717 717 FUDUTOURS International 07.12.24 07:11:55

18.07.2019 FC Spartak Trnava – ФК Радник Бијељина 3:2 n.E. (1:0, 2:0, 2:0) / Štadión Antona Malatinského / 4.222 Zs.

Die feuchten slowakischen Fußballträume sind noch nicht zu Ende geträumt, da klingelt auch bereits der Handywecker. Das „Porzellaneum“ bittet um zehn Uhr um Check-Out und in gewohnter Souveränität schlagen beide FUDU-Schweine gegen 9.59 Uhr in der Lobby auf.

Abermals begrüßt Wien seine Besucher mit strahlendem Sonnenschein auf das Allerherzlichste. Angenehm, da noch gut vier Stunden bis zur Weiterfahrt nach Trnava zu überbrücken sind und man nun aufgrund des Wetters Motivation schöpft, noch ein wenig touristisches Standardprogramm abspulen zu wollen. Und so zieht es Fackelmann und mich zum Karlsplatz, von dem aus wir unsere kleine Expedition starten. Karlskirche und das Denkmal zu Ehren der Soldaten der Sowjetarmee am Schwarzenbergplatz werden eher flüchtig gestriffen, um im Anschluss das Schloss Belvedere und den dazugehörigen Garten etwas ausgiebiger in Augenschein nehmen zu können. Gegen 12.30 Uhr haben Fetti und seine Freunde dann allerdings trotz der Schönheit des Bauwerks genug von diesem touristischen Happening. Zweieinhalbstunden haben wir uns durch Menschenmassen geschoben und sind im Slalom um asiatische Touristengruppen gelaufen, nun haben Frühstücks- und Biergelüste längst die Oberhand gewonnen. Wie gut, dass wir im Wiedner Gürtel unweit des Hauptbahnhofs und fernab des großen Menschentrubels schnell fündig werden. Das „Da Biondi & Biondi“ bietet Plätze in der Sonne, „Murauer“ vom Fass und liebevoll von Mutti belegte Brote. Da wir bekanntermaßen auch sehr große Motorsportfans sind und nicht zu Unrecht den Ruf genießen, wahrhaftige PS-Junkies zu sein, kommen wir dank der Namensgebung des Frühstücks gleich doppelt auf unsere Kosten. Ein Mal „Maserati“ für mich, ein Mal „Ferrari Testarossa“ für den Fackelmann. Ach, wie wir den Geruch von Benzin am Morgen lieben. Brumm, brumm!

Kurz darauf haben wir uns voneinander verabschiedet und ich setze meine Reise mit der „ÖBB“ fort. Wirklich ein feiner Zug der österreichischen Bundesbahn, mir hier ein Exemplar im Eishockey-Design zur Verfügung zu stellen. Für 19 € darf man auf der Sparschiene zwischen Wien und Trnava also in Erinnerungen an die Eishockey-WM in Bratislava und Košice schwelgen, die am 26.05.2019 mit dem Titelgewinn der Finnen zu Ende gegangen war. 19 € für eine knapp zweistündige Direktreise im Luxuszug hält Fetti übrigens genau so lange für fair gestaltet, bis in Bratislava eine siebenköpfige Mitfünfzigerinnen-Frauengruppe die drei freien Sitze um ihn herum und die Vierergruppe nebenan in Beschlag nimmt. Slowakische Kuchenmuttis im Heavy-Kaffeeklatsch-Modus – bis Trnava in der Form kaum auszuhalten. Also entschließt sich Fetti schweren Herzens, seinen Sitzplatz aufzugeben und sich in dem mittlerweile recht gut gefüllten Zug nach einer Alternative umzusehen. Ein skandalöser Umstand, wenn man bedenkt, dass im Fahrpreis eine Sitzplatzreservierung für 5 € mit inbegriffen war, die man verbindlich hatte dazu buchen müssen…

Die Schaffnerin reicht glücklicherweise alsbald ein gratis Getränk zur Versöhnung und hat es dann selbst nicht leicht, als sie laut stöhnend, die Augen verdrehend und sichtbar gestresst irgendein achtseitiges Formular ausfüllen muss, nur weil eine mitreisende Familie mit einem falschen Ticket in den Schnellzug eingestiegen war („You have slow train, this is fast train!“). Rein spekulativ, ob sie dies genauso gestenreich getan hätte, hätte es sich um eine bioslowakische Familie gehandelt…

Um 16.30 Uhr habe ich jedenfalls den Bahnhof von Trnava erreicht. Trnava. 64.735 Einwohner, 55 Kilometer nordöstlich von Bratislava gelegen und dank der vielen Kirchen mit dem euphemistischen Spitznamen „parva Roma“ (kleines Rom) versehen. Viel mehr muss man erst einmal nicht wissen – also, vielleicht davon abgesehen, wo sich die nächste Unterkunft der Reise wohl befinden möge. Vollkommen unvermittelt beschleicht Fetti eine spätwienerische Dekadenz. „Wir sind hier schließlich in der Slowakei – was soll das schon kosten?“, sind die letzten Worte, die man vernimmt, ehe es ihn zum Taxistand zieht.

Die Taxifahrt zur „Penzion Luxor“ dauert dann handgestoppte 4:49 Minuten und kostet 4,20 € – und der Sitzplatz ist da auch schon mit drin! Mit einem „Good luck for tonight“ verabschiede ich mich von dem freundlichen, aber wortkargen Taxifahrer und zeige auf seinen Spartak-Wimpel am Rückspiegel. Ein kurzes Lächeln huscht über sein Gesicht, welches wohl eher nicht durch das üppige Trinkgeld in Höhe von 0,80 € ausgelöst worden ist.

Auch der anschließende Check-In Smalltalk in der Pension dreht sich angenehm schnell um unser aller Lieblingsthema, nachdem 71,32 € für zwei Nächte den Besitzer gewechselt haben. Herr Anton Rijak hat schnell eruiert, dass das heutige Qualifikationsspiel durchaus Anlass meiner Reise darstellte. Mein Angebot, die Konversation auf Englisch fortzuführen, lehnt er vehement ab. Natürlich lässt er es sich nicht nehmen, seine Deutschkenntnisse aus seiner Ingenieurszeit in Süddeutschland aufzuwärmen und so geht unter anderem folgende Fußballweisheit in die Ewigkeit ein: „Bratislava gestern kaputt. Trottel!“

Anton scheint ein aufmerksamer Beobachter des slowakischen Fußballs zu sein. Tatsächlich hat der Landesmeister aus der Hauptstadt gestern Abend bereits in der ersten Qualifikationsrunde zur Champions League gegen den montenegrinischen Vertreter ФК Сутјеска Никшић (FK Sutjeska Nikšić) nach Elfmeterschießen die Segel streichen müssen. Nun droht den Lokalmatadoren des FC Spartak Trnava ein ähnliches Schicksal, schenkt man Anton, der geopolitisch nicht auf dem aller aktuellsten Stand zu sein scheint, weiter Glauben. Trnavas Gegner stammt nämlich ebenfalls „aus Jugoslawien“, das Hinspiel wurde mit 2:0 verloren, dazu habe Spartak ein „neues Team“ und einen „neuen Chef“ und mehr als 3.000 würden sich das heute im Stadion sicherlich nicht antun. Abwarten, Anton!

Ich ziehe mich auf mein Zimmer zurück. Die Pension ist aufgeräumt, sauber und hochmodern eingerichtet. Das schaue ich mir im Vorfeld auf „booking.com“ ja nie so genau an, was ich mir da so zurecht buche und das führt dann zwangsläufig dazu, dass man mitunter angenehm überrascht wird – oder manchmal eben auch etwas verwundert in Schrankwänden schlafen muss. In meiner heutigen Unterkunft steht jedenfalls exakt die selbe Stehlampe, die auch mein Wohnzimmer illuminiert. Beziehungsweise illuminieren würde, hätte ich in den letzten Monaten die Zeit gefunden, endlich zwei neue Glühlampen zu besorgen, um die defekten zu ersetzen. Und plötzlich wabern sie wieder durch den Raum, diese kleptomanischen Vibes, die mich offenbar vom Innenhof des „Porzellaneum“ bis nach „Luxor“ verfolgt haben, doch der perfide Plan wird jäh zunichte gemacht. Fetti ist traurig und wütend zugleich, kleptomanisch depressiv, angesichts des Umstandes, dass auch bei Anton nur ein Drittel der eingeschraubten Leuchtmittel funktionsfähig sind. Da wird Fetti wohl oder übel auch zu Hause in Zukunft kein Licht aufgehen…

Kaum ist dieser Schock verdaut, zieht es Fetti auch bereits zurück in die Innenstadt. Es gilt, bei Tageslicht Wegstrecken auszukundschaften und Entfernungen abzuschätzen. Keine 15 Minuten später hat er auch bereits das Stadttor „Bernolákova brána“ mit angrenzender Stadtmauer, Parkanlage und plätschernder Trnávka erreicht und steht unmittelbar darauf im Herzen der Stadt. Die Sehenswürdigkeiten entlang der Fußgängerzone „Hlávna“ werden morgen mit mehr Aufmerksamkeit bedacht, während der heutige Spaziergang noch einmal um 15 Minuten verlängert wird, um sich am „Štadión Antona Malatinského“ mit einer Eintrittskarte für die Europapokal-Partie am Abend einzudecken.

Das Stadion war übrigens von 1921 bis 2013 ein Stadion, jetzt ist es die „größte und modernste Fußballarena des Landes“ mit Platz für 19.200 Menschen, die auf den drei neuen Tribünen mit jeweils zwei Rängen und der erhalten gebliebenen Westtribüne Platz nehmen können. Das inkludierte Einkaufszentrum samt zweigeschossiger Tiefgarage lässt die Herzen von Fußballromantikern höher schlagen, die angrenzenden Büroflächen, das Multiplexkino und ein Hotel sind weiteres Balsam für die Seele der Puristen. Oder wie Fetti zu sagen pflegt: Wirklich entzückend steril hier!

Im Hotel herrscht bereits rege Betriebsamkeit: Rabatten werden gepflegt, Moos aus Pflastersteinfugen gepopelt, Fenster geputzt, rote Teppiche ausgerollt – hier bereitet man sich offenbar bereits auf die Ankunft des FUDU-Pärchens vor, welches in wenigen Tagen im „Hotel Arena“ mit Blick auf das Spielfeld logieren wird. FUDU ist zwar gegen den modernen Fußball, aber für Geburtstage mit guter Aussicht!

Kurz darauf habe ich meine Westtribünenkarte für 11 € erworben und kehre, trotz des eher deprimierenden Settings, mit einer gewissen Vorfreude auf das Flutlichtspiel zurück in die Innenstadt. Hier kann die Pizzeria „Kitty“ einen sonnigen Terrassenplatz mit Blick auf den Stadtturm „Mestská veža“ bieten und als wäre nicht bereits die schöne Aussicht Anlass zur Freude genug, gibt es in bester Lage auch noch ein großes „Staropramen“ für 1,90 € dazu. Scheiß auf die Glühbirnen. Für den Preis kann man sich ja auch hier die Lampen anmachen…

… wäre da nicht dieser unflexible Schiedsrichter Rahim Hasanov aus Aserbaidschan, der das Spiel in jedem Falle um 20.45 Uhr anpfeifen wird. Also setzt Fetti nach dem zweiten Pivo zum Bezahlvorgang an und stellt die Kellnerin mit einem 20 € Schein vor unlösbare Probleme. So sehr sie auch kramt, das Wechselgeld in Höhe von 15,50 € bekommt sie einfach nicht zusammen. Die einzige Lösung – Zahlung mit der EC-Karte – fällt dann auch noch zu meinem Vorteil aus, weil die Sprachbarriere verhindert, dass sie sich ihr Trinkgeld mit einbongt. So kann’s weitergehen.

Knapp 45 Minuten vor Anpfiff sind die Biergärten vor der Arena gut gefüllt. Mich zieht es trotzdem schon einmal ins Stadion, um fußballtouristische Fotos schießen zu können, ohne den Einheimischen damit auf die Nerven zu gehen. Nach Beendigung dieser Mission gönne ich mir ein ziemlich gutes Hähnchensteak mit Senf und Zwiebeln im Brötchen, wobei im Hintergrund drei slowakische Grillerinnen noch immer die exzellenten Sprachkenntnisse ihrer Kollegin abfeiern, die als einzige das Wort „Chicken“ kannte und so im Wesentlichen all meine Fragen in englischer Sprache beantworten konnte. Das Stadionbier für 1,50 € mundet zum Nachspülen ausgezeichnet, als plötzlich der Taxifahrer durch den ansonsten noch immer beinahe verwaisten Stadiongang schlürft, mich nett begrüßt und mit mir auf Spartaks bevorstehenden Einzug in die zweite Runde der Europa League Qualifikation anstößt. Man kennt sich halt in Trnava.

Nach und nach füllen sich die Tribünen. Auf der Hintertortribüne beziehen die Ultras von Spartak Stellung, während das Publikum auf der Westtribüne doch sehr gemischt daherkommt. Familien, Frauen, Kinder, ältere Menschen und Ostblockkanten im „Gym Beam“ Shirt – hier gibt sich alles und jeder die Klinke in die Hand.

Das Spiel beginnt. Immerhin 4.222 Menschen hat es in die „City Aréna“, wie das Stadion seit 2013 offiziell heißt, gezogen. Das wird Anton überraschen. Die sangesfreudigen Ultras sorgen für beste akustische Unterhaltung und auch aus dem kleinen Gästeblock gibt es den einen oder anderen Schlachtruf zu vernehmen. Die Heimmannschaft verzeichnet in der Frühphase des Spiels einen hohen Ballbesitzanteil, baut schnell Druck auf und kommt zu einigen Halbchancen. Alex Sobczyk, Österreicher polnischer Abstammung, ausgebildet beim Wiener Sport-Club und beim SK Rapid, kann den Ball nach 10 Minuten dann aus Nahdistanz über die Linie drücken. Bis hierhin ist der Matchplan des neuen Chefs, Ricardo Chéu aus Portugal, definitiv aufgegangen.

Nach 25 Minuten ist der Gast aus Bosnien endlich im Spiel angekommen. Die Mannen aus Bijeljina stehen gestaffelter im Mittelfeld und üben mehr Druck auf die Gegenspieler aus, sodass es für Spartak schwerer wird, das bislang so ungestörte Kombinationsspiel weiterhin aufzuziehen. So kehrt auf dem Rasen etwas Ruhe ein, während die Ultras ihre hübschesten weiblichen Geschöpfe zum Spenden sammeln durch die Reihen schicken. Da trage ich doch gerne einen kleinen Teil bei, in der Hoffnung, dass der „Hoollege“ im Ligaspiel gegen ŠKF Sereď, anlässlich seines Geburtstages in wenigen Tagen, eine hübsche Choreo zu sehen bekommen wird…

Nach 35 Minuten schießt Rafael Tavares, Trnavas 21-jährige Sturmhoffnung aus Brasilien, völlig freistehend vom Elfmeterpunkt am Kasten der Gäste vorbei, um nur wenige Minuten später nach maßgeschneiderter Flanke von Filip Oršula (Jahrhunderttalent aus der Jugend von Manchester City, 2013/14 beim MSV Duisburg unter Vertrag) nochmals sechs Meter näher am Tor stehend per Kopf an Gästekeeper Kozić zu scheitern. So geht es mit einem 1:0 in die Pause, in der ich am Bierstand zwei Jungs aus dem gestrigen Kaufhallenmob von Döbling treffe und in eine kurze Fachsimpelei eintrete. Man kennt sich halt in Trnava.

Mich zieht es nun an den rechten Rand der Tribüne, von dem aus ich auch die knapp 60 Mann im Gästeblock gut beobachten kann. Der Block des ФК Радник Бијељина (FK Radnik Bijeljina) aus Bosnien und Herzegowina ist serbisch beflaggt, aber da Fußball und Politik bekanntermaßen überhaupt nichts miteinander zu tun haben, möchte ich den Grund hierfür nicht auch noch recherchieren müssen. Die nächsten Höhepunkte lassen im zweiten Spielabschnitt nicht lange auf sich warten. Nur kurz nach Wiederanpfiff touchiert eine abgefälschte Lovat-Flanke den Querbalken und abermals ist es Tavares, der nach Freistoßflanke von Dangubić zu genau zielt und per Kopf ebenfalls an der Torlatte scheitert (61. Minute). Die Mannen aus Bijeljina sehen ihre Felle davonschwimmen und reagieren mit Rückzug. Bosnischer Beton wird angerührt, Trnava präsentiert sich recht ideenlos, der eingewechselte Kelemen lässt zwei letzte Torchancen fahrlässig liegen. Der nachlassende Esprit auf dem Rasen überträgt sich bedauerlicherweise auch auf die Tribünen und so dümpelt die bislang recht lebhafte Partie plötzlich 20 Minuten unaufgeregt vor sich hin.

Filip Oršula, der die rechte Flanke unermüdlich beackert hatte und mit vielen gefährlichen Hereingaben aufgefallen war, muss nach 80 Minuten angeschlagen das Feld verlassen. Die Gäste aus Bijeljina senden das erste offensive Lebenszeichen der zweiten Halbzeit, doch verlässt Flügelstürmer Maksimović in der vielversprechenden Kontersituation die Kraft. Gleich zwei Defensivspieler Trnavas holen die Situation im Vollsprint ein und vereiteln den 2:1 Überzahlangriff der Bosnier. Der Querpass von Maksimović landet dann im Rücken seines Kollegen und in den Füßen der Slowaken. Ach, Dejan. Das war maksimal mittelmäßić.

Die Strafe für den ausgelassenen Matchball folgt auf dem Fuße. Lucas Lovat schlägt die gefühlt 734. Flanke aus Verdacht in den Strafraum und wie bei jedem dritten Ball rauscht Gästekeeper Kozić auch unter dieser Hereingabe drunter durch. 87 Minuten lang stand ihm ein jedes Mal ein eigener Verteidiger helfend zur Seite oder die oftmals zu weit getretenen Flanken landeten im Tor- oder gar im Seitenaus, aber dieses Mal ist Kozić nicht mit dem Glück im Bunde. Dieses Mal steht nämlich Kristián Mihálek parat, der den Ball unter dem tosenden Jubel der Spartakfans ins verwaiste Tor nicken kann.

Freunde, es gibt Verlängerung. Wie praktisch, dass das Bier nur 1,50 € kostet und wie vorteilhaft, dass man es auch am Ende der ereignisarmen Extratime gegen 23.20 Uhr noch sehr gut mit kurzer Hose und T-Shirt im Stadion aushalten kann. Sieht sicher auch Trnavas Bogdan Mitrea so, der seit seiner gelb-roten Karte in Minute 108 nun nur noch zuschauend am Rand sitzen kann.

Soeben hat das Los ergeben: Das Elfmeterschießen steigt vor dem Gästeblock. Eine glatzöpfige Ordner-Armada zieht vor eben jenem auf und wird hier einen Platzsturm schon unterbinden können. Fetti betreibt auf die Schnelle Sozialstudien: Vier richtig sympathische Zeitgenossen, die bestimmt ehrenamtlich Spielzeugspenden für Flüchtlingskinder sammeln, wenn sie nicht gerade bosnische Blöcke bewachen müssen und die sich, wenn dann noch Zeit bleibt, auch gerne mal für die Rechte von Sinti&Roma-Familien einsetzen. Bestimmt. Mitten in diese Überlegungen startet ein qualitativ unterdurchschnittliches Elfmeterschießen, welches dank neuer UEFA-Regularien zusätzlich abgewertet wird.

Es wird nämlich fortan penibel darauf geachtet, dass der Torhüter bei Ausführung des Strafstoßes mit mindestens 87,9% der Stollenfläche oder aber mindestens 7,23cm² Sohle auf der Linie verweilt, ansonsten wird hart durchgegriffen. Schnell sieht Spartak-Schlussmann Rusov aufgrund dieser neuen Schwachsinnsregel die gelbe Karte und erste eigentlich bereits verschossene Elfmeter werden wiederholt und dann teilweise verwandelt. Jeder verschossene Elfer zieht in Folge endlos lange Diskussionen nach sich, ob man diesen denn nicht wiederholen dürfe, was besonders bitter ist, da beide Mannschaften wirklich erbärmlich schlechte Strafstöße treten und ständig verschießen. Permanent muss der arme aserbaidschanische Unparteiische auswürfeln, ob er Elfmeter zählt, oder aber wiederholen lässt und dabei auch noch den Überblick behalten, wie es denn jetzt nach all den Toren, die nicht zählten und den unzähligen Fehlschüssen, die nur teilweise zählten, überhaupt steht. Ich kürze es an dieser Stelle ab: Von zehn geschossenen Elfmetern zählen am Ende fünf, Trnava gewinnt 3:2 nach Elfmeterschießen und die glücklichen Sieger lassen es sich nicht nehmen, ihre Freude über diese sensationelle Trefferquote vom Elfmeterpunkt mit den weitgereisten Gästefans zu teilen. Was für ein jämmerliches Rumgehampel vor einem totenstillen Block, beschützt von diesen vier abartigen Kanisterköpfen mit Stiefeln bis zum Kinn, die aber nicht einmal eingreifen müssen, da es die Bosnier mit Fassung tragen. Vielleicht beim Einzug in die dritte Runde dann einfach mal vor dem eigenen Fanblock feiern?

Glücklicherweise hat in der Stadt der 1000 Pizzerien (von wegen, der Spitzname parva Roma würde sich auf die vielen Kirchen beziehen…) noch eine solche geöffnet, als ich gegen 23.45 Uhr in die „Hlavná“ einbiege. Zwei Stücken Pizza aus der „Pizzeria Piccolino“ à 1 € werden zum Mitternachtsimbiss, auf die ein großer Schwechat-Anfall einsetzt, der Fetti heute recht früh auf die Bretter schickt.

Am 19.07. ist dann endlich Zeit für einen ausgiebigen Stadtbummel, auf dem sich schnell herausstellt, dass ich im Grunde genommen bereits gestern alles gesehen habe. Trnava präsentiert sich recht kompakt und so kann man auf wenigen Quadratkilometern sämtliche Gotteshäuser, das schöne alte Rathaus und die bunten TRNAVA-Buchstaben recht schnell ablaufen. Es empfiehlt sich ein längerer Aufenthalt auf dem „Trojičné námestie“ (Dreifaltigkeitsplatz) mit der unvermeidlichen „Súsošie Najsvätejšej Trojice“ (Dreifaltigkeits- oder ugs. „Pestsäule“) und dem bereits gestern für schön befundenen Stadtturm, von dem aus man einen wunderbaren Blick auf Trnava und das formschöne Atomkraftwerk Bohunice hat.

Fetti, der alte Motorsportfan, kommt dann nach der Turmbesteigung erneut vollends auf seine Kosten. Vorgestern „Maserati“ (Boah, dat is ein Quattroporte!), heute „Mustang“, wird als Motto auserkoren und so geht nicht mehr viel Zeit ins Land, bis Fetti endlich in einer Liga mit Karim Benyamina spielt und das erste frisch Gezapfte aus der „Pivovar Ostravar“ von ihm aufgezäumt wird. Allerdings von hinten, anders ist es nicht zu erklären, wie Fetti bei schwülwarmen 32°C (ohne, dass auch nur ein Sonnenstrahl am Horizont zu sehen gewesen wäre), ansonsten auf die Idee gekommen sein sollte, der „Aquapark Trnava“ einen Besuch abzustatten.

Für 8 € erhält man Eintritt in diese Freizeitattraktion Trnavas. Auf Liegestühlen im Außenbereich könnte man es sich gemütlich machen, wäre da nicht diese hart skurrile Poolanimation unter „La Bomba“- und „Macarena“-Klängen, die die junge slowakische Damenwelt dazu motiviert, mit so ziemlich allem zu wackeln, was die zarten Körperchen so hergeben. Wahrlich, Fetti hat in seinem Leben schon schlimmeres gesehen, als slowakische Frauen in Bademoden, aber das hier ist trotzdem grenzwertig. Ich schwimme derweil gemütlich zum Tresen (!), der sich inmitten des Pools befindet und am dem man entgegen jedweder Sicherheitslogik alkoholische Getränke beziehen kann. Ach, dieses Osteuropa muss man in manchen Momenten einfach lieben! Und wenn ich mir die Bademeisterin genauer betrachte, kann man ja beinahe auf einen Badeunfall hoffen…

Meine zweite Hoffnung, auf der Liegewiese noch etwas Sonne tanken zu können, erfüllt sich leider nicht. Das Wetter klart einfach nicht auf, ganz im Gegenteil, nach gut einer Stunde Aufenthalt setzt Regen ein. Gut, dass es da auch eine überdachte Gastronomie im „Aquapark“ gibt und so verbringe ich eine weitere Stunde mit Pivo und Hot Dog, breche das Unterfangen „maritimes Urlaubsfeeling in der Westslowakei“ dann aber nach 120 Minuten final und etwas unbefriedigt ab. Da waren die gestrigen 120 Minuten etwas unterhaltsamer – und die Stadionbierchen ein deutlich besserer Gegenwert (als Fetti noch ein Tr(i)n(k)ava, dementierte er immerzu seine Suchterkrankung!).

Den Trnava-Trip würde ich dann gerne mit einem traditionellen slowakischen Essen ausklingen lassen. Gar nicht so einfach in dieser vermaledeiten Pizzahochburg, doch in Städten, in denen es ein altes Rathaus gibt, kann der Ratskeller nicht weit sein. Diese Strategie stellt sich alsbald als Erfolg versprechend heraus und Fetti kehrt in der „Radničná Piváreň“ ein. Hier gibt es leider keine englische Speisekarte und kein englischsprachiges Personal, aber immerhin schon einmal ein Krügerl „Šariš“ für 1,40 € vorneweg. Der Kellner ist überaus zuvorkommend und freundlich und ich hätte ihm noch stundenlang gackern und grunzen hören können, aber irgendwann stellt er bedauerlicherweise seine pantomimischen Darstellungen der Gerichte ein, um sein Handy aus dem Gastraum zu holen. Dank des guten alten „google“-Übersetzers entscheide ich mich letztlich für „Bravčová krkovičkaso strapačkami“ und erhalte für 8,90 € einen deftigen Teller voller Schweinefleisch, Kraut und Kartoffeln.

In der Zwischenzeit hat sich die Gaststätte übrigens offenbar auf Touristen eingestellt und führt eine englischsprachige Speisekarte – einhergehend mit einer nicht unerheblichen Teuerungsrate. Mag sein, dass unser aller Fetti an dieser Veränderung eine Teilschuld trägt, doch konfrontiert mit dieser Kritik, lächelt er nur müde. Heute Abend nächtigt er im „Grand Hotel“ von Senica, soll ich Euch ausrichten. Diese gottverdammte spätwienerische Dekadenz werden wir ihm irgendwann austreiben müssen… /hvg