889 889 FUDUTOURS International 27.04.24 01:58:25

17.09.2017 U.S. Sassuolo Calcio – Juventus FC 1:3 (0:1) / Stadio Giglio / 21.584 Zs.

Der 1.FC Union Berlin hat sein Heimspiel gegen Eintracht Braunschweig am Freitagabend mit 1:1 erneut nicht siegreich gestalten können. Nach Abpfiff eilt Fetti dieses Mal recht geschwind aus dem Stadion, nicht aber aus Enttäuschung ob der dargebotenen Leistung. Als Anhänger des 1.FC Union sollte man schlimmeres gewohnt sein, als eine kleine Durststrecke im oberen Tabellendrittel der zweiten Bundesliga auszuhalten. Auf den ersten Blick möchte man es gar nicht glauben, aber Fetti ist einfach ein echter Gewinnertyp, obwohl er es mit einem Verliererverein hält. Er jedenfalls entschwindet schnell, weil er sein Wochenende abermals gewinnbringend verplant hat. Es geht endlich einmal wieder nach Italien!

Kapitel 1: Die Anreise

Und so stehen mein Bianconeri-Bruderherz und ich am Samstagmorgen zu einer echten Unzeit am U-Bahnhof Frankfurter Tor und treten die Reise in Richtung Reggio Emilia an. Jene Stadt in der Emilia Romagna, die für mich selbstverständlich in erster Linie mit einem weltbekannten pädagogischen Konzept in Zusammenhang steht. Das progressive Konzept der „Reggio-Pädagogik“ wurde in den 1970er Jahren entwickelt und gut zwanzig Jahre später zum weltweit besten Programm frühkindlicher Bildung gekürt. Mit den genauen Inhalten will ich euch nicht langweilen, aber wenigstens mit einem kleinen Augenzwinkern darauf hinweisen, dass Berlin im Jahre 2003 erstmals mit einem für alle Kindertagesstätten gültigen Konzept aufwarten konnte. Respekt.

Am Flughafen Schönefeld ist das „Christinen Carat Naturelle“, also das stille Wasser im Tetra Pak, das ich mir immer für einen Euro kaufe und am Ende einer jeden Reise ungeöffnet wieder aus meinem Rucksack hole, heute leider ausverkauft. Es fällt mir schwer, mit Gewohnheiten zu brechen und ich kann nur hoffen, dass wenigstens im weiteren Verlauf der Reise nichts mehr schiefgehen wird.

Im Flugzeug erfahre ich dann aber sogleich, was echte Probleme sind. Die wasserstoffblondierte Dame vor uns hat sich doch allen ernstes soeben einen Fingernagel abgebrochen und jammert nun ihrem Freund die Ohren voll. Ausgerechnet am Handtaschenärmchen! Wie konnte das nur passieren? Und wie das weh tut! Da kommt sie natürlich nicht umhin, per Knopfdruck eine Stewardess an den Platz zu beordern. Die Frage: „Can I have a Pflaster?“ kann dann leider auch nicht zu ihrer Zufriedenheit beantwortet werden. Kurz darauf sind wir in Bergamo gelandet, sitzen im Shuttlebus in die Innenstadt und werden, wie überraschend oft in Italien, von Ticketkontrolleuren belästigt. Nach erfolgreicher Kontrolle haben wir dann knapp zwei Stunden Zeit für ein ausgiebiges Frühstück, wobei sich das Tischgebet natürlich mit dem Schicksal der Fingernagellosen auseinandersetzt und ihr viel Kraft und erfolgreiches Überleben wünscht.

Im Zug nach Reggio Emilia werden wir nicht kontrolliert, fallen aber trotzdem positiv auf, als wir einer etwas orientierungslosen Zugbegleiterin erklären, in welchem Zugabteil sie sich aktuell befindet. Etwas spektakulärer als die Fahrt an sich ist dann der Weg vom Bahnhof zu unserem Hotel, welcher uns schnurstracks am „Stadio Comunale Mirabello“ vorbeiführt. Bis in das Jahr 1993 stellte dieses Stadion die Heimspielstätte für die A.C. Reggiana Calcio dar, ehe man sich nach dem Aufstieg in die Serie A in selbigem Jahr für den Neubau eines modernen Stadions entschied. Heuer spielt der Club nur noch in der Serie C und dennoch ist das eigentliche Heimatstadion mit nur noch 4.400 Plätzen eine Nummer zu klein. Noch immer besuchen knapp 5.000 Tifosi im Schnitt die Spiele der nach einer Insolvenz neugegründeten A.C. Reggiana. An der Tribünenwand befindet sich ein Stencil eines Fußballspielers namens „El Trinche“, von dem ich noch nie etwas gehört habe und mich gerade deshalb auf die nachträgliche Recherche freue.

Exkurs: Tomás “El Trinche“ Carlovich]

Das über booking.com reservierte Hotel stellt sich dann recht schnell als eher ungewöhnlich heraus. Aus Prinzip verzichte ich auf Buchungen über Portale wie „Airbnb“, weil ich etwas idealistisch die Grundhaltung einnehme, dass man als Tourist gefälligst aufzupassen hat, den Wohnungsmarkt der Städte, die man besucht, nicht zu beschädigen. Nun stellt sich leider heraus, dass man auch über booking an solche Angebote geraten kann. Wir befinden uns inmitten eines Wohngebiets und haben am Klingelbrett einen kleinen Hinweis auf das „B&B Santa Maria“ gefunden. Ganz offenbar hat sich ein findiger Italiener in einem Mehrfamilienhaus eine Wohnung gekauft, die er an Touristen vermietet. Klar, dass man zu dieser Zeit auch noch nicht einchecken kann, weil es keine Rezeption im klassischen Sinne gibt. Nach einer telefonischen Absprache und einer Verabredung zum 17.00 Uhr Check-In erkunden wir die Stadt entgegen unsere eigentlichen Absicht mit unserem Reisegepäck auf dem Rücken.

Als wir in Richtung Innenstadt laufen, stockt uns kurz der Atem. Mitten auf einem großen Platz haben sich zwei Autos ineinander verkeilt, das Rote Kreuz steht drumherum und Menschenmassen über Menschenmassen begaffen das Szenario. Wir wollen uns der Schaulust nicht schuldig machen, biegen ab, erreichen die Altstadt und müssen mit ansehen, wie in der ersten kleinen Gasse ein Mensch vom Roten Kreuz reanimiert wird. Na, hier ist ja was los. Etwas skeptisch werden wir dann auf dem Marktplatz, der ebenfalls mit Krankenwägen, Sanitätern und Informationsständen übersät ist. So langsam dämmert es uns, dass hier irgendein Treffen des italienischen Roten Kreuzes stattfindet und an verschiedenen Orten der Stadt Unfälle simuliert werden, die die Einsatzkräfte zu meistern haben.

Wir kehren in einer netten Bar ein, von deren Terrasse aus wir dem Roten Kreuz Apulien bei der Arbeit zuschauen können. Die Einsatzleiterin schreit sich die Lunge aus dem Leib, während die überaus charmante Kellnerin uns in brüchigem Englisch die Bierkarte erklärt. Ich entscheide mich für ein dunkles Starkbier, während mein Bruder etwas experimentierfreudiger ist und sich von dem „Salad from the Sea“-Bier überzeugen lässt. Unseren Tipp, dass es sich bei ihrer Umschreibung um das Wort „Alge“ handelt, bestätigt sie gestenreich und voller Freude darüber, verstanden worden zu sein. Das italienische Wort „alga“ hätte es dann aber wohl auch getan…

Nachdem das Bier genossen wurde, kehren wir im Tourismusbüro ein und versorgen uns mit Stadtplänen. Die freundliche Dame kringelt wie von allen guten Geistern verlassen alle Sehenswürdigkeiten Reggio Emilias ein und man muss sich schon große Sorgen um die zwei-drei Quadratmeter der Stadt machen, die von ihrem Kugelschreiber verschont geblieben sind. Wie es da wohl aussehen mag? Vom „Piazza Antonio Fontanesi“ und seinen prunkvollen Arkaden schwärmt sie ganz besonders und wir malen uns vor unserem inneren Auge das zu Erwartende in den prächtigsten Farben aus.

Nun gilt es aber zunächst einmal, uns an die Verabredung mit unserem Gastgeber zu halten. Pünktlich werden wir in Empfang genommen und nur wenig später werden uns die Hausregeln verklickert. Kein Alkohol im Zimmer, bitte. Die letzten Gäste hätten sich nicht gut benommen, weiß Mario Montanari uns zu berichten, während er beiläufig eine angebrochene Flasche Gin von Omas Anrichte im Flur entfernt. Man muss jetzt nicht unbedingt kriminalpolizeilich ausgebildet sein, um herauszufinden, welchen Gästen man diese strenge Ansprache zu verdanken hat. Am 14.09. hatte Atalanta aus Bergamo den Everton FC in Reggio Emilia empfangen, da sich ihr eigenes „Stadio Atleti Azzuri d’Italia“ aktuell im Bau befindet. Keine weiteren Fragen an der Stelle.

Kurz nachdem wir erfahren haben, dass es in unserem Bed&Breakfast-Schuppen leider kein Breakfast für uns geben wird, stehen wir auch schon an der Kasse des „Conad“ von nebenan. Dort stellen wir uns an wie die ersten Menschen, verstehen das unschlagbare Angebot, zwei Wurstpackungen zum Preis von einer zu erhalten nicht und kaufen zu allem Überfluss auch noch einen Würfel Trockenhefe statt Butter, wie wir am nächsten Morgen feststellen werden. Ideal für „Pane et Dolci“, nicht aber, um es auf Toastbrot zu verschmieren.

Doch bevor man sich mit den Problemen des Morgens auseinandersetzt, muss man zunächst einmal den Abend in Reggio Emilia gestalten – und das ist schwer genug. Die Industriestadt mit historischem Stadtkern ist nämlich einigermaßen ausgestorben und auch die Suche nach einer Lokalität, in der wir die Roma gegen Hellas Verona im Fernsehen spielen sehen können, gestaltet sich schwierig. Kurz vermag uns das „Festa Della Birra“ mit einem Pink Floyd Tribute Band Konzert in Verzückung zu versetzen, doch eine kurze Recherche ergibt: 7 Kilometer Entfernung, fußläufig nicht erreichbar, Busverbindungen nachts zurück in die Stadt Fehlanzeige. Via Nervi!

Irgendwann haben wir dann doch eine Kneipe gefunden, die unheimlich italienisches Flair versprüht und so trinken wir in der „Brasserie des Amis“ ein „Löwenbräu Oktoberfestbier“, während im Hintergrund Hellas Verona bereits am 4. Spieltag augenscheinlich dem Abstieg entgegentrudelt.

Am Ende des Abends kehren wir noch auf der sagenumwobenen „Piazza Antonio Fontanesi“ ein, beäugen die drei-vier Säulengänge und konstatieren: Aha. Nett hier. Aber waren sie schon einmal in Torino oder Genova? Das ist das Schicksal der Weitgereisten – so leicht zu begeistern sind wir nicht mehr. Ebenfalls wenig Begeisterung lösen die Getränkekarten aus, die einem auch hier ausschließlich deutsches Bier anbieten. Da wir keine „Spaten“ sind, verzichten wir auf die erstbesten Gelegenheiten und finden am Ende Trost in einer hippen Craftbeer-Bar, in welcher es aber immerhin einheimisches Pils aus Triest käuflich zu erwerben gibt.

Kapitel 2: Das Spiel

Am Sonntag können wir uns nach unserem Hefewürfel-Frühstück endlich dem Spieltag widmen und uns mit dem gastgebenden Verein auseinandersetzen. Sassulo ist ein Örtchen in der Emilia Romagna mit knapp 40.000 Einwohnern. Das städtische „Stadio Enzo Ricci“ fasst lediglich 4.008 Zuschauer und ist daher bereits seit dem ersten Aufstieg der Vereinsgeschichte in die Serie B im Jahre 2007 (übrigens unter dem heutigen Juve-Trainer Massimiliano Allegri) nicht mehr die Spielstätte der grün-schwarzen. Zunächst wich man nach Modena aus und seit dem Aufstieg in die Serie A im Jahre 2013 pendelt man regelmäßig in das 27 Kilometer entfernte Reggio Emilia.

Dort sind die Arbeiten am neuen Stadion nach einer Bauzeit von bemerkenswerten acht Monaten im August 1995 für beendet erklärt worden. Dank des Einsatzes diverser Betonfertigteile hielten sich auch die Kosten mit 15 Millionen Euro in einem überschaubaren Rahmen. Entstanden ist ein recht ansehnliches Fußballstadion. Alle Tribünen sind nahe am Rasen gebaut und selbst vor dem Gästeblock versperren keinerlei Zäune die Sicht. Ist in Italien ja auch nicht alltäglich. Dafür trennen kleine Wassergräben die Hintertortribünen vom Spielfeld, was die Absurdität nach sich zieht, dass die Ballholerinnen hier mit Keschern arbeiten müssen. Eröffnet wurde die 29.546 Zuschauer fassende Spielstätte am 15.04.1995 mit einer Partie der A.C. Reggiana gegen den Juventus FC unter dem Namen „Stadio Giglio“. Von 2012 nannte sich die Arena für ein Jahr „Stadio di Reggio Emilia Città del Tricolore“, ehe ein Sponsor Interesse daran bekundete, das Stadion mit seinem Namen zu entwerten. Für euer Allgemeinwissen darf kurz Bezug auf das „Città del Tricolore“ genommen werden. Reggio Emilia ist der Geburtsort der italienischen Nationalflagge, die dort von Ludovico Bolognini 1797 gestaltet wurde. 207 Jahre später eröffneten die Stadtväter dann feierlich ein Shopping Center in der Gegentribüne, um den Charme des Stadions weiter abzumildern.

Die größten Spiele der Vereinsgeschichte absolvierte Sassuolo hier in der vergangenen Saison, in welcher man erstmals für einen europäischen Wettbewerb qualifiziert war. Nicht unwesentlichen Anteil hieran hatte Juventus, die den italienischen Pokal gewannen und so aufgrund ihrer gleichzeitigen Qualifikation für die Champions League dafür sorgten, dass auch der Tabellensechste der Serie A ein Anrecht auf einen internationalen Startplatz hatte.

Heute erwartet der „Dorfclub“ aus Sassuolo die „alte Dame“ bereits um 12.30 Uhr zum Volksfest. Das Stadion ist mit mehr als 21.000 Zuschauern sehr gut gefüllt und das, obwohl Sassuolo Preise aufgerufen hat, die nicht von dieser Welt stammen. Nach einem kurzen Rundumblick wagt es mein Bianconeri-Bruderherz auch, seine Mütze mit Juventus-Logo aufzusetzen. Ungelogen, unter den 21.584 Zuschauern befinden sich heute gut und gerne 15.000, die es ganz offenkundig mit der Juve halten. Wir bezahlen für unsere Sitzplätze am linken Rand der Gegentribüne nahe des Gästeblocks stolze 82,50 € und sind ergriffen davon, dass das Champions League Finale der Frauen das Cateringangebot nachhaltig erschüttert hat. Am 26.05.2016 unterlag der VfL Wolfsburg Olympique Lyon nach Elfmeterschießen und noch immer haben die Getränkekarten von damals Gültigkeit. Na, wie wäre es mit einer „doppelten Verneinung“ (gemeinhin eher bekannt als alkoholfreies Radler. Grüße an suk!)?

Das Spiel beginnt. Am vierten Spieltag trifft der 17. auf den 2. und schon zu dieser frühen Phase der Saison scheint sich hier ein Trend abzuzeichnen, der sich auch auf dem Rasen widerspiegelt. Nach einer Viertelstunde geht der haushohe Favorit durch einen wunderschönen Distanzschuss durch Paulo Dybala mit links ins lange Eck in Führung, nachdem Pjanić und Higuaín bereits zwei Gelegenheiten ausgelassen hatten. In der ersten halben Stunde des Spiels agiert ausschließlich Juventus – mit gefühlten 80% Ballbesitz legen sie sich den Gegner zurecht. In dieser kompletten Überlegenheit fällt es auch nicht weiter ins Gewicht, dass Mandžukić als Flügelstürmer in meinen Augen etwas fehl am Platz ist, zumal auf seiner eigentlichen Position in Gonzalo Higuaín ein Spieler agiert, der heute offenbar so rein gar keine Lust hat. Etwas pomadig schiebt er seine Büffelhüfte über den Rasen und mit einer solchen Laufleistung darf man wohl getrost von einem aussterbenden Stürmertypus sprechen.

Nach einer halben Stunde sendet Sassuolo ein Lebenszeichen. Ein schöner Steckpass in die Schnittstelle der Abwehrkette ermöglicht Falcinelli urplötzlich ein 1:1 gegen den Großmeister Gianlugi Buffon, der aber Sieger des Duells bleibt. Im Anschluss nimmt Sassuolo etwas mehr am Spiel teil, doch die Juve, die ihrerseits nun etwas mehr auf Stabilität bedacht ist, lässt nichts mehr anbrennen.

Die zweite Halbzeit beginnt mit einem echten Paukenschlag. Gerade drei Minuten sind gespielt, als Paulo Dybala einen Pass von Cuadrado im Strafraum annehmen kann und sich angesichts von gleich fünf Gegenspielern, die ihn umringen, aber wenig bedrängen, dazu entschließt, den Ball einfach humorlos mit der Bauernpike am verdutzten Keeper vorbei zu befördern. Teufelskerl.

Nun haben wir ein wenig Angst, dass Juventus das Spiel bis zum Abpfiff nur noch verwalten wird, doch der schnelle Anschluss durch Matteo Politano in der 51. Minute nimmt uns diese Sorge. Aber wer einen solchen Dybala in seinen Reihen hat, der kann gar nicht verlieren. Nach einem unnachahmlichen Dribbling wird er in der 63. Minute in aussichtsreicher Position gelegt. Die Kinder um uns herum fordern Pjanić als Freistoßschützen, doch selbstverständlich lässt es sich Dybala nicht nehmen, das Ding einfach selbst formschön zu vollenden. Higuaín darf sich noch bis zur 76. Minute über den Platz schleppen, während Juventus etwas fahrig agiert, dafür aber vom schwachen Gastgeber nicht bestraft wird. Dybala holt sich in der 85. Minute die verdienten stehenden Ovationen des ganzen Stadions inklusive des Sassuolo-Heimblocks ab und dann wird das Spiel auch schon abgepfiffen.

Ich freue mich darüber, dass ich endlich einmal wieder mit einem Tipp richtig gelegen habe und die vergesslichen schwedischen Groundhopper darüber, dass wir sie darauf hinweisen, dass sie nahezu ihr gesamtes Hab und Gut auf der Sitzschale haben liegen lassen. Da wir lediglich furchtbare Online-Tickets unser Eigen nennen, gehen wir auf der Tribüne auf Eintrittskartensuche und werden schnell fündig. Bedauerlicherweise müssen wir feststellen, dass Sassuolo offenbar einen Großteil des Stadions verramscht hat und wir dafür bluten mussten. Roberto Caroli musste jedenfalls für seinen Platz im Block E, Reihe 3, Platz 14 läppische ZWEI EURO zahlen. Das prangere ich an!

Kapitel 3: Die Rückreise

Vom Stadion am nördlichen Stadtrand verkehrt kein Zug in die Innenstadt und auch am Busbahnhof mit exakt 35 Haltebuchten ist lediglich genau ein Gefährt vorzufinden. Wir ziehen daher den Fußweg vor und erreichen den 2,6 Kilometer entfernten Hauptbahnhof von Reggio Emilia um kurz nach 15.00 Uhr. Noch haben wir bis zur Abfahrt unseres Zuges nach Milano aufgrund einer Zugverspätung eine knappe Stunde Zeit, um uns mit Verpflegung einzudecken. Im ersten Supermarkt in Bahnhofsnähe stromern wir um das Kühlregal herum und lassen uns durch die Verkäuferin nicht irritieren, die uns schon das dritte Mal irgendetwas gesagt hat. Letztlich fällt die Wahl auf ein-zwei kühle Moretti, doch mit nun immer wilderen Gesten verweigert man uns den Einkauf von Flüssignahrung. Zu unserem besseren Verständnis zeigt sie uns dann auch ein Schild, auf dem zu lesen steht, dass der Verkauf von Alkohol nach 15.00 Uhr untersagt sei. Glücklicherweise steht am Ende der Smartphone-Analyse die Erkenntnis, dass es in unmittelbarer Nähe noch ein asiatisches Lebensmittelgeschäft gibt, welches wir nun unsere Aufwartung machen und ebenso glücklicherweise hält der Ladeninhaber das italienische Gesetz für einen echten Huan Son, scheißt auf Regeln und verkauft Bier. So lob ich mir das und gönne mir zusätzlich eine asiatische Brause mit unklarer Geschmacksrichtung und unklarer Wirkung auf den menschlichen Körper. Banzai!

Natürlich verpassen wir in Milano unseren Anschlusszug nach Bergamo und müssen aufgrund der ungünstigen Zugtaktung auf den Bus ausweichen. Dort treffen wir auf eine Frauengruppe aus Berlin, die einen depperten Junggesellinnenabschied gefeiert hat. Die Gespräche drehen sich um Schminke, gute Backgrounds in Berlin für Fotoshootings des Brautpaars und andere Hochzeitsscheiße, garniert mit Reisegeschichten, die Lust auf die Flitterwochen machen sollen. Ich nehme die eine oder andere Anregung für Wandtattoos in meinem Wohnzimmer mit und küre den nahezu philosophischen Satz: „Als ich Frankreich war, hab ich erstmal Fenster aufgemacht!“ zum Sieger des frühen Abends. Die mit Händen zu greifende Idiotie und die Omnipräsenz von Sch-Lauten ist genauso lange lustig, bis die Damen anfangen, sich über ihre Bachelor-Thesen zu unterhalten und auszumachen, dass man morgen wohl die Uni schwänzen würde. Ob ich mal heiraten werde? Vielleicht, wenn ich als Kandidat bei „Wer wird Millionär“ vor dem Auftritt einen kiffe. Und dann hoffe ich, gefragt zu werden, wo die italienische Nationalflagge entstanden ist. Das weiß doch jeder. /hvg