268 268 FUDUTOURS International 26.04.24 12:58:44

30.12.2018 Os Belenenses – Futebol Clube do Porto 1:2 (1:0) / Estádio Nacional do Jamor / 6.319 Zs.

29.12.2018, 10.00 Uhr: Liebes Tagebuch! Es ist Samstag und die Sonne scheint. Wir sind alle schon ganz aufgeregt, weil wir heute wieder ein Fußballspiel sehen können. Santa Maria da Feira ist gerade einmal 35 Kilometer entfernt. Auch hier wird Ligapokal gespielt – der C.D. Feirense empfängt den Sporting Clube de Portugal, den zu Hause alle kulturlosen Bastarde fälschlicherweise immer ‚Sporting Lissabon‘ nennen. Gleich bummeln wir zum Bahnhof „São Bento“ und erkundigen uns, ob man die kleine Stadt mit einer Bahn erreichen kann.

29.12.2018, 10.30 Uhr: Wir haben Zugfahrkarten bekommen. Für 1,70 € fährt auf der „Linha do Vouga“ eine Schmalspurbahn in nur 27 Minuten nach Vila da Feira. Das wird schon der gleiche Ort sein, oder? Zurück gibt es leider keine Bahnverbindung mehr. Wir haben jetzt jedenfalls erst einmal den Kauf getätigt und gehen nun auf den Portweinstrich!

29.12.2018, 12.00 Uhr: Hier ist gerade ein dicker Engländer durch einen Stuhl gefallen. Das sah sehr lustig aus. Der Kellner ist direkt mit etwas Holzleim herbeigeeilt und hat die Sitzfläche angeklebt. Nun sitzt der Tommie wieder und trinkt sich vor lauter Schreck erst einmal durch das Portweinsortiment. Das ist Erlebnisgastronomie, wie sie im Buche steht. Die Kartoffelköpfe trinken lieber ein „Sagres“ und ziehen es vor, vor der Abfahrt in Richtung „Taça da Liga“ zu Hause zu Mittag zu essen.

29.12.2018, 14.00 Uhr: Das selbst gekochte Mittagessen schmeckt, das Flaschenbier mundet. Die Taxifahrt aus Vila da Feira wird zurück in etwa 30 € kosten, macht also knapp 6 € pro Kopf und Strecke für den heutigen Pokalausflug. Da kann der rumänische Kassenwart nicht meckern. Auf Facebook meldet der C.D. Feirense gerade, dass das Spiel heute Abend „esgotado“ ist. Das ist bestimmt irgendetwas tolles!

29.12.2018, 14.05 Uhr: „Esgotado“ bedeutet „ausverkauft“. Jetzt ärgere ich mich schon ein wenig, dass mir der C.D. Feirense nie auf meine E-Mail geantwortet hat. Angesichts von nur 5.449 Plätzen im Stadion sind wir nämlich sehr wohl auf die Idee gekommen, da vorher mal nach Karten zu fragen. Die Schmalspur-Casanovas haben soeben einstimmig entschieden, ihr Glück nicht auf dem Schwarzmarkt zu suchen und in Porto zu bleiben. Schön 1,70 € in den Wind geschossen. Da wird der rumänische Kassenwart wieder meckern.

29.12.2018, 19.30 Uhr: Wir hatten einen schönen Tag in Porto und haben nun wirklich alle Sehenswürdigkeiten abgeklappert. Ich habe viele Fotos von Kirchen, kleinen Häusern, Menschenmassen und Nahrungsmitteln geschossen. Das Stadion von Boavista sieht aus wie ein Parkhaus und war kaum ein Foto wert. Die lange Schlange vor dem Buchladen war allerdings einfach zu irrwitzig. Tausende Menschen warten hier auf Einlass, um irgendeine alte Wendeltreppe zu sehen, die der Sage nach Joanne K. Rowling dazu inspiriert hat, Harry Potter zu schreiben. Und die „Francesinha“ (→ die kleine Französin) entpuppte sich dann auch eher als hemdsärmeliger französischer Bauarbeiter. Ein überbackenes Toast mit Steak, Wurst und Schinken, übergossen mit einer dickflüssigen Bier-, Senf- und Tomatensoße. Lecker, diese Spezialität aus Porto – aber wenn das die kleine Französin war, möchten wir die große nicht kennenlernen…

29.12.2018, 21.30 Uhr: Der Sporting Clube der Portugal hat auswärts mit 4:1 gewonnen und zieht gemeinsam mit Benfica und Braga in das Halbfinale des Wettbewerbs ein. Der letzte Teilnehmer wird morgen im Fernduell zwischen Porto und Chaves gekürt. Die offizielle Zuschauerzahl wird mit 5.440 angegeben. 9 Plätze sind also frei geblieben. Verdammt, da hätten wir ja noch wen mitnehmen können. Wir haben dann alternativ Liverpool-Arsenal (5:1) geschaut. Portimonense meldet gegen Benfica übrigens: Esgotado! Gelächter. Dieses Mal lassen wir uns so schnell nicht abschütteln…!

 

… und so sitzen wir dann am 30.12. mit einem diabolischen Plan in der Hinterhand im Zug der „Comboios de Portugal“ nach Lisboa. Es wäre doch gelacht, wenn wir nicht einfach vor Ort noch drei Tickets für den Gästeblock ergattern könnten. Erst einmal genießen wir aber die entspannte Zugfahrt, die mich als verkappten Reiseleiter schon alleine dadurch entspannen lässt, dass man sie im Vorfeld der Reise buchen und bezahlen konnte. Bei all dem ganzen ungeplanten Chaos kommt es einer Wohltat gleich, dass zumindest die „CP“ zuverlässig, schnell und günstig dafür Sorge tragen wird, dass wir uns zumindest gut durch Portugal bewegen können.

Drei Stunden und fünfzehn Minuten später haben wir unseren Zielbahnhof erreicht und begeben uns umgehend auf den Weg in unsere Unterkunft. Die „Residencial Joao XXI“ verfügt zwar durchaus über einen wohlklingenden Namen, war der Reisegruppe allerdings in erster Linie dadurch ins Auge gefallen, dass sie sich preislich wohltuend von der Konkurrenz abgehoben hat. In Lisboa kann man es sich offenbar über den Jahreswechsel erlauben, irgendwelche astronomischen Phantasiepreise aufzurufen. Wird wohl genügend Menschen geben, die diese auch bezahlen, aber FUDU schiebt diesem Spiel den Riegel vor: 140 € für zwei Nächte im Dreibettzimmer sollten dann auch genügen…

„Sorry, we were lazy, your Room is not finished yet“, ist dann die erste mit russischem Akzent vorgetragene Konsequenz dieser Preisdrückerei, die man im Gegenzug zu ertragen hat. 30 Minuten zusätzliche Wartezeit werden ausgehandelt, die wir stilsicher zu überbrücken verstehen. Ein asiatischer Späti gegenüber unseres Hotels ermöglicht uns ein Kaltgetränk in der Sonne am Bordsteinrand. Argwöhnisch werden wir hierbei aus dem Hotel beobachtet. Ihr mögt es herumlungern nennen, wir nennen es cornern!

Eine halbe Stunde später ist das Bierchen geleert und das Zimmer bezugsfertig. Glücklicherweise bleiben nur noch 90 Minuten bis zum Anpfiff, sodass wir nicht all zu viel Zeit auf dem Zimmer verbringen müssen. Hier werden wir noch jede Menge Freude mit durchgelegenen Betten, spartanischer Einrichtung und einer feucht-schwarzen Wand haben. Nun müssen die drei Schimmelreiter aber schleunigst die Pferde satteln, es geht hinaus nach Belém!

Mit einem wunderbar vollgemalten Vorortzug tuckert man vom Bahnhof „Cais do Sodré“ parallel des Flussverlaufs gen Westen. Die fünfzehnminütige Fahrt entlang des Tejo bietet einem sogleich die Gelegenheit, den „Torre de Belém“ und das Seefahrerdenkmal „Padrão dos Descobrimentos“ zu bewundern, womit zwei touristische Hotspots bereits vor dem ersten Stadtspaziergang als besichtigt gelten. Die eigentliche Heimspielstätte von Belenenses ist das „Estádio do Restelo“, fasst knapp 20.000 Menschen und wird heute von uns links liegen gelassen. Leider dürfen die ersten Herren ihr Fußballstadion aktuell nicht nutzen, da sich der Präsident des Gesamtvereins mit dem Vorsitzenden der ausgegliederten Profiabteilung überworfen und eine weitere Nutzung des Stadions untersagt hat. Der Stammverein Clube de Futebol Os Belenenses spielt nur noch in der sechsten Liga, während der ausgegliederte Profiteil nun unter dem Namen Os Belenenses SAD und mit neuem Grafikdesign-Logo aus der Hölle in der höchsten Spielklasse vertreten ist. Wer mehr über die Posse erfahren mag, sei folgender Artikel des „Ballesterer“ ans Herz gelegt: https://ballesterer.at/2018/09/27/scheidung-auf-portugiesisch/.

Für uns bedeutet dies jedenfalls, dass wir noch ein wenig länger im Zug verweilen dürfen und drei Kilometer am eigentlichen Ziel vorbeirauschen müssen. Neues Ziel der Fahrt ist der Bahnhof „Cruz Quebrada“, von dem man das „Estádio Nacional do Jamor“ fußläufig erreichen kann. Selbigen Plan verfolgt offenbar auch eine Delegation jugendlicher US-amerikanischer Sportler*innen, die hier mit gut 120 Mann die Bürgersteige verstopfen und orientierungslos in der Gegend herumstehen, anstatt sich einfach von den riesigen Flutlichtmasten den Weg weisen zu lassen. Wir laufen Slalom um all diese gehirnverkümmerten Smartphonezombies und haben um 16.37 Uhr den Stadionvorplatz erreicht.

Die Schlange an dem Kassenhäuschen reicht dann in etwa zurück bis nach Belém und die Hoffnung schwindet ein wenig, pünktlich zum Anpfiff im Stadion zu sein. Wir sind umringt von Fußballfreunden aus Porto, Farben der Heimseite sucht man noch vergeblich. Einige zwielichtige Händler versuchen die unübersichtliche Einlasssituation zu ihren Gunsten auszunutzen und bieten Eintrittskarten mehr oder weniger als Meterware an. FUDU bleibt gleichermaßen skeptisch wie geduldig und sorgt sich angesichts einer Stadionkapazität von 37.593 nicht ernsthaft darum, keine Originaltickets mehr zu erhalten. Bei dem Gedrängel, dieser Menschenmenge und der Anzahl an fliegenden Tickethändlern kann man aber schon davon ausgehen, dass die Hütte heute einigermaßen voll wird. Die Zeit rinnt davon, man kommt der Kasse langsam näher, die Schwarzmarktpreise sinken. Um Punkt 17.00 Uhr haben wir auf dem offiziellen Weg drei Billets zu je 20 € erworben und die Sicherheitsschleuse erfolgreich passiert. Der erste Blick in das weite Rund sorgt dann für gemischte Gefühle. Überragend die monumentale Stadionarchitektur, enttäuschend die Zuschauerresonanz.

Die aktuelle Ausweichspielstätte für Belenenses wurde 1944 von Diktator António de Oliveira Salazar eröffnet und orientiert sich in seiner Architektur an diversen Olympiastadien. Wie es sich für einen vernünftigen Diktator gehört, wurde auch bei der Planung und Umsetzung dieses repräsentativen Bauwerks eher geklotzt denn gekleckert. Seit 1946 wird das Endspiel um den portugiesischen Fußballpokal im „Estadio Nacional“ ausgetragen und seinem Namen entsprechend absolvierte auch die Nationalmannschaft lange Zeit ihre Länderspiele in diesem Stadion – so lange, bis die EURO 2004 moderne Stadien nach Portugal brachte. Fußballhistorisch erlangte das Stadion vor allen Dingen in der Saison 1966/67 Relevanz, als der Celtic FC das Finale im Europokal der Landesmeister gegen Internazionale gewann. Und wieder einmal macht FUDU zwischen den Jahren Bekanntschaft mit den „lesbischen Löwen“…

Der Anpfiff des Spiels wird sich wegen des Andrangs an den Stadiontoren noch ein wenig verzögern. Obwohl Belenenses hier offiziell Heimrecht genießt, animiert der Stadionsprecher ausschließlich die kleine, aber feine Portokurve und auch auf der Haupttribüne halten es nahezu alle Zuschauer mit den Blau-Weißen. Lediglich am rechten Rand der Tribüne haben sich vielleicht 30 Menschen versammelt, die so eine Art Heim-Fanblock darstellen und den Kickern aus Belém zuzuordnen sind. Dieser kleine Block, bevölkert von alten Männern und Familien, wird ernsthaft von einem Polizisten bewacht, der die Arme verschränkend auf der Tartanbahn steht und auf seinen großen Einsatz wartet. „Der wird in der Polizeikantine bestimmt verspottet“, mutmaßt der „Hoollege“. Kurz darauf wird das Spiel mit zehnminütiger Verspätung eröffnet.

Mit der ersten Standardsituation des Spiels geht der Außenseiter in Führung. Nach Freistoßflanke, Kopfball und Torwartabwehr setzt Reinildo vehement nach und drückt den Ball im zweiten Anlauf über die Linie. Erst vier Minuten sind zu diesem Zeitpunkt gespielt und schon muss der große FC Porto um das Weiterkommen zittern. 20 Minuten später hat dann auch die Ami-Trotteltruppe das Stadion gefunden und im Heimblock Platz genommen. Ich kann mir die Begeisterung der 30 Belenenses-Anhänger bildhaft vorstellen. Von zu Hause vertrieben, der eigene Verein umbenannt und gespalten, mit nur noch 30 Mann gegen 6.300 Gäste ansingen und dann auch noch von 120 Touristen umringt sein – es gibt sicherlich schönere Abende im Leben eines treuen Fußballfans. Währenddessen gewinnt der FCP auch auf dem Rasen die Oberhand und drängt auf den Ausgleich. In der 27. Minute scheitert Jesus Corona am Pfosten, zehn Minuten später ist die Abwehr mit einem wunderbaren Steckpass erneut ausgehebelt, doch Moussa Marega schiebt den Ball denkbar knapp neben das Tor. Elf Minuten später überrascht Porto-Coach Sérgio Conceição mit einem Doppelwechsel. Für Costa kommt Tiquinho und für Pereira Hernâni – ein Wechsel, der in Portugal für einen kleinen Skandal sorgen wird. Wie wir zwei Tage später einer Zeitung auf der Überfahrt nach Faro entnehmen dürfen, hat Conceição mit diesem Wechsel eine Regel der „Taça da Liga“ unterwandert. Anstelle der zwei „Local Player“, die Artikel 15 der Spielordnung verlangt, bietet Porto fortan nur noch einen auf. Der junge Costa, der sonst nur für die zweite Mannschaft des FCP aufläuft, sei aber wirklich verletzt gewesen, so die Stellungnahme des Vereins später. Naja, zumindest ein Wechsel mit Gschmäckle…

In der Halbzeitpause stellt die Portokurve erstmals ihren melodiösen Dauersingsang ein und die große Stunde der Ordner hat geschlagen. Wer nichts zu tun hat, der macht sich halt Arbeit. In völliger Verkennung der Tatsache, dass hier nahezu ausschließlich Portosympathisanten sitzen, kann man natürlich den oberen Umlauf sperren, um die Begegnung mit Fans hinter dem Tor zu verhindern. Besonders schön, dass am unteren Rand der Tribüne keinerlei Absperrungen existieren und man neben der Tartanbahn locker durch das Stadion spazieren kann, während man sich oben in endlosen Diskussionen verstrickt. Aber letztlich ist all unsere Mühe umsonst – auch an dem Versorgungsstand in der Kurve gibt es kein echtes Bier zu kaufen, obwohl einem ¾ der Werbebanden des Stadions das Wort „BIER“ geradezu entgegen schreien. Wegen schwerwiegender Vergehen gegen das Betäubungsmittelgesetz stürmt die Polícia noch eben schnell das Toilettenhäuschen und schon ist die kurzweilige Halbzeitpause Geschichte.

In der Kabine hat Portos Trainer offenbar ein Erfolgsrezept entwickelt: Flanken, Flanken, Flanken! Immer wieder irrt die Innenverteidigung von Os Belenenses durch den Strafraum und auch Torwart Mika wackelt bedenklich, sobald hohe Bälle von den Seiten in die Mitte fliegen. In der 47. landet ein Kopfball noch auf der Querlatte, in der 53. eine Direktabnahme von Marega dann aber endlich in den Maschen. Jetzt wird es richtig absurd und der Stadionsprecher feiert den Ausgleich frenetisch mit den mitgereisten Schlachtenbummlern aus Porto und spätestens jetzt muss sich das hier für den FCP wie ein echtes Heimspiel anfühlen. Porto hält den Druck im Anschluss konstant hoch, gleich mehrere Male brennt es lichterloh im Strafraum von Belenenses, dennoch braucht es eine weitere Freistoßflanke, um das Spiel zu drehen. (Ausgerechnet!) Tiquinho nickt nach Telles-Flanke aus dem Halbfeld zum 1:2 ein (63. Min.). Porto ist sich seiner Sache nun etwas zu sicher, schaltet einen Gang zurück und überlässt Belenenses das Zepter, doch mehr als einen direkten Freistoß nach 67 Minuten und einen guten Abschluss nach 76 Minuten kriegen die Hausherren nicht zustande gebracht. Plötzlich scheint man sich auf Portos Trainerbank zu entsinnen, dass es im Fernduell mit Chaves letztlich um die Tordifferenz gehen könnte (nur der Tabellenerste der Vierergruppe zieht in das Halbfinale ein) und so animiert man die Spieler noch einmal mit wilden Gesten dazu, die Offensive anzukurbeln. In den letzten 10 Minuten des Spiels schießt Porto vier wilde Fahrkarten und ein Abseitstor, doch am Ende wird Chaves genau ein Tor fehlen und Porto trotz des vielen Unvermögens in der Schlussphase lachender Sieger des Abends bleiben.

Nach dem Spiel kehren wir im „Villa Cruz“ ein und kompensieren mit leckerem Burger und Fassbier für 1,80 € das im Stadion ausgefallene Cateringerlebnis über alle Maße. Während wir danach auf unseren Vorortzug warten, plätschert im Hintergrund der Tejo vorbei und bietet akustisch optimale Untermalung für eine erste Recherche, für welche wir die Handys zücken. Hättet ihr beispielsweise gewusst, dass in der Europapokalsaison 1966/67 Jürgen Piepenburg vom ASK Vorwärts Berlin Torschützenkönig des Wettbewerbs wurde? Dank seiner sechs Treffer, darunter fünf in der Qualifikationsrunde gegen den irischen Vertreter des Waterford AFC (glatt in zwei Sätzen: 6:1, 6:0!), war Piepenburg dieser Eintrag in die Fußballgeschichtsbücher nicht mehr zu nehmen. Merkt’s Euch, ist alles prüfungsrelevant!

 

Am 31.12.2018 schnellen die FUDU-Schweine ungewohnt früh aus den Betten. Nichts wie raus aus der russischen Schimmelbude, hinein ins portugiesische Frühstücksparadies um die Ecke! Gefüllte Blätterteigteile in der Bäckerei nebenan sorgen für ausreichend Stärkung, um im Anschluss den ersten Teil des heutigen Sightseeingmarathons bewältigen zu können. Mit der Fähre setzen wir nach Cacilhas über, um dort den „Cristo Rei“ bestaunen und vielleicht sogar besteigen zu können. Rund um die achtgrößte Christus-Statue der Welt (architektonischer Fehler, um in der Superlativ-Liste weiter oben zu landen: mehr Sockel [82 Meter] als Jesus [28 Meter] bauen…) tummeln sich an diesem sonnigen Montagmorgen hunderte Touristen und wir sehen angesichts einer Eintrittspreisforderung in Höhe von 5 € und der wartenden Massen davon ab, unseren Plan umzusetzen, den Heiland als Aussichtsturm zu missbrauchen. Dafür haben wir große Freude daran, ein halbnacktes spanisches Topmodel zu beobachten, welches sich von ihrer dicken Freundin gerade gefühlt aus dem 1000. Winkel mit Good Old Jesus fotografieren lässt. Lasziv auf einer Mauer räkelnd, mit den Haaren spielend, posierend – diese Urlaubsfotos werden in ihrer erzkonservativen katholischen Herkunftsfamilie sicherlich prima ankommen.

Im Anschluss erkunden wir das Tejo-Ufer und spazieren munter drauf los. Schnell haben wir die Tourimassen hinter uns gelassen und tauchen ein in die morbide Welt eines verlassenen Ortes. In der „Quinta da Arealva“ kann man durch verfallene Industriebaracken klettern, einstige Gärten durchqueren und Ausblicke auf die „Ponte de 25 Abril“ und hinüber nach Belém erhaschen. Farbenfrohe „Streetart“ mit einer Range von „Wall Street“ bis „BSG Chemie“ bietet dabei beste visuelle Unterhaltung und so gehen gut zwei Stunden ins Land, ehe wir mit einem leichten Hüngerchen in die erste und einzige Touristenfalle des Urlaubs tappen werden. Das Essen schmeckt jedenfalls nur so mittelmäßig und als auf der Rechnung auch noch stolze 15 € für drei Fassbier veranschlagt werden, nickt uns von oben Jesus bestätigend zu. Kleine Sünden bestrafen der liebe Gott und FUDU eben sofort und so werden die 1,20 €, die der Wirt wortlos als Trinkgeld einbehalten will, aktiv zurückgefordert und beim Verlassen des Ladens noch zwei Gläser geklaut.

Zurück in der Innenstadt wird der Fanshop Benficas zum ersten Ziel erklärt. Dort erhalten wir die Auskunft, dass Eintrittskarten für das Spiel in Portimão nicht erhältlich wären. Esgotado, esgotado, esgotado, wir können’s nicht mehr hören. Dieses Mal lassen wir jedoch so schnell nicht locker und siehe da, eventuell gibt es im Shop neben dem „Estádio da Luz“ doch noch eine kleine Chance auf Resttickets. Eine Nachfrage später ist die freundliche Dame dann sogar bereit, zum Telefon zu greifen und bei ihren Kollegen nachzufragen, die zu unserer Begeisterung bestätigen: Ja, es gibt noch Eintrittskarten. Geöffnet ist der Laden bis um 19.00 Uhr, danke für die Auskünfte, Obrigada!

Es bleiben also noch gut zwei Stunden, um sich vom ortskundigen „Hoollegen“ durch Lisboa führen zu lassen. Wir schlendern über den „Praça do Comércio“, auf dem die Silvesterfeierlichkeiten vorbereitet werden und ein wenig der Weite des Platzes nehmen, laufen entlang der Schienen der berühmten Holzstraßenbahnen der Linie 28 und kraxeln durch das Altstadtviertel „Alfama“ hinauf zum „Castelo de São Jorge“ und werfen von oben Blicke hinab in die Stadt. Wirklich wunderschön, aber dennoch hinterlassen all diese Eindrücke unter dem Strich das Gefühl, genug vom überfüllten touristischen Lisboa erlebt zu haben. So fühlt es sich gegen 18.00 Uhr nicht unbedingt verkehrt an, dem Trubel der Innenstadt den Rücken zuzukehren und hinaus nach „São Domingos de Benfica“ zu fahren – Fetti, bring mich zum Licht!

Noch gerade eben rechtzeitig erreichen wir den Stadtteil, um den Sonnenuntergang über dem „Estádio da Luz“ miterleben zu können. Das ist echte Urlaubsromantik. Einige Minuten später hat uns der freundliche Mitarbeiter im Fanshop am Stadion tatsächlich drei Eintrittskarten für das angeblich ausverkaufte Gastspiel Benficas beim Portimonense SC am 02.01.2018 verkauft. Zwar erhalten wir Karten für unterschiedliche Blöcke, was in Portimão allerdings kein Problem darstellen würde, da man problemlos zwischen den Stadionteilen umherwandern könnte. Mit all diesen Erfolgsmeldungen im Gepäck starten wir unbeschwert in unseren Silvesterabend.

In der bereits gestern getesteten Churrasqueira „Kumar“ unweit unseres Pilzpalastes serviert eine indische Familie portugiesisches Essen für die einfachen Leute und mit Sicherheit wird sich auch heute Abend kein einziger Tourist hierher verlaufen. Wir stoßen zunächst auf unseren Meisterhopper-Schachzug an und erfreuen uns an dem Zufall, Benfica einfach hinterher reisen zu können und so problemlos Karten für den Auswärtsblock erhalten zu haben. Der Laden ist gut gefüllt und durch eine recht hohe Fluktuation der Gäste zu charakterisieren. Hier kehrt man ein, hier isst man schnell, gut und günstig und geht dann wieder. Nur FUDU hat sich festgesessen – und dieser eine furchtbare portugiesische Bauer am Nebentisch. Würde man sich weltweit auf die Suche nach dem Menschen mit den schlechtesten Tischmanieren begeben, hier hätten wir einen Kandidaten für die Goldmedaille gefunden. Rülpsen, schmatzen, furzen, grunzen und das Essen mit den Fingern zwischen den Zähnen hervorholen und wiederkäuen. Der „Hoollege“ und ich haben beste Sicht auf dieses einzigartig schöne Exemplar Mensch, während der „Fackelmann“ diesen ausschließlich olfaktorisch wahrnehmen kann. Ungefähr 100 Olf auf der 1988’er Fanger-Skala dürfte der Kerl schon an Geruchsemission verursachen. Eine Mischung aus chlorhaltigem Reinigungsmittel, Altschweiß mit einem Hauch von offenem Bein. Da wird doch die Toilette, von deren Besuch der „Fackelmann“ wegen des Gestanks gestern noch zwingend abgeraten hatte, heute plötzlich zum Wallfahrtsort für die Nasenscheidewände. Wir lassen nichtsdestotrotz eine üppige Fleischvöllerei folgen und trinken uns mit dem einen oder anderen „Licor Beirão“ Mut an, um den heutigen Abend in Anwesenheit des Stinkers (der „Ad_olf“) und die Nacht in der Moderhöhle überstehen zu können. Es ist ein wunderbarer Abend, der seine Faszination daraus bezieht, in menschliche Abgründe zu gucken und diese auszuhalten – muss er sich gedacht haben, während er mir und dem „Hoollegen“ beim Betrinken zusehen musste. Kann er ja nur von Glück reden, dass sich nicht auch noch der „Fackelmann“ umgedreht hat. So – und nur so – sollte man Silvester in Lisboa feiern!

Die Kellnerin schaut mittlerweile von Bierbestellung zu Bierbestellung skeptischer, kann den vom „Hoollegen“ ins Leben gerufenen Qualitätsstandard aber locker erfüllen. Alle Biere sind weit über der „Linea Ovo“ (= Eistrich) gefüllt und spätestens, als der portugiesische Prolet Popelkugeln formt und durch das Lokal schnippst, erhält er von Fetti und den anderen Iberico-Schweinen das Prädikat ’sevillalich‘. Irgendwann ist Neujahr, sagt das Fernsehprogramm und wir erhalten irgendeinen Schnaps auf’s Haus. Um kurz nach Eins werden wir gefragt, was wir gerne zum Dessert hätten. „Liqueur“!, antwortet der „Hoollege“ wie aus der Pistole geschossen und mit einer letzten Runde „Beirão“ nimmt man Abschied von diesem denkwürdigen Abend, der letztlich gerade einmal 70 € gekostet hat. Fleisch ohne Ende, hundert Runden Bier, ein Schnapsgelage und Gerüche, die man nie wieder aus den Klamotten gewaschen kriegt. Na dann, liebes Tagebuch: Auf ein schönes 2019! /hvg