992 992 FUDUTOURS International 24.04.24 05:05:53

05.06.2017 Hellerup IK – Vejgaard Boldspilklub 3:1 (1:1) / Gentofte Stadion / 288 Zs.

Nach einem wunderbaren Abend im „Pillen“ in Lillerød/Allerød bereiten wir uns am Frühstückstisch auf das letzte Spiel unserer diesjährigen Dänemarkreise vor. In der Abstiegsrunde der zweiten Division empfängt heute der Hellerup IK das abgeschlagene Tabellenschlusslicht aus Vejgaard. Der Star des Tages steht jedoch bereits im Vorfeld der Partie fest, da die Hausherrin noch heute von einem Konzert des „King of Pop“ im Gentofte Stadion schwärmt, welches sie im Jahr 1992 zusammen mit 30.000 anderen begeisterten Zuschauern erleben durfte. Scheint also eine ordentlich große Hütte mit ausreichend Geschichte zu sein, in der wir heute dänischem Drittligafußball frönen werden.

Doch bevor FUDU dieses Erlebnis zu Teil werden wird, stehen noch einige Dinge auf der To-Do-Liste. Die avisierte sportliche Ertüchtigung scheitert jedoch, da der Pool des Wohnblocks wegen einer Reinigung gleich für fünf Stunden gesperrt bleiben wird. Dafür kann das kurze Musikvideo-Trostprogramm vollends überzeugen und Fetti hat dank des skandinavischen Humors schnell ein neues tierisches Lieblingsvideo. Oder hat etwa irgendeiner von Euch eine Antwort auf die bislang viel zu selten gestellte Frage: What does the Fox say?

Als letzten Tagesordnungspunkt gilt es, die altbewährte Imbissstube in Ballerup vor dem Besuch des Fußballspiels abzugrasen. Der Tacho des Volvo zeigt konstante 0 km/h an, während uns der Fahrer in der Kurve darauf hinweist, dass seine Frau exakt an dieser Stelle einst einen Unfall hatte. Ebenso viel Vertrauen kann man kurz darauf den Lebensmitteln in der Kühltheke entgegenbringen, die die asiatische Smørrebrød-Fachkraft zwecks Mitnahme gekonnt in Butterbrotpapier verstaut. Meine Wahl fällt dieses Mal auf Roastbeef, Skinkesalat und Frikadeller und nur wenig später kann ich die drei belegten Brote in der Nähe des Stadions in Kombination mit gutem dänischen Dosenbier genießen.

Im nebenan befindlichen modernen Funktionsgebäude samt Sporthalle herrscht bereits rege Betriebsamkeit. Attraktive Volleyballstelzen säumen das Ambiente und der Fischkopf lässt es sich nicht nehmen, auf seine Antipathie gegenüber den „rich kids“ aus Hellerup hinzuweisen. Hellerup, Stadtteil der Kommune Gentofte, gilt wohl nicht völlig zu Unrecht als eine der exklusivsten Wohngegenden des gesamten Landes.

Kurz nach dem Verspeisen der letzten Stulle machen wir es dann wie Robin Hood und nehmen es von den Reichen. Den Kassenwart des Gentofte Stadions lassen wir geschickt links liegen und schlüpfen durch einen unverschlossenen Seiteneingang ohne Eintrittszahlung in das Stadion. Ein Blick in das weite Rund sorgt für etwas Ernüchterung. Von dem alten legendenumwobenen Stadion ist nur noch ein Teil der alten Haupttribüne erhalten, die nun, nachdem das Spielfeld offenbar um 180° gedreht worden ist, als Hintertortribüne weiter genutzt wird. Auf der gegenüberliegenden Seite ist das Stadion genauso unausgebaut wie auf der Gegengeraden, wobei man letztere nostalgisch verklärt auch mit der Begrifflichkeit „Naturtribüne“ aufwerten könnte. Das Neubaumonster, das schon von der anderen Seite (bis auf die Volleyballerinnen) ziemlich unansehnlich war, zeigt auch in Stadionrichtung kein schöneres Gesicht und lädt zum schnellen Wegschauen ein. Wahrlich, es fällt ein wenig schwer, sich vorzustellen, wie hier Ende der 80er / Anfang der 90er musikalische Größen wie Genesis, Pink Floyd, Tina Turner, Prince, ZZ Top, AC/DC, Metallica, Guns N‘ Roses, U2 und eben Michael Jackson aufspielen und mehrere zehntausend Menschen dabei Platz finden konnten. Eine schwedische Groundhoppingseite erleichtert dann im Nachgang die bildhafte Vorstellung. Schade, noch gar nicht so lange her und man hätte hier ein schönes Stadion besuchen können…

Das Spiel beginnt. Etwas ist faul im Staate Dänemark – und zwar wir. So entscheiden wir uns, uns mit dem ins Stadion geschmuggelten Dosenbier gepflegt auf dem Grashügel auf der Gegengerade niederzulegen und picknickend ein wenig Fußball zu schauen. Die Atmosphäre auf dem Feld ist stimmungsvoller als auf den Rängen. Hier und heute hört man lediglich die Spieler, wie sie sich gegenseitig lautstarke Kommandos geben und sich verbal anstacheln. Bei den Gästen fällt sogleich ein Stürmer im „Karate Kid“-Outfit auf, der leider bei weitem nicht so cool Fußball spielen kann, wie er aussieht. Nach drei Minuten geht Vejgaard B, wie Kenner den ruhmreichen Fußballclub aus der Nähe Aalborgs nennen, mit 1:0 in Führung, weil sich die Abwehr der Heimmannschaft im Dornröschenschlaf befindet und den Anpfiff der Partie offenbar nicht mitbekommen hat. Folgerichtig erfolgt der Weckruf in Form einiger bläkender Kinder auf der Gegengeraden, die nun laut quietschend die Hügel hinunterrutschen und -rollen und auf diese Weise womöglich ihre Väter auf dem Kunstrasen aufzuwecken versuchen.

Nach 25 Minuten verschläft dann aber auch ganz FUDU den nächsten Höhepunkt der Partie, als Mathias Larsen auf Heimseite mit glatt Rot zu den Volleyballerinnen zum Duschen geschickt wird. Bei Dosenbier auf der Naturtribüne und leckeren Pølse vom Grill kann man den Blick für das Wesentliche aber auch wirklich einmal verlieren.

Zehn Minuten später sind dann aber auch unsererseits wieder alle hellwach. Gästespieler Jonas Højgaard hat das Publikum mit einem markerschütternden Schrei nach einem Foulspiel auf Höhe der Mittellinie aufgeweckt. Noch immer hält der Schrei an, als die Sanitäter das Feld betreten. Højgaard wird nach einigen Minuten Behandlungszeit schlussendlich vom Rasen getragen, an der Seitenlinie abgelegt und mit Eisbeuteln versorgt. Bis zum Schlusspfiff wird er sich keinen Millimeter bewegen. Hier darf getrost von einer schweren Bänderverletzung ausgegangen werden.

In der 41. Minute verpasse ich den Ausgleich durch Carl Lange, da ich mich gerade urinierend in der ruralen Umgebung des Gentofte Stadions befinde, während der von den großen Darts-Turnieren bekannte Mitgröhlsong als Torjingle durch das weite Runde gejagt wird. Verdammt. So einen Anfängerfehler habe ich ja noch nie begangen. Böse Zungen behaupten zwar, ich hätte im Januar 2015 das Freistoßtor von Mohammed Fellah für Esbjerg fB im Testspiel gegen Union in Wittstock/Dosse verpasst, doch diese fotografische Dokumentation sollte ein für alle Mal klären können, dass sich Wildpinkeln und Fußball gucken nicht zwangsläufig immer ausschließen müssen…

… aber kommen wir zurück zum Wesentlichen. In der Halbzeitpause muss unser Fahrer die bittere Pille verdauen, dass er soeben mit seinem Wettschein 200 DKK verloren hat, weil es den „rich kids“ nicht gelungen ist, die erste Halbzeit für sich zu entscheiden. So ist es eben mit dieser sozialen Ungerechtigkeit. Ehe man sich versieht, haben es sich die Reichen auch schon wieder von den Armen zurückgeholt!

Nach einem furchtbar belanglosen Freistoß aus dem Halbfeld, der 30 Meter über das Feld segelt, geht Hellerup in der 66. Minute durch einen Kopfball von Kristoffer Wichmann in Führung. 12 Minuten später erhöht Jonas Rasmussen mit einem Traumtor aus knapp 40 Metern auf 3:1. Noch während Torwart Sandberg Nielsen dumm aus der Wäsche guckt, nickt FUDU anerkennend. Seinen zweiten Namen „Hebo“ hat sich Rasmussen nach dieser gelungenen Aktion redlich verdient.

Dieser wunderbare Schlussstrich unter unserer Fußballreise bringt uns im Folgenden dermaßen aus dem Konzept, dass wir vollkommen euphorisiert den direkten Rückweg zum Flughafen antreten und unser eigentlich geplantes Hellerup-Sightseeing in der Aufregung komplett vergessen.

Die Tuborg-Brauerei, benannt nach dem Landsitz „Thuesborg“, der 1690 von Jonas Thue auf dem Stadtgebiet errichtet worden war, wurde 1873 in Hellerup gegründet. Bis 1979 wurde vor Ort Bier gebraut, ehe der Carlsberg-Konzern Tuborg aufkaufte und die Produktion verlagerte. Die einstige Brauerei fungiert heute als Museum, welches man hätte besichtigen können und auch das eigentliche Highlight, die „Tuborgflasken“, einen 30 Meter hohen Aussichtsturm in Bierflaschenform, lassen die FUDU-Flaschen in ihrer Eile links liegen.

An Bord der easyJet lenkt sich FUDU von diesem Fauxpas ab, indem der sympathischen sächsischen Jule ein eigener Song gewidmet wird. Aber der Spaß rund um „Fußraum-Jule“ ist schnell im Keim erstickt, da Nadjuschka mahnend an die „Keine-Dialekte-Regel“ erinnert und schon liegt der Fokus wieder auf dem Flasken-Fiasko. Klar, dass man diesen peinlichen Fehler schnellstmöglich korrigieren und noch einmal nach Dänemark zurückkehren sollte. Höchstwahrscheinlich im kommenden Jahr im Mai. Dann steigt ja schließlich auch schon wieder das nächste langweilige Champions League Finale. /hvg