beim Frühstück bemerken. Wir treffen zwar nicht auf die Mannschaft, aber der Gästetrainer steht neben mir am Frühstücksbuffet. Den erkenne ich natürlich nicht auf Anhieb, aber das Hotel-WLAN liefert die Infos zu ihm. Der gute Mann heißt Marco Simone, holte in den 90er Jahren viermal den Scudetto mit dem AC Milan und spielte danach für PSG und den AS Monaco und wurde zweimal zum besten ausländischen Spieler der Ligue 1 gekürt. Als Trainer lief es bisher nicht ganz so gut. Nach den erfolglosen Stationen Monaco, Lausanne und Tours läuft es auch bei Stade Lavallois nicht besonders rund, da man aktuell auf dem Relegationsplatz 18 rangiert. Auch der restliche Trainerstab frühstückt und das Taktik Flip Chart steht schon bereit, deshalb wollen wir nicht weiter stören und verabschieden uns in die Stadt, um diese im Tageslicht zu betrachten.

Das übliche Sightseeing-Programm, bestehend aus Schloss von Montbéliard, dem „Lion de Peugeot“ Geschäftshaus und dem Rathaus, spulen wir routiniert ab. Des Weiteren fallen uns, bedingt durch die Jahrhunderte lange Herrschaft des Hauses Württemberg, recht viele deutschsprachige Tafeln und Inschriften an diversen Gebäuden auf. Neben diesem Standardprogramm spotten wir noch die Sportanlage „Stade de la Banane“, das „Stade de l´Allan“ und besuchen den Parc du Près-la-Rose. Ein weiteres „Highlight“ ist die Jugend der Stadt, bzw. ihr Kleidungsstil. Dieser besteht aus einem Trainingsanzugszweiteiler verschiedenster europäischer Groß- bzw. Scheichklubs (wahlweise auch Scheißclubs), abgerundet durch die obligatorische Umhängetasche. Highlight dieser „Haute Couture“ ist das Vater-Sohn Gespann im FC Barcelona (der Alte) und Real Madrid (der Junior) Outfit. Nur einer beherzigt das Credo „Support your Local Football Team“ und trägt die gelb-blauen Farben des FCSM.

Dieser blau-gelbe FC Sochaux-Montbéliard wurde 1928 als Werksklub gegründet. Der Autohersteller Peugeot trennte sich allerdings Ende 2014 vom Verein und verkaufte diesen an die chinesische LEDUS Gruppe. Seither ziert zwar immer noch ein Löwe das Emblem des Vereins, allerdings wurde dieser modifiziert und erinnert nunmehr nicht mehr an den der Automarke. Für Sochaux spielte übrigens die einzige Frau, die ich als Fußballer ernst nehmen konnte, nämlich Pierre-Alain Frau. 2014 stieg die Mannschaft aus der Beletage des Französischen Fußballs ab und spielt seitdem durchgehend in der Ligue 2.

Den einen oder anderen Borussen aus Dortmund dürfte Sochaux keine guten Erinnerungen bescheren. Im UEFA Cup (2003/04) schmissen die Franzosen die schwarz-gelben aus dem Wettbewerb. Zu Hause gelang ihnen ein 4:0 Kantersieg [inklusive roter Karte für Salvatore Gambino nach Notbremse (4.min)] und im Westfalenstadion ließen sie auswärts ein 2:2 folgen. Mir blieb von diesem Spiel, welches ich im TV verfolgte, der Gästekäfig im Gedächtnis: Ein komplett mit Maschendrahtzaun und Netzen zugehangener Block, ähnlich einer Volière.

Genau neben dieser sitzen wir heute, allerdings ist diese, im Gegensatz zu Dortmunds Gastspiel, komplett leer. Ich habe keine Ahnung von der Fanszene Lavals, daher kann ich es nicht einschätzen, ob es am Wochentag liegt (die Ligue 2 spielt fast ausschließlich am Freitag), an der Distanz von 720 km oder es einfach keine Szene gibt. Das Stadion ist dem in Paderborn – allerdings mit Oberrang – sehr ähnlich. Ein paar großflächige Fotos vergangener Erfolge und ältere Mannschaftsfotos an der Stadionhülle werten die Blechbüchse ein wenig auf, sonst regiert die Betonfarbe grau.

Zwischen den Parkplätzen und den Stadiontoren verlaufen die Schienen der Werkseisenbahn des örtlichen Autoherstellers. Uns gegenüber stehen die aktiven Fans der „Virage Nord Sochaux“, links neben uns hat sich ein kleiner Haufen Nachwuchs-Ultras versammelt, welcher aber sein eigenes Ding durchzieht. Hinter uns sitzen kreischende Kinder und zu allem Überfluss gibt es auch noch Klatschpappen. Das Spiel ist recht zäh, was nicht nur am sehr tiefen Rasen liegt, sondern auch an FCSM Stürmer Ima Andriatsima. Dieser steht in der ersten Hälfte gefühlt 15 Mal im Abseits.

Der FC Sochaux hat indes mehr Spielanteile, Laval allerdings die besseren Chancen und so gehen sie auch in der 12. Minute durch Dembélé in Führung. Vorbereitet wird das Tor durch Mathieu Coutadeur. Dieser kann, bedingt durch das halbherzige Abwehrverhalten der blau-gelben, den Ball hoch in den Strafraum bringen. Die Entstehung des Treffers ist dann kurios, da ein Verteidiger des FC Sochaux beim grätschenden Versuch, den Ball wieder aus dem Strafraum zu befördern, Dembélé anschießt, von dem der Ball über den Torwart ins Tor segelt.

Erst nach dem Tor können jetzt beide Mannschaften echte Torchancen kreieren. Ein fast sicheres Tor für die Gäste wird von Gibaud noch von der Linie befördert und auf der Gegenseite scheitern Berenguer und Andriatsima.

Aufgrund dieser mangelhaften Chancenauswertung werden die blau-gelben mit einem Pfeifkonzert in die Kabine geschickt. Nach der Halbzeitshow, welche ein Elfmeterschießen auf das Maskottchen „Sochalion“ beinhaltet, erwerben wir merkwürdig schmeckendes Stadionbier (JBO lässt grüßen) und wechseln unsere Sitzposition hinter die Nachwuchs-Ultras, welche aus der Nähe betrachtet einen ziemlich traurigen Haufen abgeben, der obendrein auch noch wesentlich jünger ist, als anfangs vermutet. Nadjuschka spekuliert, dass dieser vermutlich aus der „Virage Nord“ verbannt wurde. Als Sahnehäubchen steht scheinbar auch die Mutter eines der Kids mit im Mob.

Zum Beginn der zweiten Hälfte läuft nicht viel für die Heimmannschaft zusammen. Der Gast spielt gefälliger und bis in den 16er auch guten Fußball, nur die Abschlüsse verfehlen aus besten Schusspositionen das Tor. Sochaux macht es nur einmal besser – Moussa Sao zieht aus 30 Metern einfach mal ab und während man denkt, dass er mit diesem Versuch ähnlich erfolgreich wie die Kollegen von Stade sein wird, senkt sich der Bal kurz vor dem Tor so, dass er im rechten Dreiangel einschlägt. Schönes Ding.

Danach passiert auf dem Platz nicht mehr viel, nur auf den Traversen wird es noch einmal lebendig. Denn der „Ultra Nachwuchs“ wirft fleißig Konfetti und lädt zum Pogo, wofür die Mutter allerdings ein paar Ränge hoch gebeten wird. Eines der Kids, welches weiter oben steht, wird in den „Pit“ zitiert. Dieses lehnt mit dem Hinweis auf seine qualmende Zigarette und seiner weiblichen Begleitung allerdings dankend ab.

Wir begeben uns nach Spielende noch in den Fanshop, in dem wir eine Stadionpostkarte vom Stade August Bonal für Hoolger kaufen. Die Dame hinter´m Ladentisch ist über den Besuch aus Allemagne so begeistert, dass sie noch einige kleinere Fanartikel für uns mit in die Tüte packt. Wir beschreiben die Postkarte noch mit warmen Worten für ihn, denn morgen werden sich unsere Wege in Mulhouse kreuzen. /hool