557 557 FUDUTOURS International 19.03.24 03:16:19

27.07.2018 Stevenage FC – Watford FC 0:1 (0:0) / Broadhall Way / 1.222 Zs.

Bereits auf dem Weg nach Wolfsburg hatte ich festgestellt, dass der Ausflug des 1.FC Union Berlin zu den Queens Park Rangers ausgerechnet inmitten meines zweiwöchigen Sommerurlaubs stattfinden wird. Als bekennender Fan von Strand, Sonne und Südeuropa passt London da nun genaugenommen überhaupt nicht in die Reiseplanung. In Anlehnung an einen deutschen Filmklassiker gelingt es mir allerdings auch in diesem Falle, das nicht passende passend zu machen und eine Reiseroute zusammenzustellen, die einem die Freudentränen in die Augen treibt: Berlin-Valencia-London-Bordeaux-München-Memmingen-Ulm-Berlin. Zwei Wochen aus dem Rucksack leben und Euch ein Jahr später mit Berichten darüber belästigen, ist mir stets eine große Freude.

 

Vale, Vale, dass zum Zwecke Bierchen fließe…

Gerade einmal fünf Stunden sind seit dem Ende meiner Nachtschicht vergangen und schon sitze ich im Flugzeug nach Valencia. Ich lande – wie schon in Málaga anno 2017 – während eines gigantischen Volksfests in einer hoffnungslos überlaufenen Stadt, ohne vorher davon Kenntnis gehabt zu haben. Es tobt die „Gran Fira de Valencia“, ein seit 1871 jeweils im Juli stattfindendes und über das gesamte Stadtgebiet verteiltes Großereignis mit Konzerten, künstlerischen Darbietungen verschiedenster Art, sportlichen Wettkämpfen und der traditionellen „Batalla de les Flors“ (Blumenschlacht) als Höhepunkt des Festmonats. Für genügend Abwechslung sollte in der kommenden Woche also gesorgt sein…

Leider besitze ich jedoch lediglich ein Programm in valencianischer Sprache, die Amtssprache der „Autonomen Gemeinschaft Valencia“, welche dem Katalanischen sehr ähnelt. Kurzum: Richtig viel versteht man nicht. Aber ab und zu auf Verdacht irgendwelche Bühnen ansteuern, ist immer noch um Längen besser, als sich im Touristenbüro eine Wartenummer zu ziehen (!) und sich in die kilometerlange Trottelschlange einzureihen. So kommt es, dass ich einer Partie „Futvolley“ am Strand beiwohne, einem klassischen Konzert in der architektonisch gruselig-modernen „Ciutat de les Arts i les Ciències“ meine Aufwartung mache und innerhalb weniger Augenblicke investigativ herausfinde, dass die Meisterschaften in der sagenumwobenen Sportart „Truc i Parxis“ mich nicht zu Begeisterungsstürmen hinreißen werden. Muss man dann mit Humor nehmen, wenn man eine Stunde quer durch die Stadt gelaufen ist, um in irgendeinem Park auf alte Männer und ein offenbar traditionelles Brettspiel zu treffen.

Die restliche Zeit verbringe ich mit „Mahou“ am „Playa de la Malvarrosa“, schlendere um das „Mestalla“ herum und gebe mich der Leidenschaft des Sightseeings hin. Besonders in Erinnerung wird das „Tribunal de las Aguas“ bleiben. Jeden Donnerstag um 12.00 Uhr tagt das Wassergericht, um seit 960 n.Chr. die Streitigkeiten zwischen den Anwohnern der sieben Bewässerungskanäle Valencias zu schlichten. Da heutzutage meist keine Beschwerden mehr vorliegen, ist die Verhandlung nach fünf Minuten auch schon wieder beendet – wenn acht schwarz gekleidete Herren und ein würdevoller Gerichtsdiener die Namen der Bewässerungszonen laut verkündet haben und aus dem Publikum, bestehend aus ca. 700 Millionen Touristen, niemand die Stimme erhebt.

Ansonsten lungere ich in meinem drei-Raum-Apartment herum, welches ich bedauerlicherweise alleine bewohne (Grüße nach Österreich!). Das lokale Fernsehen unterhält mich in den Abendstunden mit Testspielübertragungen des ortsansässigen Fußballclubs gegen Galatasaray und Lausanne, während das landesweit empfangbare TV die hochspannenden Spiele der Rollhockey-WM überträgt und einen Blick nach Barcelona wirft, wo u.a. die Wasserballer Maltas (Grüße an Günter!) um den Europameistertitel kämpfen.

Am 27.07. muss ich dann morgens um 9.45 Uhr am Flughafen von Valencia meine ganze Konzentration in die Waagschale werfen, um mich am richtigen Gate einzusortieren. Was von hier aus alles für schöne Orte angeflogen werden… Aber nein, ich muss mich tatsächlich gemeinsam mit den verbrannten Dicken, den schlecht Tätowierten und den hässlichen Frauen anstellen. Ziel: London-Gatwick. Off we go!

 

FUDU and Chips: Ein Wochenende in London.

Pünktlich um 11.45 Uhr landet meine Maschine am Flughafen Gatwick. Bei der Vorabbuchung meines Zuges in die Innenstadt habe ich dummerweise die obligatorische Passkontrolle nicht mit eingeplant. Etwas müde belächelt werde ich von einem Flughafenangestellten, als ich meinen uralten Personalausweislappen einzuscannen versuche, um mir die lange Schlange nebenan zu ersparen. Geht natürlich nicht und so reihe ich mich, immer wieder auf die Uhr schauend, deutsch-diszipliniert am Ende des boshaften Weibstücks (hat mir Word gerade ernsthaft als Synonym für „Schlange“ vorgeschlagen – wollte Euren Lesefluss nicht mit unnötigen Wortwiederholungen stören…) ein. Der Grenzbobby ist nur kurz irritiert, dass der Ausweis mit dem 15 Jahre alten Foto noch gültig ist und stellt dann diese eine Frage, die er wohl jedem stellen muss, dessen Reiseweg sich nicht auf den ersten Blick erschließt: „What’s the reason for your entry?“

„Fußball“ wäre womöglich eine Antwort, die weitere Nachfragen nach sich ziehen würde. Daher höre ich mich wie aus der Pistole geschossen sagen: „Summer holidays!“
London. 22 Grad. Wolken. Ich schäme mich für diese schäbige Lüge, aber der Bobby nickt zufrieden und lässt mich ohne zu zögern passieren. Sommerurlaub in London. So ein Schwachsinn.

Viel Zeit zum Schmunzeln und Kopfschütteln bleibt jedoch nicht – die Zeit drückt. Ohne Ball am Fuß ergibt Rennen ja grundsätzlich keinen Sinn und nun stelle ich obendrein fest, dass sich an dieser Feststellung nicht im Geringsten etwas ändert, wenn man diese Form der Bewegung darüber hinaus mit dem größtmöglich zugelassenen Handgepäcksrucksack auf dem Rücken wählt. Immerhin gelingt es mir so, genau eine Minute vor Abfahrt des Zuges am entsprechenden Bahngleis anzukommen. Eine halbe Stunde später kann ich den „Gatwick Express“ an der „Victoria Station“ verlassen und Fackelmann und den Schurken in die Arme schließen. Die beiden wollen völlig übermotiviert sofort den Weg in das Hotel antreten, aber ich kann die Kostverächter glücklicherweise zu einem Pint im gegenüberliegenden „Shakespaere“ überreden. Nachdem wir auch noch eine Portion Fish&Chips verspeist und einen ersten „Tango“ getanzt haben, gilt meine Akklimatisierung als abgeschlossen.

Am Nachmittag quälen wir uns mit der „London Underground“ durch die Stadt. Ich bin zugegebenermaßen etwas überwältigt von der Größe der Stadt und gleichermaßen entsetzt darüber, wie viele Menschen sich durch die viel zu schmalen U-Bahn-Tunnel drängeln. Gemessen an der Luftqualität unter Tage wohl eindeutig zu viele und so rennt alles hektisch durch die Gegend, um Kreislaufzusammenbrüchen in den Klaustrophobie-Röhren zu entgehen und schnellstmöglich die klimatisierten Züge zu erreichen. Mittlerweile habe ich auch verstanden, dass es die (Blue)-„Oyster Card“ nicht gebraucht hätte. Als Fahrkarte kann man schlicht und ergreifend auch seine Kreditkarte zum Entpiepen der Drehkreuze nutzen. Die freundlichen Londoner Verkehrsbetriebe errechnen einem am Ende der Reise die jeweils günstigsten Tarife und belasten die Geldkarte dementsprechend. Easy Like Sunday Morning!

An der „St. Pancras International Station“ treffen wir auf weitere Truppenteile FUDUs. Insgesamt versuchen sich nun fünf studierte Menschen – vier davon sogar mit Abschluss (kleiner Universitätssparwitz am Rande: „Hat heute erfolgreich die Hochschule abgeschlossen. Klaus-Jürgen, 56, Hausmeister“) – die Ticketfrage nach Stevenage zu klären. Die Suche nach einem Verkaufsschalter, um einen Menschen um Rat zu bitten, verläuft sich im Sande und so tingelt FUDU von Automaten zu Automaten, auf der Suche nach dem richtigen Anbieter. Quasi im Vorbeigehen hat Fackelmann so immerhin entdeckt, wo genau sein internationaler Nachtzug nach Brüssel am Montagmorgen abfahren wird. Ist immerhin schon einmal einer schlauer. Nach ewigem Hin und Her haben wir dann endlich den richtigen Verkaufsterminal gefunden und ein hoffentlich gültiges Gruppenticket nach Stevenage (Hertfordshire) und zurück nach London „King’s Cross“ gelöst. Und während man hofft, die schwerste Aufgabe bereits gemeistert zu haben, wird plötzlich allen klar, dass der Zug nach Stevenage eben auch ab „King’s Cross“ fahren wird und wir uns aktuell auf dem falschen Bahnhof befinden.

Im Schweinsgalopp werden die 207 Fuß Distanz zwischen den Bahnhöfen in spielerischer Leichtigkeit gemeistert, sodass genügend Zeit verbleibt, um Wasserflaschen am Abfahrtsgleis einzusacken, welche heute in London wegen der Hitze (!) und der schwülwarmen Luft (!) gratis zur Mitnahme bereitstehen, bevor wir in den Zug huschen. Sommerurlaub. Sag ich ja.

Für die Harry Potter Fans der Gruppe (Verzeihung, wären ja nur Fotos für die Freundinnen gewesen…) wird auf dem Rückweg ein Zeitfenster eingeplant, um auf die Schnelle das Gleis 9 ¾ kreuzen zu können.

Das Sightseeing in Stevenage (33 Minuten vom „King’s Cross“ entfernt) brechen wir nach wenigen Minuten ab, weil die Ortschaft so wenig zu bieten hat, dass sogar Busse Reißaus nehmen und als „Vermisst“ gemeldet werden müssen. Im Pub bestellt sich ein Teil der Gruppe etwas zu essen, der andere Teil setzt frohen Mutes auf das spätere Stadioncatering. Während die ersten Biere kurz darauf verzehrfertig bereit stehen, lässt das Essen gehörig auf sich warten. Noch wähnen sich die späteren Cateringverlierer an dieser Stelle auf der Gewinnerseite…

Ein leichtes Gewittergrummeln begleitet unser Trinkgelage. Der Fackelmann lotet den Fußweg zum Stadion aus und begeistert die Gruppe hellauf mit der Information, dass das Stadion am „Broadhall Way“ (natürlich offiziell mit einem Sponsorennamen ausgestattet) in seiner maps.me-App als „Anbetungsstätte“ geführt wird. Gibt vermutlich schlechtere Orte für Freitagabend-Freundschaftsspiele.

Nach der Eintrittszahlung in Höhe von 12 £ bestätigt sich diese Annahme. Drei Seiten des Stadions des Viertligisten sind ausgebaut, wobei die Stehplatzgegengerade, die heute leider gesperrt bleibt, mit ihrem kleinen Giebeldach und der alten Stadionuhr besonderen Charme versprüht. Hinter dem Tor zu unserer Linken befindet sich aktuell Brachland, welches von Ballholerkindern mit gelben Bauarbeiterhelmen bevölkert wird. Nach Beendigung des Neubaus werden dann gut 8.500 Zuschauer am „Broadhall Way“ Platz finden.

Heute kommen immerhin 1.222, um das Testspiel gegen den Premier-League-Vertreter aus Watford zu sehen. Ob die „Hornets“ mit Elch im Wappen mit der ersten Mannschaft aufdribbeln, kann ich leider nicht beurteilen. Immerhin spielt Sebastian Prödl von Beginn an und José Holebas ab der 60. Minute. Auch Ben Wilmot startet heute in Reihen des Watford FC, an dem Elton John nach gut 20-jähriger Präsidentschaft übrigens bis heute Anteile hält. Wilmot? Ein 18-jähriger Jungspund, der vor gut drei Monaten für kolportierte 1,7 Millionen € von Stevenage nach Watford gewechselt war und so zum Rekordtransfer des Viertligisten avancierte.

Auf dem Rasen dominieren erwartungsgemäß die „Hornets“. Nach zehn Minuten sind bereits drei Großchancen vergeben worden, zwei davon in Weltklassemanier von Torwart Farman vereitelt, eine von Hughes im 1:1 kläglich vertändelt. Mit einem schönen Lupfer über die Abwehr macht Hughes kurz darauf positiv auf sich aufmerksam, doch sein Kollege im Sturm scheitert am Außennetz. Bereits eine halbe Stunde ist ins Land gegangen und Watford gelingt es immer wieder, die zu hoch stehende Abwehr Stevenages zu überspielen, im Anschluss aber bemerkenswert ideenlos und abschlussschwach aufzutreten. Stevenage setzt die eine oder andere knackige Grätsche und behindert die Gäste im Spielaufbau mit der vielzitierten englischen Härte.

In der Halbzeitpause stellt sich heraus, dass die Cateringstände des Stadions heute nichts essbares – abgesehen von Kartoffelchips – im Programm haben. Es lachen die Gesättigten, es knurren die Mägen der Verlierer. Aber wenn man schon einmal quer durch das Stadion gelaufen ist, dann kann man sich ja wenigstens einen Kaffee gönnen und gegen die Müdigkeit kämpfen. Gedacht, getan. Auf die Frage, was man denn bitte an einem Kaffee falsch machen kann, könnte man dann getrost diesen Becher Plörre aus der Asservatenkammer holen. Oder: Wenn schon im Cateringsektor untergehen, dann wenigstens mit wehenden Fahnen!

Im zweiten Spielabschnitt dreht der Außenseiter gehörig auf und stellt Watford vor amtliche Probleme. In der 51. Minute scheitert Stoßstürmer Revell denkbar knapp per Kopf und bis zum Massenwechsel der „Hornets“ in der 60. Minute bleibt der Underdog am Drücker. Bei den Gästen bleiben nur der Keeper und der auffällige Hughes auf dem Feld, der heute offenbar eine gesonderte Chance erhält, sich zu zeigen und diese mit aller Leidenschaft zu nutzen gedenkt.

Leider bringt die Wechselorgie einen Bruch in das Spiel und tatsächlich gibt es in den kommenden 30 Minuten nicht einen einzigen Höhepunkt zu bestaunen. Der Stevenage FC hätte sich dank einer kompakten Mannschaftsleistung und einer grundsoliden kämpferischen Einstellung ein Unentschieden verdient, doch just im Moment dieses Fazits begeht der ansonsten tadellose Farman des Viertligisten einen fatalen Fehler, als er seine Torlinie verlässt, sich vom Stürmer nach Außen treiben lässt und dann überflankt wird. Am zweiten Pfosten köpft Gray in das verwaiste Tor und setzt so den Schlusspunkt hinter diese Partie.

Wir kehren noch einmal in unseren Stevenager Stammpub ein. Aufgrund der ungünstigen Zugtaktung, der nur kurzen Verweildauer bis zur Abfahrt unseres auserwählten Zuges und des vorhin beobachten Arbeitstempos des Küchenpersonals, entscheide ich mich als staatlich anerkannter Cateringverlierer und Langsamesser, mein Magenknurren erst einmal nur mit Bier zu betäuben. Schwerer fällt da die Nachricht ins Gewicht, dass das kleine Gewittergrummeln, welches wir vorhin vernommen hatten, in London offenbar doch eine Nummer heftiger ausgefallen sein musste.

Mehrere Flüge in London fielen diesen Wetterkapriolen jedenfalls zum Opfer. Darunter auch diverse Flieger, die sich auf dem Weg nach Berlin befunden hätten. Die Konsequenz: In Berlin fehlt es nun entweder an den Kapitänen, den Kabinencrews oder schlicht und ergreifend an den Maschinen, um den Weg zurück auf die Insel antreten zu können. Bei uns trudeln im Laufe des Abends Minute für Minute traurige Nachrichten aus Berlin ein, dass der eine oder andere Unioner momentan im Ungewissen darüber ist, wie und ob man überhaupt noch nach London fliegen können wird. Auch einige endgültige Absagen von Freunden, die bereits nach stundenlangen Wartezeiten die Hoffnung auf das Testspiel bei den Queens Park Rangers aufgegeben haben, befinden sich darunter. Leider ist auch das FUDU-Pärchen betroffen und wird die Anreise nach London nicht antreten können. Und so endet der erste schwülwarme Blitz and Donna Summerurlaubstag in London dann neben all der Union-Vorfreude und dem „Hot Stuff“ drumherum leider auch mit einigen dicken Wermutstropfen… /hvg