Posted on August 10, 2018
10.08.2018 Bonner Sport-Club 01/04 – FC Viktoria Köln 1904 2:2 (0:1) / Sportpark Nord / 984 Zs.
Kaum ist man zurück in Deutschland, hagelt es auch bereits erste Hiobsbotschaften. Der Flug nach Köln ist soeben abgesagt worden – Reiner streikt! Das stößt einem besonders bitter auf, weil nicht nur der 1.FC Union Berlin am Montagabend in der besten zweiten Liga aller Zeiten beim FC antreten muss, sondern zuvor noch drei Kultstätten des westdeutschen Fußballs gekreuzt werden sollten. Da bleibt einem wohl keine andere Wahl, als schleunigst umzudisponieren und sein erstattetes Flugticket gegen eine Bahnfahrkarte einzutauschen. Naja, oder eben gegen das, was man bei der DB für 9,99 € so als Gegenleistung bekommt. Eine Currywurst und ein kleines „Bitburger“ – mehr ist nicht drin. Angesichts der horrenden Preise für die Fahrt als solches, darf die Einlösung einer Freifahrt also wieder einmal als alternativlos angesehen werden.
Nur, weil man nach der kurzfristigen Annullierung des Fluges nun das Sechs- oder Siebenfache für die selbe Reiseroute hätte zahlen müssen, heißt das natürlich noch lange nicht, dass man auch um selbigen Faktor entspannter sein Ziel erreicht. Aufgrund eines Unwetters namens Nadine herrscht am Freitag in Nordostdeutschland jedenfalls „Bahnchaos“. Ein Begriff, den Medien immer dann nutzen, wenn bei der Bahn noch weniger planmäßig klappt, als man dies ohnehin aus dem Alltag gewohnt ist. Züge aus Berlin können nicht nach oder durch Hannover fahren und werden umgeleitet. Meine Ankunft in Köln verzögert sich entsprechend, doch überwiegt die Freude, überhaupt dort angekommen zu sein. Gerade habe ich meinen Zug verlassen, als ich die Durchsage vernehme, dass für „Reisende nach Berlin ein Bus bereitsteht“. Bahn statt Flugzeug kann Fetti ja gerade noch ertragen, aber ein Busdowngrade hätte es dann nun wirklich nicht gebraucht, um dem Bonner SC einen Besuch abzustatten.
Der Weg von Köln nach Bonn stellt dann überraschenderweise die nächste Herausforderung dar. Zwar beträgt die Entfernung zwischen den beiden Städten gerade einmal läppische 27 Kilometer, doch die DB wäre nicht die DB, wenn sie es nicht auch auf dieser kurzen Strecke seiner Kundschaft so schwer wie möglich machen würde. Die erste Regionalbahn fällt komplett aus, die nächste wird Köln erst mit massiver Verspätung erreichen. In meiner Verzweiflung stürme ich den Bahnhofskiosk auf dem Bahnsteig, um mich in die tröstende Umarmung alkoholischer Getränke zu begeben. Auch der nächste Stachel sitzt tief – in diesem Kiosk hat man leider kein Bier, sondern ausschließlich Kölsch im Angebot. Noch so „Früh“ am Morgen und doch schon so viel misslungen…
… denke ich mir, kaufe zwei Pullen und leere die erste noch während der Wartezeit auf die Heil bringende Bimmelbahn. Ein Zug der „CFL“ in Richtung Gare de Luxembourg retttet mich schließlich aus meiner Misere und lässt mich dann direkt eiskalt in die nächste taumeln: An Bord sind heute leider alle Toiletten defekt. Als Grund wird Vandalismus genannt. Ich kann es nicht nachvollziehen, wie man aus blinder Wut, Frust, Selbsthass oder Verzweiflung derart destruktiv agieren und solche Gewaltfantasien entwickeln kann. Aber fest steht, wenn ich einen dieser Nordrhein-Vandalen erwische, die hier eine gesellschaftlich anerkannte Kölschentsorgung unmöglich gemacht haben, dann schlage ich dem meine zweite Pulle von Früh bis Spät über den Schädel und erleichtere mich in jeder Fuge seines gottverdammten Fliesentischs.
Mit einer Stunde und sieben Minuten Verspätung habe ich dann endlich mein Ziel erreicht. <<Bonnjour>>, schreit Fetti über das Ankunftsgleis und beweist wieder einmal, dass er es auch im Stadtmarketing zu etwas bringen würde. Der rumänische Kassenwart in mir setzt währenddessen zum High Five an. Eine Stunde Verspätung mit der DB bedeuten bekanntermaßen, dass einem 25% des Fahrkartenpreises erstattet werden. Fetti erscheinen die Dollarzeichen vor den Augen. Ching Ching, Zahltag – ehe er sich daran erinnert, für die Fahrkarte überhaupt gar kein Geld, sondern lediglich Bonuspunkte investiert zu haben. Meine spätere Reisebegleitung wird mich jedoch berechtigterweise darauf aufmerksam machen, dass man auch in diesem Falle Anrecht auf eine Erstattung hat. Fetti wird im Nachgang der Reise in neue Dimensionen vordringen und tatsächlich 25% seiner eingelösten Bonuspunkte auf das Bahncard-Konto zurückgebucht bekommen. Freunde, ab jetzt gibt es keine Grenzen mehr: Umsonst mit der Bahn fahren und hinterher noch etwas wiederbekommen – da kann Kollege Reiner dann meinetwegen sooft streiken, wie er mag!
<<Bonnjour>> hatte Fetti beschwingt hervorgebracht, <<Tristesse>> antwortet Bonn nun seufzend, tief einatmend und mit hängendem Kopf, während sich Fetti fußläufig in Richtung „ibis“ bewegt. Wahrlich, die architektonisch gar nicht mal so wilden 70’er haben in der ehemaligen bundesdeutschen Hauptstadt unwiderrufliche Spuren hinterlassen. Für 0,50 € kaufe ich mir in der Touristeninformation dennoch einen kleinen Stadtplan und will es nun richtig wissen. An welchen Ecken mag Bonn dann vielleicht doch etwas zu bieten haben? Schnell ist das Rathaus, der alte Zoll, das Sterntor und das Geburtshaus Ludwig van Dalens Beethovens besichtigt. Es ist ein besonders erhabener Moment für mich, vor dem kleinen altrosa Häuschen zu stehen und gemeinsam mit 800 Millionen asiatischer Touristen Fotos zu schießen. Ich habe Beethovens Bilder schließlich schon immer sehr gemocht…
… fast so sehr, wie Bier. So ist es nicht verwunderlich, dass die in der Zwischenzeit vollzählige Reisegruppe vor dem lang ersehnten Stadionbesuch noch einmal in einem Brauhaus einkehrt. Was Köln kann, können wir schon lange, muss sich Bonn irgendwann einmal gedacht haben und braut seitdem ein eigenes Getränk, welches man auf den Namen „Bönnsch“ getauft hat. Muss man auch erst einmal drauf kommen. Oder: Mit Fetti im Marketing wäre das nicht passiert.
Derart gut gestärkt geht der halbstündige Spaziergang zum „Sportpark Nord“ im Anschluss recht leicht von der Hand. Das Stadion (entspricht etwa einem Fußballfeld mit zwei Tribünen, zwei Graswällen und vier Flutlichtmasten) ist Teil einer Anlage mit diversen Sportstätten, die insgesamt 160.000 Quadratmeter (entspricht 23 Fußballfeldern) umfasst. 1970 wurde es feierlich eingeweiht und war in der Saison 1976/77 Spielstätte der 2. Fußball-Bundesliga. Heute spielt der Bonner SC in der viertklassigen Regionalliga West, hat römische Gladiatoren auf der Eintrittskarte und nennt den Slogan „Bonn – Football – Soccer – Fuppes“ sein Eigen.
Von einigen Alt-Viktorianern werden wir per Handschlag begrüßt (die Fanszene ist klein, aber fein, man kennt sich eben!), während wir so vor dem Einlass herumlungern und erste Fotos der Spielstätte schießen. Im Einlassbereich gilt unsere ganze Bewunderung einem Spind und der darauf befindlichen Stickerkultur, die sie in Bonn irgendwann Mitte der 80er Jahre aus einer Turnhalle evakuiert haben müssen und seitdem als zeitgeschichtliches Dokument unangetastet gelassen haben. Leichtathletikmeisterschaften 1986 in Berlin, 1.FC Köln Trikot mit „Samsung“-Werbung, Dynamo Durstig – wirklich viel schönes dabei!
„Willkommen in der schönsten Stadt am Rhein“, verkünden die Bonner großspurig und schießen so erste Giftpfeile in Richtung der 90 Gästefans, die heute bunt gemischt zwischen Bonner Schlachtenbummlern auf der Gegengerade stehen. Für eine eigene „Sparkasse“ reicht es in der „schönsten Stadt am Rhein“ jedoch nicht und so muss dann wiederum die „Sparkasse Köln“ herhalten, um das heutige Derby zu präsentieren, welches nicht einmal 1.000 Zuschauer für sich begeistern kann. Beim Bonner SC zählt FUDU vor Anpfiff mehr Vereinshymnen als Zaunfahnen, einen erwähnenswerten akustischen Support wird es auf Seiten beider Fanlager nicht geben und den Spielbericht darf man getrost mit dem Fazit der ersten Halbzeit beginnen:
Ein ausgeglichenes Spiel, der Gast allerdings etwas ballsicherer und reifer in der Spielanlage, ein satter Fernschuss nach einem eigentlich bereits abgeblockten Angriff kann Keeper Michel aus 25 Metern überrumpeln, die Führung durch Saghiri nach 43 Minuten so nicht gänzlich unverdient, in der Entstehung aber doch recht glücklich.
In der zweiten Halbzeit nimmt das Spiel an Fahrt auf. Während die Außentemperaturen sinken und ich mich in meinen wohlig warmen Girondins-Pulli aus der „Rue Catherine“ kuschel, laufen die Bonner Akteure langsam heiß. Bernard Mwarome, der auffälligste Mann in rot und blau in den ersten 45 Minuten, verheddert sich direkt nach Wiederanpfiff mit seinem Dribbling im Strafraum der Kölner. Irgendwie bekommt er aus der Drehung – halb im Fallen – den Ball dennoch mit dem linken Fuß auf das Tor gebracht, trifft den Innenpfosten, von dem aus das Spielgerät den Weg in die Maschen findet. Torwart Patzler (Unioner von 2002-2007 und 2012-2015) ist außer sich – das Ding hätte man nun mindestens drei Mal verteidigen können…
Köln reagiert mit wütenden Angriffen und kann lediglich drei Minuten später den alten Abstand wieder herstellen. Nach einer schönen Flanke von Golley scheitert Backszat zunächst am Pfosten, kann den Abpraller aber über die Linie drücken. Im Block beginnt nun angesichts der sportlichen Unterlegenheit des Heimvereins die Zeit des gepflegten Trashtalks. Bonner Anhänger vergleichen Viktoria Köln mit RB Leipzig. Die neugegründete Viktoria hätte keine Tradition, keine Stimmung, keine Fans und nur Söldner in den eigenen Reihen, die mit Geld überhäuft werden. In der 70. Minute (!) meldet der Bierstand am oberen Rand der Blockes „ausverkauft“ (!!) und trägt seinerseits dazu bei, dass sich die Laune der knapp 300 Besucher (!!!) auf eben jener Tribüne nicht unbedingt bessert. Jetzt sind die Kölner also auch noch Schuld daran, dass man im eigenen Stadion nichts mehr zu saufen bekommt. Klar, dass es da nicht mehr lange dauert, bis der erste Bonner einem Kölner an den Kragen und diesen aus dem „Heimblock“ schmeißen will. Der Kölner reagiert gleichermaßen trocken wie geschickt: „Euer Scheißverein ist doch Schuld daran, dass wir hier zusammenstehen müssen!“. Spiel, Satz, Sieg und Ruhe im Karton. Der Bonner muss an dieser Stelle wohl oder übel kleinlaut eingestehen, dass sein Herzensverein ein paar Mark fünfzig für 3-4 Ordner einsparen wollte und den Gästeblock schlicht und ergreifend nicht geöffnet hat.
Der BSC kämpft voller Leidenschaft, aber mit überschaubaren Mitteln. Die Standardsituationen verpuffen allesamt in kläglichem Dilettantismus, doch Köln beraubt sich im Verwaltungsmodus seiner Qualitäten. In der 75. Minute segelt eine Flanke von der rechten Außenbahn in den Strafraum Viktorias, Perrey steigt hoch und köpft die Kugel gegen die Laufrichtung von Keeper Patzler in die kurze Ecke. Ausgleich! Und wer weiß, was für eine Fiesta es im Bonner Sportpark gegeben hätte, wäre der Freistoß von Jesic zwei Minuten vor Feierabend nicht an der Oberkante der Latte, sondern im Kreuzeck eingeschlagen – und hätte man im Anschluss mit einem schönen Kaltgetränk darauf anstoßen können. So aber endet der <<Bonnjour>> mit einem Remis und der Erkenntnis, dass auch spät am Abend ein „Früh“ besser gewesen wäre, als gar kein Bier. /hvg
Neueste Kommentare