Posted on Januar 6, 2019
06.01.2019 Málaga CF – CF Reus Deportiu 0:3 (0:1) / Estadio La Rosaleda / 16.058 Zs.
Unsere Ankunft wird von den Malagueños frenetisch gefeiert. Tausende Menschen säumen zu unserer Überraschung die Straßen entlang des Guadalmedina und zelebrieren das Erscheinen der Heiligen Drei FUDU-Könige. Von Granada bis hierher waren gerade einmal 124 Kilometer zurückzulegen, da stellt sich schon die Frage, ob man da direkt so einen Aufriss machen und Paraden abhalten muss. Aber gut, offenbar hat sich Málaga vorgenommen, mich in diesem Leben immer wieder mit Festivitäten zu überraschen. Nachdem ich 2017 aus Versehen inmitten der „Feria de Málaga“ gelandet bin und eine Woche Nonstop auf den Straßen feiern durfte, wird heute eben mit religiöser Kamelle auf Kinder geworfen. Andere Länder, andere Sitten – da gilt es, flexibel zu bleiben.
Irgendwann haben wir uns einen Weg durch die Massen gebahnt und unsere Unterkunft gefunden. Hier hat der freundliche Gastgeber zwecks Check-In eine Art Schnitzeljagd vorbereitet. Die Spielanleitung liegt glücklicherweise vor, sodass die folgenden Aufgaben ‚Türcode knacken‘, ‚Schlüsselkasten finden‘, ‚Zahlencode eingeben‘ und auch die anschließende Suche nach dem richtigen ‚Apartamento‘ und ‚Zimmer N° 003‘ sowie die ‚korrekte Verwendung der drei verschiedenfarbigen Schlüssel‘ spielend zu meistern sind.
Obwohl die 124 Kilometer Strecke ausgereicht haben, um nun wieder Orangenbäume anstelle schneebedeckter Hänge im Stadtbild vorzufinden und die mitgeführte Kleidung nun wieder deutlich besser zu den klimatischen Bedingungen passt, hat es sich der Gastgeber nicht nehmen lassen, für uns den Kamin anzufeuern. Dieser bollert gemütlich im Wohnzimmer vor sich her und sorgt für eine angenehme Raumtemperatur rund um die 40°C Marke. Der gesunde Teil FUDUs zieht es zunächst vor, das erste „Victoria Málaga“ in kurzen Hosen auf dem Balkon zu verköstigen, während der malade Flügel die Schnupfnase gewärmt kriegt. Für jeden was dabei im „Rafaela Guest House“!
Der „Hoollege“ versüßt uns den Abend mit einem Harald-Schmidt-Show-Video im Repeat-Modus, vermutlich als Sanktion, weil sich einer von uns im Themenfeld Heilige Drei Könige politisch inkorrekt bewegt hatte. Noch bevor endgültig geklärt werden kann, wer genau was gesagt hat und wer jetzt wohl oder übel weg muss, streicht FUDU verhältnismäßig früh die Segel. Mitten in der Nacht schrecken wir aus den Betten, als sich jemand an unserer Tür zu schaffen macht. Schön mit den falschen Schlüsseln minutenlang scheppernd im Schloss des falschen Zimmers herumfuchteln. Was für ein verkackter Amateur. Ein Wunder, dass der die ersten Level der Schnitzeljagd geschafft hat, denken sich die drei soeben erwachten FUDU-Schweine im Überlegenheitsmodus. Als Schlüssel Nummer 3 dann passt und plötzlich Martin Dahlin in unserem Zimmer steht, staunen wir jedoch nicht schlecht und das erhabene Gefühl ist passé. Der „Hoollege“ nimmt sich dem Problem des Eindringlings an und gemeinsam mit dem Vermieter, der im Schlafanzug zur Hilfe eilt, wird das Problem dann gelöst. Irgendein vermaledeiter Vormieter hat doch tatsächlich die farbigen Schlüsselköpfe vertauscht und damit das ausgeklügelte System ausgehebelt. Nach einigen Fehlversuchen erhält Martin dann letztlich die Schlüssel für sein Zimmer und die nächtliche Aufregung legt sich. Am nächsten Morgen wird der „Hoollege“ dann von einem „Schweden mit Migrationshintergrund“ sprechen. Lege ich meine Hand für ins Feuer – der kann bleiben!
Glücklicherweise scheint darüber hinaus die Sonne, es gibt keine gottverdammten Schneeberge mehr und das Sightseeing habe ich bereits 2017 erledigt. Mehr Argumente für einen Aufenthalt am Strand und ein Bad im Mittelmeer braucht man nun wirklich nicht zu sammeln und glücklicherweise teilt der „Hoollege“ diese Meinung, während der „Fackelmann“ von seiner Erkältung in etwa so übel gezeichnet ist, wie ein „Horror Tattoo“. Da könnten nicht einmal Randy, Nancy oder Peggy was retten und so ist es nur folgerichtig, dass unser Patient auf „nicht teilnehmen“ klickt und es vorzieht, sich die Bettkante zu geben.
So also machen wir dem „Playa de la Malagueta“ nur zu zweit unsere Aufwartung und kehren im Anschluss in das „TGB“ ein, in das man immer einkehren sollte, sobald man sich in Spanien befindet, gibt es in dieser Kette schließlich wirklich gute Burger und „Cruzcampo“ vom Fass für ’n Appel und ’n Ei zu erwerben. Da hält man mit Blick auf den Hafen auch die Nachricht, dass derzeit die Sicherheitskräfte an den Berliner Flughäfen streiken und der morgige Rückflug aktuell nicht gesichert ist, noch gerade eben so aus. Wäre aber natürlich wirklich ganz schön bitter, noch 1-2 Tage in der andalusischen Sonne liegen zu müssen, anstatt sich im finsteren Kackeland den Buckel krumm machen zu dürfen…
Langsam wird es Abend an der „Costa Del Sol“ und wir kehren zu unserer Unterkunft zurück, um uns einen Eindruck des Gesundheitszustandes unseres Benjamin verschaffen zu können. Dieser leidet nach wie vor bitterlich und hat seiner eigenen Aussage nach heute „keinen Bock auf rosa Leder“. Nicht nur rassistisch, sondern auch noch homophob. Tolle Reisegruppe. Aber dafür über alle Maße einfühlsam, wie sonst hätten derart aufmunternde Kommentare wie „Na dann viel Spaß mit Bett and Win“ und „Wenn du Langeweile hast, kannste ja unsere Badehosen föhnen“ unsererseits entstehen können?
Und so begeben sich die beiden FUDU-Spötter alleine auf den Fußweg in das „Estadion La Rosaleda“, welches sich in 2,5 Kilometern Entfernung befindet und wo der Scheichverein aus Málaga heute die stolzen Katalanen aus Reus empfangen wird. Am 20. Spieltag trifft der Tabellendritte auf den 20., die Eintrittskarten für die dritte Reihe hinter dem Tor mit bester Sicht auf das Spielfeld kosten lediglich 17,50 € und schon betreten beide Mannschaften das grüne Geläuf, um sich zu erwärmen.
Der Empfang für die Gäste ist auffallend freundlich und obwohl die Tabellensituation vielversprechend aussieht und ein Aufstieg in die „Primera División“ in dieser Saison im Rahmen des Möglichen scheint, kommt bei der eigenen Hymne und bei der Präsentation der eigenen Spieler keine Stimmung auf. Wir sitzen direkt neben dem Heimfanblock und trotz der unmittelbaren Nähe schafft es kaum ein Schlachtruf, zu uns durchzudringen. Nach 11 Minuten gehen die Gäste durch Borja Herrera per Kopfstoß mit 1:0 in Führung. Das Tor wird sowohl vom Heimpublikum als auch von den Gästespielern seltsam neutral zur Kenntnis genommen. Málaga wirkt fahrig, uninspiriert und kann in den ersten 30 Minuten nur für einen einzigen Aufreger sorgen. Alfred N’Diaye scheitert mit einer Doppelchance an Gästekeeper Freixanet und auch sein „genialer“ Versuch, den Keeper einfach mit Ball in der Hand über die Linie zu schieben, ist nicht von Erfolg gekrönt. Das Heimpublikum quittiert die Leistung seiner Mannschaft mit einem gellenden Pfeifkonzert zum Pausenpfiff und wir sind von dem Stadionerlebnis unter dem Strich doch etwas enttäuscht.
In der zweiten Halbzeit sind gerade einmal fünf Minuten gespielt, als ein Stürmer Málagas per Kopf völlig freistehend aus fünf Metern scheitert. Es ist immerhin der Auftakt in die beste Phase der Hausherren, die innerhalb der nächsten zehn Minuten Druck aufbauen und drei weitere Großchancen verzeichnen werden. Auf den Kopf werden all diese Unternehmungen in der 63. Minute gestellt, als die Gäste zu einem schnellen Konter ansetzen. Steilpass von der Mittellinie, Stürmer in abseitsverdächtiger Position, freie Bahn zum Tor, leichter Kontakt mit Abwehrspieler Diego González, Elfmeter. Alles andere als sicher verwandelt durch Gus Ledes, der den Ball mit Hängen und Würgen unter dem Körper von Malágas Keeper Munir in die Maschen quetschen kann.
Das Publikum beginnt nun, die eigene Mannschaft nach allen Regeln der Kunst zu verhöhnen und jeden Fehlpass mit einem süffisanten Klatschen zu begleiten. Den Höhepunkt erreichen diese Abwertungen in der 82. Spielminute: Erstmals gelingt es den Gästen aus Reus, den Ball über 7-8 Stationen in den eigenen Reihen zu halten. Anlass genug, um jeden gelungenen Pass mit einem „Olé“ zu begleiten und wie es sich für ein vernünftiges Drehbuch gehört, kann Reus genau diesen Angriff zum 0:3 veredeln. David Querol ist sichtlich gerührt, dass sich gegnerische Fans vor ihm verneigen und Ehrfurcht für diesen formvollendeten Angriff zeigen.
Im Anschluss leert sich das Stadion schlagartig und die vielleicht 5.000-6.000 Zuschauer, die bis zum Abpfiff des Schiedsrichters José Antonio López Toca verweilen, tun dies auch nur, um den eingewechselten Vallejo zu verspotten, der den Ehrentreffer trotz einer abenteuerlichen Dreifachchance verpasst und um die Gäste aus Reus letztlich mit Applaus verabschieden zu können. Und so geht ein etwas sonderbares Stadionerlebnis zu Ende, welches sich erst mit einigen Tagen Abstand begreifen lassen wird…
Am späten Abend beehrt uns unser Gastgeber in der Wohnung und hat uns zur Wiedergutmachung des nächtlichen Störmanövers unsere Rückflugtickets für morgen ausgedruckt. Ihm ist der in der zurückliegenden Nacht begangene Fehler hochnotpeinlich, aber FUDU ist nun einmal zwischen Doppelstockbetten und ****-Hotels zu Hause und so kann man bei nur 72,40 € für ein Dreibettzimmer für zwei Nächte locker über diesen kleinen Fauxpas hinweg sehen. Weniger kulant geht man dahingegen mit einem spanischen Porno der frühen 80’er Jahre um, der kurz darauf in Folge eines blauäugigen Zappens die Mattscheibe erhellen wird: Hoppala, wir haben Pay-TV!
Warum die rechtschaffene iberische Pornoindustrie nicht gerade Weltruf genießt, ist uns nur wenige Minuten später klar vor Augen geführt worden. Junge, Junge. Soviel Wurst und Eier kriegt man ja sonst nicht einmal serviert, wenn man ein „Full English Breakfast“ bestellt…
Am Montag startet der Flieger mit nur einer Stunde Verspätung in Richtung Regenland. Schade. Ich habe mir vorsorglich am ersten Arbeitstag des Jahres 2019 einen Tag Urlaub genommen und erhole mich nun schnellstmöglich von den Strapazen der vergangenen 13 Tage. Am Ostkreuz lassen wir unsere Reise bei Bier und Döner Revue passieren und nur eine Woche später hat es sich dann auch bis zu uns herumgesprochen, dass der CF Reus Deportiu aus dem Spielbetrieb eliminiert wird.
Da der Verein bereits seit Monaten kein Gehalt an seine Spieler zahlen konnte, wird der Club auf den letzten Tabellenplatz gesetzt. Alle 21 absolvierten Spiele gehen zwar regulär in die Wertung ein, doch die noch ausstehenden Spiele werden allesamt mit 1:0 für den jeweiligen Gegner gewertet.
Die Reaktionen des andalusischen Publikums vor wenigen Tagen erscheinen plötzlich in einem gänzlich anderen Licht. Offenbar hatte es sich mehr als deutlich abgezeichnet, dass wir Zeuge eines Spiels ohne jedweden sportlichen Werts werden würden und das Publikum nutzte die Gunst der Stunde, den tapfer kämpfenden Gästen aufrichtigen Respekt zu zollen.
Für Reus, das zunächst in die dritte Liga absteigen soll, kommt es in den kommenden Wochen noch dicker. Da man eine Bankbürgschaft nicht fristgerecht hinterlegen kann, wird man gar in die vierte Spielklasse zwangsversetzt. Den freigewordenen Platz in der dritthöchsten Spielklasse kann sich in einem Wettbieten der FC Andorra, Club von Gerard Piqué, für läppische 452.022 Euro sichern. Aber da sitzt FUDU wahrscheinlich schon längst wieder mit dem Genossen Николай Эрастович Берзарин zusammen und plant neue Abenteuer. Wohlwissend, dass jede gute Idee nur so gut sein kann, wie die heruntergekommenen Typen, die sie hinterher umsetzen müssen! /hvg
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