728 728 FUDUTOURS International 29.03.24 16:48:06

23.02.2019 SV Lichtenberg 47 – TSG Neustrelitz 3:0 (0:0) / Hans-Zoschke-Stadion / 344 Zs.

Es ist gerade einmal Ende Februar und schon jetzt blickt Fetti etwas wehmütig auf den durchaus gelungenen Auftakt in das Hoppingjahr 2019 zurück. Nach den unvergesslichen Erlebnissen in Portugal, Gibraltar und Andalusien Anfang Januar, ist der Groundmotor bedauerlicherweise etwas ins Stottern geraten: Das Spiel des 1.FC Union Berlin im „St. Jakob Park“ zu Basel am 26.01.19 wurde von der „Basler Kantonspolizei“ drei Wochen nach erfolgter Terminierung abgesagt. Hier sah man sich leider plötzlich nicht in der Lage, ein Fußballspiel mit Zuschauern (konnte ja keiner ahnen, dass sich 1.500 Unioner für ein Testspiel auf den Weg in die Schweiz begeben werden…) und den volkstümlichen Verkleidungsfeiertag „Vogel Gryff“ zeitgleich zu betreuen. Was in seiner albernen Gänze irgendwie nach Augsburger Puppenkiste klingt, führte wohl dazu, dass „easyjet“ an diesem Wochenende mehrere komplett leere Maschinen zwischen Berlin und Basel-Mulhouse-Freiburg hin- und herschicken musste. FUDU bleibt zwar auf den Flugkosten sitzen, konnte jedoch bereits in Porto geistesgegenwärtig die Stornierung der touristischen Unterkunft vorantreiben. Drei Wochen später setzte es dann rund um die Auswärtspartie des 1.FC Union Berlin beim MSV Duisburg den nächsten Tiefschlag, als das Spitzenspiel des VfB Homberg gegen Schwarz-Weiss Essen kurzfristig aus dem Stadion auf einen Kunstrasenplatz verlegt werden musste, da der Duisburger Rasenplatz unter der Woche in der Pokalschlacht gegen den Wuppertaler SV zu stark gelitten hatte. Tja, da hat Fetti aber dumm aus der Wäsche geschaut, als ihm am vergangenen Sonntag im Pott nur noch ein Eishockeyspiel auf der Agenda verblieb. Und dann auch noch eines mit suboptimalen Ausgang: Füchse Duisburg – ECC Preussen Berlin 10:2…

…da kommt es gerade recht, dass sich an diesem Wochenende Besuch aus Dänemark angekündigt hat. Union kommt am Freitagabend gegen Arminia Bielefeld trotz des hochrangigen Besuchs zwar nicht über ein 1:1 hinaus, dafür besteht seitens der Gäste am Samstag der Wunsch, ein weiteres Fußballspiel zu sehen. Die Wahl fällt auf das zweitschönste Fußballstadion Berlins – das „Zoschke“! Erbaut im Jahre 1952, benannt nach dem Antifaschisten Johannes „Hans“ Zoschke, der 1944 von den Nationalsozialisten hingerichtet wurde, fasste das Stadion einst 18.000 Zuschauer. Im FDGB-Finale von 1952 war das Stadions erstmals und letztmals ausverkauft. Der SV Volkspolizei Dresden setzte sich im Endspiel, welches gleichzeitig auch das Eröffnungsspiel des neuen Stadions war, gegen die BSG Einheit Pankow mit 3:0 durch. Heute verfügt das Stadion noch immer über vier Tribünen, auf denen 9.900 Menschen auf 9.000 Stehplätzen und 900 grauen Sitzschalen Platz finden könnten. Zu verdanken ist dieser Umstand einer Legende nach einer Gruppe antifaschistischer Widerstandskämpfer samt Zoschkes Witwe Elfriede, die mit ihrem Einsatz verhindern konnte, dass das Stadion 1972 für eine bauliche Erweiterung der benachbarten Zentrale des Ministeriums für Staatssicherheit weichen musste. Gut gemacht, Elfriede!

Lichtenberg 47 galt in der DDR als „bürgerlicher Club“ und konnte sich lange Zeit dagegen wehren, einem Trägerbetrieb untergeordnet zu werden, obwohl man in unmittelbarer Nachbarschaft der Staatssicherheit spielen musste, die rund um die Frankfurter Allee ihr Überwachungsimperium über die Jahrzehnte immer weiter vergrößerte. Die Vereinsgeschichte der 47er ist es also allemal wert, etwas näher betrachtet zu werden, dachte sich auch das Stasi-Museum in der Ruschestraße und bittet aktuell zu einer Sonderausstellung. „Fußball im Hinterhof der Stasi – Der SV Lichtenberg 47 e.V. zu DDR-Zeiten“, Eintritt 8 Euro, geöffnet ab 11.00 Uhr. Perfekt also, um den dänischen Gästen noch vor Anpfiff ein gebührendes Kulturprogramm anbieten zu können. Diese votieren im Rahmen des Kneipenabends am Freitag aber einstimmig gegen dieses Vorhaben und wollen anstatt dessen lieber das „Union Zeughaus“ im „Ring-Center“ leer kaufen. Banausen!

Ihr Wunsch ist mir jedoch wie immer Befehl und so statten wir der Shopping Mall des Grauens einen Besuch ab. Sagen wir es mal so: bei der nächsten Inventur wird man sich im „Zeughaus“ verwundert die Augen reiben. Wenn die Dänen etwas machen, dann machen sie es richtig!

Kurz darauf treffen wir vor dem „Hans-Zoschke-Stadion“, welches ich zuletzt 2015 besucht habe, beinahe auf die gesamte Kneipendelegation, die sich gestern Abend das 1:1 Remis schön gezecht hat. Neben dem FUDU-Pärchen ist sogar unser bärtiger Bruder hinaus nach Lichtenberg geeilt. Mit einem Niederländer und einer handvoll Dänen im Schlepptau, fühlt sich FUDU zwar wie das Sozialamt der Welt, aber Lichtenberg 47 freut sich bestimmt über etwas internationales Flair auf den Rängen.

Immerhin 344 Zuschauer haben sich insgesamt versammelt, um den Auftakt in die Rückrunde der NOFV-Oberliga-Nord miterleben zu können. Lichtenberg 47 belegt aktuell den ersten Tabellenrang und will sich im Fernduell mit Tennis Borussia um den Aufstieg in die Regionalliga Nordost hierbei ganz sicherlich nicht vom TSG Neustrelitz stoppen lassen.

Zugegebenermaßen liegt unser Fokus aufgrund der besonderen Gruppenkonstellation heute nicht unbedingt auf dem Spiel. Während wir ein Konterbier nach dem nächsten stürzen, uns in der einen oder anderen Fußballfachsimpelei verlieren und die Geburtstagsfeier des „Fischkopfs“ planen, schießt Lichtenberg zunächst an die Latte und etwas später an den Pfosten. Mit 3:0 in Sachen Großchancen gehen die Lichtenberger in die Pause und die kaufkräftigen Skandinavier signalisieren Bereitschaft, auch den Fanshop der 47er zu überfallen. Es gilt, den dänischen Fußballkeller für das nächste Champions League Finale, welches wir im Mai gemeinsam dort schauen werden, mit Lichtenberg 47 Devotionalien aufzuhübschen. Nur wenige Minuten später ist der Verkäufer von den Sonderwünschen unserer Gäste schwer gezeichnet. Der eine hätte gerne ein Trikot mit der Rückennummer 3, der andere mit einer 8. „Hab ick nich. Wie soll ick die denn loswerden? Müssta bestellen bei Sportsfreak Landsberger!“, weiß er eine größere Einnahme geschickt zu verhindern. So wandert am Ende lediglich ein Schal für 14,47 € in die dänischen Einkaufstüten und der zweite Abschnitt des Spiels wird eröffnet.

Hier hat Neustrelitz bis zur 65. Minute eigentlich alles ganz gut im Griff, ehe der Albano-Grieche Giorgaki Tsipi a.k.a. Georgios Tsipis seinen Torwart mit einem scharfen halbhohen Rückpass vor unlösbare Probleme stellt. Junghan verliert den Zweikampf um das Spielgerät im Strafraum und Gelício Aurelio Banze kann den quer gelegten Ball zum 1:0 ins leere Tor schieben. In der 72. Minute wird Kürsat Mahmut Cicek mit der gelb-roten Karte zum Duschen geschickt und die 47er können sich die dezimierten Gäste nun zurechtlegen. Nach mehreren schlecht ausgespielten Überzahlangriffen braucht es aber ein stümperhaftes Foul an Maik Haubitz und einen Elfmeterpfiff, um das Ergebnis in die Höhe zu schrauben. Ex-Unioner David Hollwitz verwandelt in der 79. Minute sicher per Strafstoß zum 2:0. Fünf Minuten später landet ein denkbar schlechter Abstoß des fußballerisch oft überforderten Junghans in den Füßen der 47er, doch in Philipp Grüneberg bringt ein weiterer Ex-Unioner das Kunststück fertig, den Ball aus fünf Metern Entfernung nicht etwa im leeren Tor unterzubringen, sondern lediglich an den Pfosten zu bugsieren. Besser macht es zwei Minuten später Banze, der einen Querpass von Grüneberg überlegt in das lange Eck platziert und mit seinem zweiten Treffer des Tages für einen in dieser Höhe verdienten Heimsieg sorgen kann.

Stadionaugenblick, verweile doch – du bist so schön. So lautet FUDUs Motto im Anschluss des Oberliga-Fußballspiels und so entscheidet man einstimmig, in das „Vereinscasino bei Alex“ hinter der Hintertortribüne einzukehren. Familie Fackelmann ist pünktlich zur After-Show-Party ebenfalls eingetroffen und auch der bärtige Bruder lässt sich überreden, noch eine Halbzeit Bundesliga zu schauen, obwohl zu Hause der Familienbesuch auf ihn wartet. Bevor die Herren Profifußballer jedoch unsere ungeteilte Aufmerksamkeit erhalten können, wird Alex‘ Theke eben flugs zum Pressekonferenzraum umfunktioniert. Gästetrainer Tomasz Grzegorczyk bemängelt die Beschaffenheit des Spielfelds, lobt aber die Qualität der Heimmannschaft, während Lichtenbergs Coach Uwe Lehmann fortwährend die anwesenden Casino-Gäste rügt. Es sei respektlos, dazwischen zu reden, wenn der Gästetrainer spricht und spätestens, als die Pay-TV-Konferenz parallel zur PK anläuft und für erste Jubelschreie und andere Begleitkommentare aus dem Auditorium sorgt, platzt Lehmann der Kragen: „Geht halt raus, wenn Euch das hier nicht interessiert!“. Ein Senior am Nebentisch unterstützt mit unermüdlichen „Pscht“-Lauten das Anliegen des Chefcoachs und versucht ebenfalls, professionelle Strukturen in die Kneipe zu bringen. Ach, Oberligafußball ist Liebe!

Mittlerweile hat längst die Runde gemacht, dass Tennis Borussia beim SC Staaken nicht über ein 0:0 hinausgekommen ist und nun bereits drei Punkte Rückstand auf den SV Lichtenberg 47 aufweist. Wollen wir hoffen, dass sich die 47er auf ihren Weg in die Regionalliga nicht mehr aufhalten lassen werden.

Eine mitgereiste Neustrelitzer Herrengruppe lässt sich derweil vom „Hoollegen“ fotografieren und besteht den Humortest mit Bravour, als die Kamera mit den Worten „Glaube, der Film ist voll“ ausgehändigt und mit einem überaus zufriedenstellenden „Was? Das war doch ein 36er! Jetzt muss ich Montag wohl wieder zu ‚Schlecker’“ gekontert wird. Mittlerweile ist auch die Gewinnermannschaft an ihrem Stammtisch eingekehrt und erhält Chili Con Carne und Fassbier. Unsere Bierpipeline verebbt in dieser Zeit, in der die Mannschaft Vorrang genießt, nur kurz und später immer nur dann, wenn die Zapferin selbst zum Saufen oder Rauchen nach draußen geht. Mittlerweile ist es 17.15 Uhr, die Bundesligaspiele sind soeben zu Ende gegangen, Hertha hat verloren und der Niederländer ist noch immer da. Einige Mitglieder der Zechgesellschaft schaffen nun aus Angst vor neuerlichen Diskussionsrunden über den Israel-Palästina-Konflikt den Absprung und der Rest zieht einfach sehenden Auges seinem Untergang entgegen.

Während uns der gähnend leere „Siegfriedshof“ noch die Tür vor der Nase zuschlägt – natürlich, weil wir „nicht reserviert haben“ – und man mit einigem zeitlichen Abstand bei Betrachtung der Website der Lokalität mit dem singenden Wirt und dem blondierten Eigentümerpärchen hierüber nur überaus dankbar sein kann, erbarmt sich das „Don Giovanni“ in der Atzpodienstraße, die angeschlagene FUDU-Bande zu bewirten. Das Essen ist mittelmäßig, Sonderbestellungen werden schlichtweg ignoriert und auch das Pastagericht ohne Käse ist zum Anger Kenneths mit Käse durchsetzt und geht zurück in die Küche. Kann ja keiner ahnen, dass so eine Gruppe Langhaariger und ein paar betrunkene Ausländer auch noch Ansprüche stellen. Am Ende entschuldigt sich das Haus mit zwei Runden „Ramazzotti“ bei uns, einige Mitglieder der Zechgesellschaft schaffen nun aus puren Vernunftgründen den Absprung und der Rest zieht einfach sehenden Auges seinem Untergang entgegen.

Die Endstation heißt „Bierstube am Freiaplatz“. In dem grundehrlichen Laden tanzt der „Fischkopf“ zu Depeche-Mode-Klängen in seinen Geburtstag hinein, wobei er die Rechnung ohne den „Hoollegen“ gemacht hat, der auch nach gefühlten 12 Bier nicht von seinem Status als ‚Musikexperte‘ abrücken will und wohl oder übel darauf hinweisen muss, dass wir es gar nicht mit Depeche Mode zu tun haben. Hier läuft ja wohl eindeutig „The Great Commandment“ von „Camouflage“, Dilettanten.

Es ist gerade einmal Ende Februar und schon jetzt blickt Fetti voller Vorfreude auf den Mai, wenn man endlich einmal wieder unterklassigen dänischen Fußball bestaunen darf. Und sicherlich wird auch der 47-Schal einen angemessenen Platz im Rahmen des Champions League Finales erhalten… /hvg