669 669 FUDUTOURS International 26.04.24 12:50:10

16.06.2019 FSV Eintracht 1910 Königs Wusterhausen – FC Viktoria Jüterbog 0:1 (0:0) / Sportplatz Zeesen / 70 Zs.

Gerade ist Fetti wieder in Deutschland und im Arbeitsleben angekommen, schon packt ihn erneut die Abenteuerlust. Irgendetwas mit Strand und Fußball wäre doch nett, um den Sonntag aufzuwerten. Wo er Recht hat, hat er Recht – doch nach den vergangenen Urlauben in Danmark und Polska kommt das Konto doch einigermaßen geplündert daher. Da muss man dann eben auch einmal kleinere Brötchen backen und so gerät das „Strandbad Zeesen“ ins Visier des unternehmungslustigen Schweins. Mit dem Kategorie-C-Ticket für gerade einmal 3,20 € erreichbar, Eintritt frei, sanitäre Anlagen und Imbiss vorhanden und ausschließlich hervorragende Online-Rezensionen: „Die rechte Uferseite war komplett zugekotet“ und „das Publikum ist sehr primitiv“. Na, wenn das mal nicht nach mindestens 4 von 5 Sternen klingt.

Um 9.51 Uhr ist die Vorfreude daher mit Händen greifbar, als die Regionalbahn das Berliner Ostkreuz in Richtung König Wusterhausen verlässt. An Bord befinden sich abertausende Studenten, die alle noch überhaupt gar nichts für die Klausur morgen gelernt haben, weil sie total unvorbereitete Eisvögel sind, die das alles locker aus dem Ärmel schütteln werden. Bleibt die Frage, warum man sich dann während der zwanzigminütigen Fahrt ausschließlich über Entwicklungspsychologie und andere klausurrelevante Themen unterhalten muss. Da kommt ja beinahe der Verdacht auf, dass die Ullas und Maltes am Samstag doch mal das Müsli bei Seite gestellt und heimlich in den Schnellhefter gespitzt haben. Das aber soll nicht weiter meine Sorge sein, als sich unsere Wege am Bahnhof Königs Wusterhausen trennen. Das Ziel meiner abgespeckten Reiseträume liegt nun nur noch eine Station entfernt, die ich in himmlischer Ruhe in einem menschenleeren Zug anfahren kann.

Es ist exakt 10.26 Uhr, als ich den Bahnhof Zeesen, Ortsteil von Königs Wusterhausen, erreicht habe. Hier ist man so nett und stellt auf dem Bahnhofsvorplatz, der 2010 neu gestaltet worden ist, eine kleine Schautafel zur ersten Orientierung bereit. Der Himmel ist wolkenverhangen und bei kühlen 22°C ist ein gewisser Ärger über die Wettervorhersagen der letzten 48 Stunden nicht zu leugnen. Gestern wurde eindringlich vor einem Gewitter gewarnt, sodass ich nach meinem samstäglichen Lehmofen-Fundament-Aushub-Subbotnik in Berlin-Buch auf einen Abstecher zum Wandlitzsee verzichtet hatte, nur um dann zu Hause sitzend festzustellen, dass die Sonne den ganzen Tag unbekümmert ihren Dienst verrichtete. Heute wiederum waren sich die Herren Meteorologen sicher, dass ein wunderbarer Sommertag bevor steht und haben mit dieser Prognose dafür gesorgt, dass ich sogar auf die Socken in den Sandalen verzichtet habe. Und jetzt friert man sich hier einen ab. Vielleicht schneidet ihr euch einfach mal eine Scheibe bei euren polnischen Kollegen ab. Die lagen wenigstens immer richtig und schreiben einem sogar Textnachrichten, wenn wirklich Gefahr im Verzug ist!

Dennoch nehme ich den 20-minütigen Spaziergang zum „Strandbad Zeesen“ noch einigermaßen unerschrocken auf mich. Ganz warm ums Herz wird mir dann in der Uferstraße, in der ein Anwohner seinen Vorgarten mit einer RB-Leipzig-Hissflagge geschmückt hat. Ach, wäre das toll, wenn wir mit einem echten Ostderby in die Bundesliga starten dürften. Abwarten. In 12 Tagen wird der Spielplan veröffentlicht…

Am Zeesener See herrscht um 11.00 Uhr noch gähnende Leere. Klar, bei dem Wetter jagt man ja auch keinen Hund vor die Tür. Ich spaziere kurz über den Holzsteg, begutachte das kotfreie Ufer, inspiziere Sandstrand und Liegewiese und bin unter dem Strich mit meiner Idee, an diesem Ort ein Sonnenbad zu nehmen und schwimmen zu gehen, bevor man sich einen Kick in der Kreisoberliga Dahme/Fläming gönnt, im Reinen. Aufgrund der Wetterbedingungen und des ausbleibenden Sommerfeelings verzichte ich jedoch schweren Herzens darauf, meine guten Vorsätze in die Tat umzusetzen. Stattdessen genieße ich die Ruhe am Wasser, sinniere vor mir her, lasse meine Blicke über den See schweifen und wirke lesend sicherlich unglaublich intellektuell, dabei kämpfe ich im Grunde genommen nur dagegen an, nicht wie Trinker-Kalle an den verschlossenen Imbiss-Jalousien zu kratzen.

Um kurz vor Zwölf kehrt im „Zeesener Strandimbiss“ endlich Leben ein und aus sicherer Entfernung beobachte ich den Fortschritt der einsetzenden Betriebsamkeit. In der Zwischenzeit sind auch einige Familien mit Kindern am See eingetrudelt und haben schon längst dafür gesorgt, dass es mit der Ruhe in Ufernähe schnell vorbei war. So führt doppelt und dreifach kein Weg daran vorbei, sich heute zum ersten Gast des Tages aufzuschwingen und die Terrasse im Eingangsbereich des Strandbades einzunehmen. Noch bevor der Wirt den letzten Rollladen hochgezogen hat, hat er auch bereits meine Bestellung aufgenommen und kredenzt kurz darauf ein frisches „Berliner Pilsner“ mit Seeblick, also jedenfalls, wenn man weit gucken kann. Irgendwann beschleicht mich ein kleines Mittagshüngerchen und wie es der Zufall so will, kann man das mit dem traditionellen Auswärtsschnitzel auch direkt hier erledigen. Kaum ist das TK Schnitzel in der Fritteuse gelandet, besetzt ein brandenburgisches Vorzeige-Vater-Sohn-Gespann den Nachbartisch. Der durchtrainierte Vati im Thor-Steinar-Shirt, im Schlepptau einen Jungen des Phänotyps ‚adipöser Tyson Lennox‘, dessen Augen diese unbeschreibliche Bedürftigkeit ausstrahlen, dass man am liebsten direkt Flyer verteilt hätte, aber ich bin ja nicht dienstlich hier. Primitives Publikum. Da hat jemand nicht zu viel versprochen.

„Pommes“ will der Junge natürlich haben, woraufhin der Vater das Kommando „Sitz!“ von sich gibt und allen ernstes ein „Fein!“ folgen lässt, nachdem Tyson Lennox den Anweisungen Folge geleistet hat, ohne den Aufstand zu proben. Das könnte eine interessante Interaktionsstudie werden, aber da werden am Nebentisch leider auch schon die Pommes serviert und zwei-drei Wespen machen mir einen Strich durch die Rechnung. „Komm, Dicker!“, spricht der Vater zu dem Sohn und läuft im Stile eines Alpha-Männchens voran. Der Dicke trottet wortlos und Pommes essend hinterher. Wenn Nazis ihre Kinder wie Hunde erziehen, ist es ja eigentlich auch kein Wunder, dass auch diese irgendwann rechte Parolen bellen…

Dieser bedrückende Spaß wäre mir also genommen und während man vor wenigen Tagen am Strand von Gdynia noch attraktiven Frauen beim Beachvolleyballspiel zusehen konnte, schickt Brandenburg nun Tyson Lennox und drei andere dicke Kinder ins Rennen, die ihr Geschick bei einer Partie „Ball über die Schnur“ unter Beweis stellen. Ach, schon schön wieder zu Hause zu sein! Wenigstens bewegen sich aber die Preise auf polnischem Urlaubsniveau und so verlasse ich das Strandbad nach zwei Bier und einem Schnitzel mit Pommes für weniger als 40 Zł mit einem formschönen polnischen Abgang.

Nur noch 90 Minuten bis zum Anpfiff des Spitzenspiels der Kreisoberliga. Heute empfängt der FSV Eintracht 1910 Königs Wusterhausen am 29. und vorletzten Spieltag den FC Viktoria Jüterbog. Absteiger Königs Wusterhausen hat als Tabellenvierter bereits stolze 19 Punkte Rückstand auf den aktuellen Spitzenreiter aus Jüterbog (65 Punkte) und sich schon lange vom direkten Wiederaufstieg verabschieden müssen. Im Fernduell mit Dahlewitz (64 Punkte) und Ludwigsfelde II (62 Punkte) wird Jüterbog heute nichts liegen lassen dürfen, wenn man den Aufstiegsambitionen in die Landesklasse Ost Nachdruck verleihen mag. Beste Voraussetzungen also für ein attraktives Amateurfußballspiel!

Der „Sportplatz Zeesen“ liegt 1,5 Kilometer vom Strandbad entfernt und befindet sich in der Nähe der Haltestelle „Zossen, Gewerbepark Nord“ und so sieht es hier auch aus. Glücklicherweise bietet die freundliche Tankstelle von nebenan ein Überbrückungsbierchen zum „TOTAL“ fairen Preis von 1,18 € an und so kann man sich immerhin die Wartezeit bis zum Anpfiff einigermaßen angenehm verkürzen. Sicherlich wäre auch eine Einkehr in das griechische Restaurant „Ikaros“, welches direkt neben der Sportstätte zu finden ist und selbige in eine wunderbar knoblauchlastige Duftwolke taucht, eine Option gewesen, doch leider muss Fetti sein Budget etwas nachhaltiger schonen.

Zumal dieses nur wenige Augenblicke schon wieder belastet wird, fordert der gastgebende Verein doch tatsächlich drei Euro Eintrittsgeld und zwei weitere Euro für ein Flaschenbier am Spielfeldrand. Man, man, man, was das wieder kostet! Der Sportplatz ist sein Eintrittsgeld aber wert, besticht dieser doch durch einen wunderbar gepflegten Rasenplatz und einer gut gemähten Zuschauerwiese, auf der einige Sitzbänke zum Verweilen einladen. Beeindruckend, dass der Sportplatz komplett von dicht stehenden Laubbäumen umschlossen ist. Hier hat es ganz offenbar rund um den Sportplatz mal einen Wald gegeben, der irgendwann dem Gewerbegebiet zum Opfer gefallen sein muss. Ich habe in diesem ruralen Ambiente jedenfalls schon zu Anpfiff kräftig mit unangenehmen Allergiebeschwerden zu kämpfen und muss etwas länger nach einem Stückchen Wiese Ausschau halten, auf der keine todbringenden Gräser wachsen. Auf diese Art des Sommerfeelings hätte ich getrost verzichten können, werde aber wenigstens auf Höhe der linken Eckfahne fündig und kann von dort aus einigermaßen unbeschwert Fußball gucken.

Ein Junge, der ganz offenbar eine Mutprobe zu absolvieren hat, was mir das Kichern seines Freundes verrät, der sich in sicherer Entfernung befindet, kommt auf mich zu. „Sag mal Tomate!“, fordert er mich auf. „Klassiker!“, denke ich mir und kontere brillant: „Deine Oma kann Karate!“. Bääm, da guckt er aber doof aus der Wäsche. Den Spruch hat man sich in Berlin schon 1990 um die Ohren gehauen. Aber schön, dass der sich jetzt auch bis nach Brandenburg herumgesprochen hat.

All das kann ich in aller Bierruhe erzählen, weil das Spitzenspiel nicht einmal in Ansätzen halten kann, was es versprochen hatte und sich so nahtlos in den bisherigen Tagesverlauf einreiht. Der Gast versucht sich in der ersten halben Stunde mit einem Heber aus 40 Metern Entfernung, doch Heimkeeper Steve Bonkowski lässt sich nicht übertölpeln. Eintracht-Elvis Amabo vergibt zehn Minuten später eine Halbchance und beide Szenen haben nicht das Potential, als Höhepunkt der ersten Hälfte in die Annalen einzugehen. Dafür braucht es schon den betagten Ordner, der beim Zurückspielen eines Balles seinen Schuh verliert und sich nun dem Spott der drei Auswechselspieler Königs Wusterhausens ausgesetzt sieht. Schon bittet Schiedsrichter André Mally zum Pausentee und ich glaube, dass ich für die nächsten 45 Minuten noch ein Bier brauche.

Der Ordner kommt barfuß aus der Kabine zurück und der Gast forsch. In den ersten zehn Minuten des zweiten Abschnitts drängen die Jüterboger auf die Führung, vergeben aber zwei gute Torchancen in der Frühphase und lassen in Person von Kevin Foller nach einer Stunde auch die dickste Gelegenheit liegen, die sich nach katastrophalem Fehlpass im Aufbauspiel der Heimelf ergeben hatte. Leider verpufft dieser Anfangsschwung aufgrund einer längeren Verletzungspause wieder und spätestens nachdem Pascal Hollwitz den Platz letztlich verletzt verlassen muss, ist der Faden auch schon wieder gerissen. Königs Wusterhausen konzentriert sich auf das Verteidigen des Unentschieden, Jüterbog ist nicht mutig und handlungsschnell genug, den Abwehrriegel zu knacken. So wird der Ball auf beiden Seiten träge durch das Mittelfeld geschleppt und der neutrale Beobachter spricht von einem stetig sinkenden Niveau, während die mitgereisten Jüteboger (immerhin knapp 75 Km waren zurückzulegen) an den Fingernägeln kauen, es vor Spannung kaum aushalten, alle 30 Sekunden auf das Handy starren und Zwischenstände der Konkurrenten verlesen. Dahlewitz und Ludwigsfelde liegen beide in Führung und aktuell hätte man die Tabellenführung abgegeben – klar, dass es da keinen mehr auf den Sitzen hält. Mich erinnert die Situation in ihrer Gesamtheit ein wenig an diese legendäre Szene und so kann mir dieses recht triste Fußballspiel schon wieder ein Schmunzeln entlocken. Fußball ist eben ein komplexes Spiel, das manchmal auch ein wenig Empathie einfordert!

Da ich heute emotional allerdings keineswegs involviert bin, fällt es mir schwer, die mexikanische Sichtweise einzunehmen. Als der Gast nach 87 Minuten die erste herausgespielte Chance aus fünf Metern Torentfernung ungenutzt lässt und in den verbleibenden Spielminuten wohl kaum noch einmal derart nahe an das gegnerische Tor kommen wird, ziehe ich bereits meinen Schlussstrich unter die Partie. 0:0, aber es hätte auch andersherum enden können!

So widme ich meinem Handy schon vor dem Abpfiff etwas (zu viel) Aufmerksamkeit, werfe einen Blick auf die Endstände anderer Ligen und werde dann von einem markerschütternden Torjubel aus meinem schönem Traum vom großen Fußball geweckt. Die Jüterboger Spieler liegen zu einer großen Jubeltraube aufgetürmt auf dem Rasen und sehen so aus, wie ihr Spieler mit der Nummer 8 heißt (→ Carlos Ngounou Happy). Der Schlachtenbummler mit Handy umarmt seinen Sohnemann überschwänglich und KW’s Abwehrspieler Björn Beuthke lehnt wie ein Häufchen Elend am Pfosten. Wie ich später Presse, Funk und Fernsehen entnehmen werde, hat es Beuthke in der Nachspielzeit tatsächlich fertig gebracht, den Ball über die eigene Torlinie zu befördern. Und so steht Jüterbog dank eines Eigentores mit einem Bein in der Landesklasse und hat nun ein echtes Endspiel bei der Zweitvertretung des BSC Blankenfelde-Mahlow vor der Brust. Fudutours.de wünscht viel Erfolg!

Ich lasse meinen Zeesen-Abstecher in „Moni’s Café“ in der Karl-Liebknecht-Straße ausklingen. Das Budget reicht noch gerade eben so für ein hemdsärmeliges Menü, bestehend aus Absackerbier und Leberkäs mit Bratkartoffeln und Ei, das von Moni höchstpersönlich im kleinen Garten der Gaststätte serviert wird. In Anwesenheit des letzten Cowboys von Königs Wusterhausen habe ich während des Essens herausgefunden, dass es um 18.33 Uhr eine attraktive Direktverbindung zum Ostkreuz gibt und drücke ordentlich auf die Tube. Um 18.29 Uhr kredenzt mir Moni die Rechnung über 12,40 € und füllt mir den Rest Bier dankenswerterweise in einen Kaffeebecher aus Pappe. Der hektische Großstädter hat’s eben gerne To-Go.

Da der Bahnhof Zeesen über keinen Automaten verfügt, spart man sich für die 25-minütige Rückreise gar den Einkauf des 1,60 € teuren Anschlusstickets. Im Zug werfe ich noch einmal einen prüfenden Blick auf die Rechnung: „Moni’s Café, Inhaber Dang Thi Lan“. Jetzt nehmen die Ausländer auch noch die Moni ihr Kaffe weg!!1!, wird der Thor-Steinar-Vati wahrscheinlich bei „facebook“ kommentieren, wenn er das herausbekommt. Ich muss mir nun eine Strategie zurechtlegen, wie ich dem rumänischen Kassenwart erkläre, dass ich für einen wolkenverhangenen Tag am See und ein dürftiges Spiel in der Kreisoberliga insgesamt doch an die 35 € losgeworden bin. Vielleicht kann man es ja auch einfach verknappen: Schöner Tag – und außer Zeesen nüscht jewesen! /hvg